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den höchsten Grad, als sie einst im Carneval dem Marquis mit Margarethe Gelis begegnete und den Blick der Verachtung, den sie den Beiden zuschickte, mit frechem Gelächter beantwortet sah.

      Emma besuchte die Gesellschaften nur auf Befehl ihres Mannes, der die Verlassenheit, zu der er sie verurtheilt hatte, nicht allzu offenkundig werden lassen mochte. Die geselligen Freuden hatten aber keinen Reiz für sie; die Einsamkeit sagte ihrer ernsten Stimmung mehr zu, als das geräuschvolle Leben; aber Susanne war mit dieser Zurückgezogenheit keineswegs einverstanden, und da sie den Marquis nicht todtmachen konnte, so war sie wenigstens daraus bedacht ihn recht zu ärgern.

      Wenn die junge Marquise sich dann und wann einmal entschloß, ihren Gemal in eine Soiree zu begleiten, so schmückte Susanne ihre Gebieterin mit ungemeiner Sorgfalt, wie ein Brahmane sein Idol ausputzt; sie folgte damit ihrer Zärtlichkeit und befriedigte zugleich ihren Haß gegen den Marquis.

      Oft folgte sie der Marquise in die befreundeten Häuser, mischte sich unter die Dienerschaft des Ortes, wo das Fest gegeben wurde, und betrachtete ihren Liebling durch eine angelehnte Thür. Sie freute sich ihres Erfolges und war entzückt, wenn sie Emma von Verehrern umgeben sah, und in ihrem Haß gegen den Marquis fühlte sie sich versucht, die Marquise durch Worte und Geberde zu ermuthigen.

      Der Marquis kümmerte sich überigens so wenig um sein Hauswesen, daß er die gar nicht verhehlte Feindseligkeit der alten Haushälterin keineswegs beachtete.

      So standen die Sachen, als in den ersten Tagen des Jahres 1835 ein Ereigniß eintrat, welches unter der Aristokratie von Dunois ein unerhörtes Aufsehen machte.

      Der Unterpräfect des Bezirks hielt sich einen Geheimsecretair, und dieser Secretär gehörte einer der vornehmsten Familien der Normandie an. Er hatte eben seinen Posten angetreten und an einen in Beauce wohnenden Verwandten sein Empfehlungsschreiben mitgebracht, durch welches die Mutter des jungen Mannes a vista auf das Wohlwollen ihres Vetters trassirte und ihn ersuchte, ihre Tratte durch Einführung des Söhnleins in die dortige Gesellschaft zu honorieren.

      So wurde denn Louis von Fontanieu, so hieß der neue Secretär, in die Salons eingeschmuggelt, au deren Pforten noch nie ein öffentlicher Beamter das »Sesarm thue Dich auf!« vernommen hatte.

      Anfangs wurde er wenig beachtet; aber eine aus boshaften Munde kommende Bemerkung brachte die ganze Gesellschaft in Aufruhr, denn Keiner wollte dem Andern an Reinheit der royalistischen Grundsätze nachstehen.

      Viele erklärten eine solche Herabwürdigung des Adels für unerhört. Die Royalisten mußten es allerdings höchst anstößig finden, daß ein Fontanieu in die Dienste der Juliregierung trat, daß ein Edelmann aus gutem Hause der Lakei eines dem Bürgerkönige dienenden Beamten wurde. Jedes Wohlwollen für den jungen Mann, der seinen Namen und seine Ehre so weit vergessen konnte, galt in den Augen der Aristokratie für mitschuldig. Die eifrigsten Royalisten wollten dem Eindringling die Thür weisen.

      Es konnte nicht fehlen, daß diese heftigen Aeußerungen des Unwillens vielfachen Wiederhall fanden.

      Dieses Echo drang auch bis zu Herrn von Mauroy, – dem Vetter, der Louis von Fontanieu in die Gesellschaft eingeführt hatte; er nahm seinen jungen Verwandten lebhaft in Schutz und suchte ihn dadurch zu entschuldigen, daß dessen Vater dem legitimen Königthum weit größere Opfer gebracht habe, als die Unzufriedenen, die sich als so eifrige Royalisten geberdeten. Der würdige Mann sei als Oberst der königlichen Garde im Jahre 1830 gefallen; sein Sohn habe kein Vermögen und sei folglich auf den Staatsdienst angewiesen, um seine Mutter und seine Tochter zu unterstützen.

      Aber die Eiferer waren nicht durch Gründe zu beschwichtigen; Herr von Mauroy wurde zwar von einigen einsichtsvollen und vorurtheilsfreien Personen unterstützt, aber ein beträchtlicher Theil der aristokratischen Gesellschaft von Châteaudun widersetzte sich der Zulassung des jungen Secretärs in ihren Gesellschaftskreis.

      Einer seiner ärgsten Gegner war der Marquis von Escoman. Der Parteigeist war freilich bei diesem nicht die Ursache, sondern der Vorwand der Feindseligkeit.

