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an, wenn Sie mich erreichen möchten. Kendra ist wie eine Schwester für mich, bitte lassen Sie es mich wissen, wenn ich irgendwie helfen kann.“

      Keri sah sie lange an und überlegte, ob sie ansprechen sollte, was auf der Hand lag. Das ständige Schniefen und Husten, das weiße Puder, der zusammengerollte Schein – all das wies stark daraufhin, dass diese Frau ein Drogenproblem hatte.

      „Vielen Dank für Ihre Zeit“, sagte sie schließlich. Noch würde sie sie nicht darauf ansprechen.

      Vielleicht würde sich Beckys Problem noch als nützlich erweisen, daher wollte sie sie fürs Erste in Ruhe lassen.

      Keri verließ die Wohnung und ging trotz der Schmerzen in Schulter und Brust die Treppen hinunter zum Erdgeschoss.

      Es gefiel ihr eigentlich nicht, Beckys Drogensucht als potenzielles Ass gegen sie zu behalten, aber das schlechte Gewissen verflüchtigte sich schnell, als sie vor die Tür trat und tief Luft holte. Sie war eine Polizistin, keine Therapeutin. Alles, was helfen würde, einen Fall zu lösen, musste genutzt werden.

      Als sie losfuhr, rief sie über die Freisprechanlage auf dem Revier an. Sie brauchte möglichst viele Informationen über Kendras penetranten Exfreund, Coy Brenner.

      Sie beschloss, ihm einen kleinen Besuch abzustatten.

      KAPITEL SIEBEN

      Keri versuchte ruhig zu bleiben, während ihr Blutdruck langsam stieg. Sie fuhr Richtung Süden auf der auf 110 zum Hafen von Los Angeles in San Pedro. Der Feierabendverkehr wurde immer dichter. Es war nach vier Uhr und sie kam trotz der Sirene nur schleppend voran.

      Schließlich fuhr sie vom Highway ab und folgte dem gewundenen Straßenverlauf, bis sie bei einem Verwaltungsgebäude in der Palos Verdes Street ankam. Dort sollte sie ein paar Kollegen von der Hafenpolizei treffen, die mit ihr Brenner befragen sollten. Die Hafenpolizei musste konsultiert werden, da sie sich in ihrem Revier befand.

      Normalerweise scherte Keri sich nicht um solche bürokratischen Regelungen, aber heute hatte sie nichts gegen ein bisschen Unterstützung einzuwenden. Eigentlich war sie im Umgang mit möglichen Verdächtigen sehr selbstbewusst. Sie war in Krav Maga, einer besonderen Selbstverteidigungstechnik, ausgebildet und Ray hatte ihr sogar ein paar Boxstunden gegeben. Aber mit ihrer angeknacksten Schulter und den gebrochenen Rippen fühlte sie sich nicht so stark wie sonst und sie wusste nicht genau, was sie bei Brenner erwartete.

      Von Detective Manny Suarez hatte sie unterwegs per Telefon erfahren, dass Brenner scheinbar kein einfacher Mensch war. Er war in den vergangenen Jahren mehrfach verhaftet worden: Alkohol am Steuer, Diebstahl, tätlicher Übergriff mit Körperverletzung und sogar Betrug, weswegen er sechs Monate hinter Gitter verbracht hatte. Das war vor vier Jahren, und da er eigentlich fünf Jahre lang den Bundesstaat nicht verlassen durfte, hatte er technisch gesehen gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen.

      Jetzt arbeitete er hier im Hafen von San Pedro. Laut Becky Sampson hatte er behauptet, erst vor kurzem hierher gezogen zu sein, doch die Akten zeigten, dass er bereits seit über drei Monaten in einer Wohnung in Long Beach wohnte.

      Als Keri eintraf, wartete Sergeant Mike Covey von der Hafenpolizei bereits mit zwei weiteren Beamten auf sie. Covey war Mitte vierzig, groß, schlank und glatzköpfig. Er strahlte Autorität aus. Sie hatte ihm telefonisch über ihre Ermittlungen informiert und er hatte die Informationen scheinbar bereits an seine Männer weitergegeben.

      „Brenners Schicht endet um vier Uhr dreißig“, verkündete Covey, nachdem sie Hände geschüttelt hatten. „Da es bereits nach vier ist, habe ich den Pier-Manager gebeten, die Crew heute nicht früher gehen zu lassen.“

      „Sehr gut. Dann sollten wir uns am besten direkt auf den Weg machen. Ich möchte ihn kurz in seiner vertrauten Umgebung sehen, bevor ich mit der Befragung beginne.“

      „Einverstanden. Vielleicht sollten wir mit Ihrem Wagen fahren, um weniger Aufmerksamkeit zu erregen. Kuntsler und Rodriguez können im Dienstwagen nachkommen. Wir fahren in dieser Gegend regelmäßig Patrouille, der Wagen an sich wird nicht weiter auffallen. Es wäre etwas anderes, wenn sie eine fremde Person aus dem Wagen steigen sehen.“

      „Alles klar“, bestätigte Keri und war erleichtert, dass sie mit kompetenten Männern zusammenarbeiten durfte, die ebenfalls keine großen Wellen schlagen wollten. Ihr Chef hasste schlechte Publicity, je diskreter die Polizei arbeitete, desto besser.

