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und warf sie dem jungen Manne vor die Füße.

      Der Irrthum Susannens gab dem Letzteren eine Keckheit, die er unter andern Umständen gewiß nicht gehabt haben würde.

      »Sie irren sich, meine liebe Dame,« sagte er, die Geldbörse aufnehmend. »Ihre Börse verlange ich nicht als Lösegeld —«

      »Gerechter Himmel!« rief Susanne,« was verlangen Sie denn?«

      »Nichts und viel, wie Sie es nehmen wollen – ein Almosen und einen Schatz: einen einzigen Kuß von Ihrer Begleiterin,« antwortete Fontanieu mit einem Tone, dem er einen ungezwungenen, liebenswürdigen Ausdruck zu geben suchte.

      Die Marquise von Escoman, die er für Margarethe Gelis hielt, hatte bis dahin kein Wort gesprochen, obgleich sie den Irrthum ihrer Begleiterin über das plötzliche Erscheinen des jungen Mannes nicht theilte.

      Sie war nichtsdestoweniger sehr erschrocken, als sie eine Viertelstunde von der Stadt, in der Dunkelheit einen Unbekannten vor sich sah. Die Unsicherheit, welche sie in der Stimme des jungen Mannes bemerkte, gab ihr indeß einigen Muth wieder. Seine lebten Worte weckten in ihr das Gefühl der verletzten weiblichen Würde; sie trat auf Fontanieu zu, der ihr die Börse überreichte und den Arm ausstreckte, um seinen Tribut zu empfangen.

      »Halt, mein Herr!« sagte sie kalt, »wir wollen die Sache lieber so lassen, wie Susanne vorgeschlagen hat. Des Verlustes einer Kleinigkeit werde ich mich stets mit Gleichgültigkeit erinnern, aber es würde mir weh thun, wenn ein dem Anscheine nach gebildeter Mann die mir schuldige Achtung verletzte.«

      »Wie groß auch mein Wunsch ist, Ihnen zu gefallen,« erwiederte Fontanieu, der sich bemühte das Gespräch in dem gleichen Tone fortzusetzen, »kann ich mich doch nicht entschließen, in Ihren Augen als Straßenräuber zu gelten.«

      »Sie haben Unrecht mein Herr; diese letzte Rolle ist nicht gehässiger als die, welche Sie durch den Angriff einer wehrlosen Frau spielen, und in meinen Augen viel weniger lächerlich.

      Fontanieu war ganz erstaunt. Eine Grisette in Châteaudun konnte sich unmöglich mit dieser imponirenden Würde und zugleich so ungezwungen ausdrücken. Er fing daher an zu fürchten, daß er sich geirrt habe, und es folgte eine kurze Pause, in welcher er seine Verlegenheit verrieth.

      Susanne Mottet errieth zuerst die Ursache dieses Stillschweigens.

      »Mein Gott!« sagte sie, ihren Regenschirm drohend erhebend, »diese schreckliche Beleidigung hat wieder der Herr Marquis verschuldet. Er ist erstaunt, uns allein zu begegnen, und trotzdem reitet er weiter, statt seine —«

      »Susanne,« sagte die Marquise ernst, »vergessen Sie sich nicht!«

      Aber diese unterbrochenen Worte der erbitterten Feindin Escoman’s hoben alle Zweifel des jungen Wegelagerers und führten ihn wieder auf den zuerst betretenen Weg.

      Susanne wollte sagen: »seine Frau;« Fontanieu aber verstand: »seine Geliebte.«

      Der Marquis war so zügellos in seinen Sitten, die Marquise hingegen lebte so eingezogen, daß Louis von Fontanieu wohl von seiner Maitresse gehört hatte, aber von der Marquise fast gar nichts wußte. Mit etwas mehr Erfahrung würde er gewußt haben, daß sich ein Mann wie der Marquis von Escoman gegen seine Maitresse nicht so benimmt, wie es Susanne rügte, sondern derlei Unhöflichkeiten nur für seine Frau aufspart. Aber er war erst in das Leben eingetreten und daher noch kein scharfer Beobachter, und die junge Dame, für welche die alte Susanne so rührend das Wort genommen, schien ihm mehr als je Margarethe Gelis zu sein.

      Er nahm das Geldstück aus der Börse und reichte es der Dame ans der einen Hand, während er die Börse mit der andern an sein Herz drückte.

      »Nein, mein Herr,« antwortete die Marquise, den Kopf schüttelnd, »nicht das Eine ohne das Andere.«

      Louis von Fontanieu gab seine Ungeduld zu erkennen.

