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brennend wie ein Feuer aus Blütenblättern. Rot, gelb, rosa, weiß, sogar blau. Schade, dass ich in schwarz und weiß lebte, in einer Welt, wo alles nur Schatten war. In einer Welt, wo Licht etwas Unerklärliches war, etwas Unbestimmtes, etwas Verbotenes. Ich konnte nicht einmal davon träumen, Farben zu unterscheiden, weil ich nicht wusste, was sie eigentlich waren. Und das von Geburt an.

      Ich tat einen unsicheren Schritt in Richtung Rosengarten, meine Wangen glühten. Ich musste eine Ausrede erfinden, um meine Rückkehr nach oben ohne Blumen zu rechtfertigen. Es war eine Sache zwischen zwei Schachteln auszuwählen, aber eine andere gleichfarbige Rose zu schneiden. Rot. Wie ist rot? Wie sollte man sich etwas vorstellen, das man noch nie, nicht einmal in einem Buch, gesehen hatte?

      Ich trat auf eine abgebrochene Rose. Ich beugte, um sie aufzuheben, sie war welk, schlaff in ihrem Pflanzentod, aber sie dufteten noch immer.

      „Was machst du hier?“

      Ich schob die Haare wirsch aus der Stirn, und bedauerte zutiefst, dass ich sie nicht in den üblichen Dutt gebunden hatte. Sie waren lange im Nacken und bereits schweißgetränkt.

      „Ich soll Rosen für Mr. Mc Laine pflücken“, antwortete ich lakonisch.

      Kyle lächelte mich mit dem gewohnt irritierenden süffisanten Lächeln an. „Brauchst du Hilfe?“

      Mit diesen einfach so dahingesagten leeren und scheinheiligen Worten tat sich für mich ein Fluchtweg auf, eine unerwartete Lösung des Problems, die es sogleich festzuhalten galt.

      „Eigentlich solltest du das tun, aber du warst ja nirgendwo zu finden. Wie üblich“, sagte ich bissig.

      Ein Schauer huschte über sein Gesicht. „Ich bin kein Gärtner. Ich arbeite eh schon zu viel.“

      Bei dieser Erklärung konnte ich ein Lachen nicht verhindern. Ich hielt eine Hand vor den Mund, so als ob ich die Heiterkeit abschwächen wollte.

      Er starrte mich wütend an. „Das ist die Wahrheit. Wer hilft ihm sich zu waschen, anzuziehen, zu bewegen?“

      Der Gedanke an einen nackten Sebastian Mc Laine rief fast einen Kurzschluss in mir hervor. Ihn waschen, anziehen ... das waren Aufgaben, die ich sehr gerne übernommen hätte. Der folgende Gedanke, dass dies nie meine Angelegenheit sein würde, ließ mich säuerlich antworten.

      „Aber für die meiste Zeit des Tages hast du frei. Natürlich, du stehst zur Verfügung, wirst aber selten gestört“, legte ich noch oben drauf. „Komm schon und hilf mir.“

      Er entschloss sich mir zu helfen, auch wenn er noch verärgert war. Ich drückte ihm die Schere in die Hand und sagte lächelnd. „Rote Rosen.“

      „Wie Sie wünschen“, grummelte er und machte sich an die Arbeit.

      Als endlich der Strauß fertig war, begleitete ich ihn in die Küche, wo wir die Vase holten. Es schien mir praktischer und einfacher zu sein, die Aufgabe unter uns aufzuteilen. Er würde den Keramiktopf tragen und ich die Blumen.

      Mc Laine schrieb noch mit ganzem Eifer. Er hielt erst inne, als er uns zusammen eintreten sah.

      „Jetzt verstehe ich, warum du so lange gebraucht hast“, zischte er mich an.

      Kyle verabschiedete sich schnell, nachdem er die Vase ungelenk auf dem Schreibtisch platziert hatte. Einen Moment lang befürchtete ich, dass sie umkippen würde. Er war schon weg, als ich mich daran machte die Rosen in der Vase anzuordnen.

      „War das eine so schwierige Aufgabe, dass du jemand um Hilfe bitten musstest?“ fragte er, und seine Augen funkelten vor unkontrollierter Wut.

      Ich schnappte nach Luft wie ein Fisch, der dummerweise den Köder angebissen hatte. „Die Vase war ziemlich schwer“, entschuldigte ich mich. „Das nächste Mal nehme ich sie nicht mit.“

      „Sehr weise.“ Seine sanfte Stimme war trügerisch. In Wahrheit glich er mit seinem Gesicht, das von einem Zweitagebart überschattet war, einem bösen Dämon, der aus der Unterwelt aufgestiegen war, um mich zu schikanieren.