      Keri folgte Sergeant Coveys Anweisungen gemäß über die Vincent Thomas Brücke zum Besucherparkplatz von Pier 400. Die Fahrt dauerte länger, als Keri angenommen hatte. Sie erreichten ihr Ziel erst um 4 Uhr 28.

      Covey informierte den Pier-Manager über Funk, dass er die Crew jetzt entlassen konnte.

      „Brenner müsste jeden Moment hier vorbei kommen“, sagte er zu Keri. Der Dienstwagen der Hafenpolizei fuhr an ihnen vorbei und drehte eine langsame, große Runde. Keiner beachtete sie.

      Keri beobachtete die Hafenarbeiter, die jetzt den Pier entlang kamen. Einer der Männer bemerkte, dass er noch immer seinen Helm trug, und trabte zurück in die Halle, um ihn abzugeben. Zwei Männer rannten um die Wette zu ihren Autos, der Rest ging gelassen in einer großen Gruppe.

      „Da ist er“, sagte Covey und wies mit dem Kinn auf einen Typen, der etwas abseits alleine ging. Coy Brenner hatte kaum Ähnlichkeit mit dem Mann in dreckigen Shorts, der vor vier Jahren in Arizona verhaftet wurde. Das Foto von damals zeigte einen durchtrieben und unruhig wirkenden Mann mit längeren braunen Haaren und grauen Bartstoppeln.

      Der Mann, der jetzt über den Parkplatz schlenderte, hatte bestimmt zwanzig Kilo mehr auf den Rippen. Seine Haare waren ordentlich kurz geschnitten und sein Bart war lang und dicht. Er trug Jeans und ein kariertes Baumwollhemd, sein Blick war auf den Boden gerichtet. Er sah ernst aus. Coy Brenner kam Keri auf den ersten Blick nicht unbedingt glücklich vor.

      „Könnten Sie mir ein paar Minuten geben, Sergeant? Ich würde gerne herausfinden, wie er reagiert, wenn er von einer Polizistin konfrontiert wird.“

      „Sicher. Ich werde eine kleine Runde drehen und meinen Männern Bescheid geben, sich fürs erste ebenfalls zurückzuhalten. Geben Sie mir ein Zeichen, wenn wir kommen sollen.“

      „Abgemacht.“

      Keri stieg aus dem Wagen und zog ihren Blazer über, um die Dienstwaffe zu verbergen. Dann ging sie mit ein wenig Abstand hinter Brenner her. Er schien in seinen eigenen Gedanken versunken und bemerkte sie nicht. Als er bei seinem alten Pickup Truck ankam, hatte sie ihn fast eingeholt. Gerade als sie ihn ansprechen wollte, vibrierte ihr Handy in der Hosentasche. Sie zuckte zusammen, doch er schien sie immer noch nicht zu bemerken.

      „Wie geht’s, Coy?“, fragte sie kokett.

      Er wirbelte überrascht herum. Keri nahm ihre Sonnenbrille ab, grinste ihn breit an und stemmte ihre Hand in die Hüfte.

      „Hi?“, antwortete er, doch es klang eher wie eine Frage.

      „Sag bloß, du erinnerst dich nicht an mich. Es ist vielleicht fünfzehn Jahre her. Du bist Coy Brenner aus Phoenix, richtig?“

      „Ja. Sind wir zusammen zur Schule gegangen?“

      „Das nicht gerade, aber wir haben eine Menge voneinander gelernt, wenn du das meinst. Du kannst mich doch nicht vergessen haben.“

      Ob ich zu dick auftrage? Vielleicht sollte ich einen Gang zurück schalten.

      Doch Coys Gesicht entspannte sich und sie wusste, dass er angebissen hatte.

      „Sorry. Ich hatte einen langen Tag und es ist ja wirklich schon lange her“, sagte er entschuldigend. „Warum hilfst du mir nicht auf die Sprünge? Verrate mir deinen Namen.“ Er schien wirklich überrascht zu sein.

      „Keri. Keri Locke.“

      „Es tut mir wirklich leid, Keri Locke, aber ich kann dich immer noch nicht einordnen. Dabei bist du definitiv der Typ Frau, an den man sich erinnern würde. Was treibt dich hierher?“

      „Ich hatte die Nase voll von der Hitze in Arizona. Jetzt arbeite ich für die Stadtverwaltung. Ich bearbeite Fälle – nichts Besonderes. Und du?“

      „Das siehst du

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