      Es gibt allerdings energische Charaktere, die mitten in einem regellosen Leben fest bei ihren Meinungen beharren; die Völlerei ist bei ihnen dann eine Art Sicherheitsventil, durch welches das überflüssige innere Feuer entweicht. Aber es sind immer nur Ausnahmen. Für gewöhnliche Menschen hat das Uebermaß in den sinnlichen Genüssen einen entnervenden Einfluß auf alle Geisteskräfte, und folglich auch auf die politische Ueberzeugung. Die gewaltsamen Veränderungen der gesellschaftlichen Zustände, die vergangenen oder bevorstehenden Revolutionen waren dem Marquis gleichgültiger als ein einziger Blick von Margaretha Gelis. Und eben eine unwillkürliche Bewegung ihrer großen schwarzen Augen hatte seinen Groll gegen Louis von Fontanieu geweckt.

      Jener Blick, der sich anfangs wohl unwillkürlich auf den Letzteren gerichtet hatte, wurde oft und sehr willkürlich wiederholt, und zwar jedesmal feuriger und herausfordernder.

      Der Marquis, aufs äußerste erzürnt, erklärte den kleinen aristokratischen Gesellschaftskreis von Châteaudun für entehrt und betheuerte, er werde die Einsamkeit suchen und als Eremit leben.

      Fontanieu, der von diesen Umtrieben anfangs keine Ahnung hatte, war ein junger Mann von vierundzwanzig Jahren und schien von der Natur ungemein begünstigt zu sein; wenn man ihn aber durch die Lupe betrachtete, fand man etwas Unfertiges, des letzten Schliffes Bedürftiges an ihm.

      Er war hübsch gewachsen, sein Gesicht regelmäßig und selbst nicht ohne Ausdruck und Geist; aber seinem ganzen Wesen fehlte die Anmuth, die Ungezwungenheit der feinen Weltsitte. Er hatte die steife, gezwungene Haltung eines, Soldaten in Civilkleidern. Er war als der Sohn keines Offiziers zum Militärstande bestimmt gewesen, und er würde auch Soldat geworden sein, wenn sein Vater am Leben geblieben wäre. Die Besorgnisse seiner Mutter hatten ihn bewogen die Militärschule zu St. Cyr nicht als Unterlieutenant zu verlassen, sondern der Secretär eines Unterpräfecten zu werden. Er hatte also bis zum einundzwanzigsten Jahre die Uniform getragen.

      Seine Fassungskraft war außerordentlich, aber es fehlte ihm an Ausdauer; er wußte von Allem etwas, aber seine Kraft erlahmte, sobald ein Studium die mindeste Anstrengung erforderte. Uebrigens war er sanft von Charakter und herzensgut. Die Natur hatte eben durch die Superlative seine Vorzüge verringert und sogar ihm und Anderen lästig gemacht; diese keineswegs gewöhnlichen Eigenschaften waren bei ihm eine Art nervöser Schwäche, aus welcher er sich durch gewaltsame Anstrengungen erhob, so daß er, wenn er sich nicht in einem Zustande der Ueberreizung befand, einen mehr weiblichen als männlichen Charakter hatte.

      Da er gegen Jedermann freundlich und wohlwollend war, so erblickte er Alles in einem rosigen Lichte. In den ersten acht Tagen nach dem Antritt seiner neuen Stellung schilderte er in zwei langen Briefen an seine Mutter mit Begeisterung die Aufnahme, die er in der vornehmen Gesellschaft von Dunois gefunden. Männer und Frauen, behauptete er, wetteiferten mit einander, ihm den Aufenthalt in diesem Städtchen angenehm zu machen, und Gott weiß, durch welches überschwängliche Lob er die Schuld der Dankbarkeit bezahlte. Wer diese Briefe las, mußte glauben, er werde vergöttert.

      Er war daher sehr erstaunt, als ihn der Unterpräfect eines Morgens im Vertrauen über die wirkliche Lage der Dinge aufklärte und ihm sagte, einige Unhöflichkeiten die er in seiner Arglosigkeit wahrscheinlich nicht bemerkt, hätten Gerüchte hervorgerufen, die seinen Muth in Zweifel stellten; er verlange daher im Namen der ihm befreundeten Familie Fontanieu, selbst im Namen der von ihm vertretenen Regierung, daß der neue Secretär Alles aufbiete, um diesem Zerwürfniß mit den Gegnern der Regierung in einer für ihn ehrenvollen Weise ein Ende zu machen.

      Ein Blitzstrahl, der zu den Füßen Fontanieu‘s eingeschlagen hätte, würde seine Nerven nicht heftiger erschüttert haben. Ohne den Unterpräfekten weiter anzuhören, ohne seinen Vetter Mauroy zu Rath zu ziehen, eilte er in den Clubb mit dem festen Entschlusse, die erste Person, die er dort finden würde zu fordern.

      Es war ein Uhr Nachmittags und die Säle des Clubbs waren fast leer. Der Marquis von Escoman und zwei Tagediebe von seiner Bekanntschaft waren indeß schon da.

      Georg von Guiscard, der eine dieser beiden Genossen des Marquis, war ein frivoler junger Mensch von zwanzig Jahren, der andere, der Chevalier von Montglas, ein sechzigjähriger Bruder Liederlich. Alle Drei lehnten sich auf das Geländer des Balcons und erwarteten

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