      „Ich habe Mrs. Mc Millian nicht gefunden“, beharrte ich. Ein Fisch, der sich noch immer an den Köder klammerte und nicht verstanden hatte, dass er am Haken hing.

      „Ah, stimmt, es ist ihr freier Tag“, gab er zu. Aber dann kehrte seine vorübergehend abgeflachte Wut wieder zurück. „Ich dulde keine Liebesbeziehungen zwischen meinen Mitarbeitern.“

      „Das würde mir nie in den Sinn kommen!“, war meine impulsive Antwort, die ich mit einer solchen Aufrichtigkeit vorbrachte, dass ich mir ein zustimmendes Lächeln von seiner Seite verdiente.

      „Das freut mich.“ Seine Augen waren kalt trotz des Lächelns. „Das gilt natürlich nicht für mich. Ich habe überhaupt nichts dagegen eine Beziehung mit den Mitarbeitern zu haben, ich.“ Er betonte diese Worte um so die Verhöhnung auch noch zu verstärken.

      Zum ersten Mal hatte ich große Lust ihm einen Faustschlag zu verpassen und ich erkannte, dass es bestimmt nicht das letzte Mal sein würde. Da ich mich nicht an demjenigen abreagieren konnte, der es meiner Meinung nach verdient hätte, presste ich meine Hände um den Blumenstrauß, wobei ich nicht an die Dornen gedacht hatte. Der Schmerz ereilte mich plötzlich, so als ob ich gegen Dornen immun wäre, da ich damit beschäftigt war, anderen Stacheln entgegenzuwirken.

      „Autsch!“ Ich zog meine Hand schnell zurück.

      „Hast du dich gestochen?“

      Mein Blick sagte mehr als tausend Worte. Er streckte seine Hand aus, um die meine zu ergreifen.

      „Zeig‘ mir.“

      Ich streckte sie ihm wie ein Roboter entgegen. Der Tropfen Blut hob sich deutlich von der weißen Haut ab. Dunkel, schwarz für meine abnormalen Augen. Rotkarmin für seine normalen Augen.

      Ich versuchte meine Hand zurückzuziehen, aber sein Griff war zu kräftig. Ich beobachtete ihn verwirrt. Seine Augen ruhten fest auf meinem Finger, wie trunken oder hypnotisiert. Und dann war es, wie üblich, vorbei. Sein Gesichtsausdruck änderte sich so sehr, dass es mir nicht gelang, etwas von ihm abzulesen. Er schien plötzlich wie angewidert, und wandte sich in Eile ab. So befreite sich meine Hand und ich führte meinen Finger an den Mund, um das Blut zu saugen.

      Sein Kopf drehte sich erneut in meine Richtung, wie wenn er durch eine unaufhaltsame und unangenehme Kraft angetrieben würde. In seinem Gesicht spiegelten sich Entsetzen und Leid wieder. Nur für einen kurzen Augenblick jedoch. Überraschend und bar jeder Logik.

      „Das Buch geht gut voran. Ich habe meine Schreibblockade überwunden“, sagte er, als ob auf eine nie von mir gestellte Frage antworten würde. „Könntest du mir bitte eine Tasse Tee bringen?“

      Ich klammerte mich an seine Worte, wie ein Ertrinkender, dem die Rettungsleine zugeworfen wird. „Ja, ich kümmere mich sofort darum.“

      „Wirst du das dieses Mal alleine zustande bringen?“ Seine Ironie war nach dem erschreckenden Blick von zuvor fast angenehm.

      „Ich werde es versuchen“, antwortete ich, und beschloss das Spiel mitzuspielen.

      Diesmal traf ich Kyle nicht, und ich war erleichtert. In der Küche bewegte ich mit größerer Sicherheit als im Garten. Da ich jede Mahlzeit dort zusammen mit Mrs. Mc Millian einnahm, kannte ich alle ihre Verstecke. Ich fand problemlos den Teekessel im Schrank neben dem Kühlschrank, und die Teebeutel in einer Blechdose in einem anderen. Mit dem Tablett in den Händen ging ich wieder nach oben.

      Mc Laine sah nicht auf, als er mich eintreten sah. Offenbar hatten seine Ohren wie Radarantennen bereits registriert, dass ich allein war.

      „Ich habe sowohl Zucker als auch Honig mitgebracht, da ich nicht wusste, wie Sie Ihren Tee am liebsten trinken. Und auch Milch.“

      Er grinste, als er das Tablett sah. „War es dir nicht zu schwer?“

      „Ich bin schon irgendwie klar gekommen“, sagte ich würdevoll. Mich gegen seine verbalen Witze zu verteidigen, wurde langsam zu einer unverzichtbaren Gewohnheit, die ohne Frage dem tragischen Ausbruch

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