      »Ich sehe wohl,« sagte er, »daß wir uns nicht so schnell verständigen werden. Die Nacht bricht an, und ich bitte Sie um Erlaubniß, Sie bis an das Stadtthor zu begleiten; wir können ja unterwegs die Sache besprechen.«

      »Nein, mein Herr,« antwortete die Marquise, »wir sind jetzt ausgeplündert und haben daher keinen Raubanfall mehr zu fürchten. Behalten Sie daher Geld und Börse und lassen Sie uns fortgehen.«

      »In der That,« sagte Fontanieu, den diese unerwartete Kälte ärgerte, »man hatte mir Hoffnung auf eine bessere Aufnahme gemacht.«

      »Darf ich fragen, mein Herr, wer so gütig gewesen ist, für meine Gesinnung zu bürgen?«

      »Ein Bekannter, der die Ihnen von dem Marquis d‘Escoman bereitete Stellung kennt.«

      »Sie kennen also den Marquis von Escoman und die Stellung, die er mir bereitet hat?« erwiederte Emma ganz erstaunt.

      »Wie abscheulich!« eiferte Susanne. »Die Stellung, die er Ihnen bereitet hat! Jedermann weiß in Châteaudun, wie er sich gegen uns benimmt. Wer weiß, ob uns nicht der Herr Marquis selbst diese Falle gestellt hat.«

      »Ich heiße Louis von Fontanieu,« erwiederte der junge Mann mit Verwunderung über die Haltung der vermeinten Margarethe Gelis. »Es ist also nicht auffallend, daß ich einen Mann von meinem Stande kenne.«

      »Mein Herr,« sagte Emma, »bis jetzt betrachtete ich Ihr Benehmen nur als eine Unbesonnenheit, jetzt aber bekommt es das Ansehen einer Schlechtigkeit. Sie sind indeß noch jung, Sie sind ein Edelmann und gewiß noch nicht unempfänglich für Ehre. Erlauben Sie daher, daß ich Sie als Edelmann behandle. Ich beschwöre Sie, verlängern Sie diesen empörenden Auftritt nicht; Sie kennen mich nicht und ahnen daher auch nicht, wie weh Ihre letzten Worte einem ohnedies schon tief verwundeten Gemüthe gethan haben.«

      Aus den Worten der Marquise sprach ein so tiefes, Gefühl« daß Fontanieu sogleich seine Eroberungsgedanken aufgab und seine Keckheit zu bereuen begann.

      »Verzeihen Sie mir,« sagte er, »ich habe Sie schwer beleidigt; ich habe Sie verkannt und mich durch den Ruf, in welchem Sie stehen, verleiten lassen. Mein Unrecht ist um so größer, da ich Ihnen nur in meiner Verstimmung, in meinem Schmerze eine ungenügende Entschuldigung bieten kann.

      »Verstimmung? Schmerz?« erwiederte die Marquise mit Ironie.

      »Finden Sie das so erstaunlich?« fragte Louis von Fontanieu.

      »Ich wundere mich darüber, weil ich an einen Schmerz nicht glaube, der noch einer Hoffnung Raum gibt, und weil Sie mir noch viel zu jung scheinen, um nicht mehr hoffen zu können.«

      »Sie glauben also meinen Worten nicht?«

      »Was kann Ihnen daran liegen, ob ich Ihren Worten traue oder nicht? Ich habe Sie nur durch eine Unschicklichkeit kennen gelernt – Sie sehen, daß ich den allermildesten Ausdruck für Ihre Handlungsweise wähle. Was in Ihrem Innern vorgeht, kümmert mich nicht, ich verlange nur, daß Sie mir aus dem Wege gehen.«

      »Ich bitte Sie,« erwiederte Fontanieu, »gehen Sie so nicht von mir, es würde mir Unglück bringen; ich befinde mich in einer Lage, wo man der Verzeihung bedarf. Noch ein Wort, und vielleicht wird meine Offenheit für mich reden. Ich will Ihnen mit wenigen Worten Alles sagen, selbst auf die Gefahr hin, mich lächerlich zu machen. Ich will lieber lächerlich als gehässig erscheinen; Sie sehen also, daß mir vor Allem an meiner Entschuldigung liegt. Ich habe morgen ein Duell; vielleicht wissen Sie es schon, denn in dieser kleinen Stadt findet ja das unbedeutendste Ereigniß ein Echo.«

      »Ich habe es noch nicht gewußt,« antwortete dies Marquise mit einiger Ironie; »aber die peinliche Stimmung, von der Sie sprechen, ist doch wohl nicht durch dieses Duell hervorgerufen worden?«

      Louis von Fontanieu erröthete und biß sich in die Lippen.

      »Sie haben Recht, Madame,« sagte er, »ich fürchte keineswegs den Tod; aber Angesichts des Grabes, das für mich vielleicht schon gegraben ist, stehe ich allein, verlassen, mitten unter fremden Menschen, wie in einer Wüste, ohne ein befreundetes Herz, dem ich meine Gedanken mittheilen könnte, ohne ein zärtliches, trauliches Wort von süßlächelden Lippen zu hören. Das ist die Ursache meiner peinlichen, trostlosen Stimmung, die mich so eben zu der schlechten That trieb.«

      »Sie sollten

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