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Der Held unserer Zeit: Kaukasische Lebensbilder. Михаил Лермонтов
Читать онлайн.Название Der Held unserer Zeit: Kaukasische Lebensbilder
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Михаил Лермонтов
Жанр Русская классика
Издательство Public Domain
Und man konnte hören, wie er mit der Hand den glatten Hals seines Renners sanft klopfte, indem er ihm verschiedene zärtliche Benennungen gab.
– „Wenn ich eine Herde von tausend Stuten hätte,“ sagte Asamat, „ich würde sie Dir ganz für Deinen Karagös hingeben!“
„Jok, ich gäb’ ihn nicht dafür,“ antwortete Kásbitsch gleichgültig.
– „Höre, Kásbitsch,“ sagte schmeichelnd Asamat zu ihm, „Du bist ein guter Kerl, Du bist ein tapferer Dschigit; mein Vater aber fürchtet die Russen, und läßt mich nicht in die Berge; überlaß mir Dein Pferd, und ich will alles thun, was Du nur verlangst, ich stehle für Dich meinem Vater seinen besten Karabiner, seine beste Scháschka,16 was Du nur wünschest, – seine Scháschka ist eine ächte Gúrda: Du brauchst nur die Schneide an die Hand zu legen, so saugt sie sich von selbst in’s Fleisch; und sein Panzerhemd ist mindestens so gut wie Deines.“
– Kásbitsch schwieg.
– „Das erstemal, als ich Dein Pferd sah,“ fuhr Asamat fort, „als es unter Dir sich im Kreise drehte und mit aufgeblasenen Nüstern dahinsprang, und unter seinen Hufen hervor die Steine in Funken stoben, da ging in meiner Seele etwas Unbegreifliches vor, und von der Zeit wurde mir alles andere zuwider: auf die besten Renner meines Vaters sah ich mit Verachtung; ich schämte mich auf ihnen mich zu zeigen, und Traurigkeit übernahm mich ganz; und harmvoll versaß ich auf einem Felsen ganze Tage, und in jedem Augenblicke erschien mir in Gedanken Dein schwarzer Renner mit seinem edlen Gange und seinem glatten, pfeilgraden Rücken; er blickte mich mit seinen muntern Augen an, als ob er sprechen wollte. Ich werde sterben, Kásbitsch, wenn Du mir ihn nicht überlässest!“ sagte Asamat mit zitternder Stimme.
Ich glaubte zu hören, daß er zu weinen anfing: dabei muß ich Ihnen sagen, daß Asamat ein erztrotziger Bube war, dem man bisher mit nichts Thränen abzudringen vermocht hatte, sogar als er noch ganz jung war.
– Zur Antwort auf seine Thränen war nur eine Art Hohngelächter vernehmbar.
– „Höre!“ sagte Asamat mit fester Stimme, ich bin zu Allem entschlossen. Willst Du, daß ich für Dich meine Schwester stehle? Wie tanzt sie schön! und wie sie singt! auch nähet sie in Golde aus, wundervoll! Solch eine Genossin hat wohl der türkische Padischa kaum . . . Willst Du? Erwarte mich morgen in der Nacht dort, in der Schlucht, wo der Wildbach fließt: ich werde mit ihr zum benachbarten Aúle vorübergehen, – und sie ist Dein. Ist denn wohl Bela nicht Deinen Renner werth?
– Lange, lange schwieg Kásbitsch; endlich, anstatt der Antwort, stimmte er mit halber Stimme ein altes Liedchen an:
Schönheiten giebt’s hier im Aúle gar viel,
Sternen gleich funkelt des Augenpaars Spiel.
Süß, sie zu lieben – ein Loos zu beneiden;
Heit’rer noch, nie von der Freiheit zu scheiden.
Gold schafft der Frauen mir drei oder vier,
Doch solch ein Roß, sagt, wo schaff’ ich es mir?
Rasch durch die Stepp’, wie der Wind, eilt’s im Fluge,
Fern jedem Wechsel, fern jedem Truge.
Vergebens bat ihn Asamat wiederholentlich, einzuwilligen, und weinte und schmeichelte ihm und schwur; endlich unterbrach ihn Kásbitsch ungeduldig:
– „Geh fort, thörigter Junge! Wo willst Du wohl auf meinem Pferde reiten? Bei den ersten drei Schritten wirft es Dich ab, und Du zerschlägst Dir das Genick auf den Steinen.“
– „Ich!“ schrie Asamat in Wuth, und das Eisen des Knabendolches erklirrte auf dem Panzerhemde. Eine kräftige Hand warf ihn zurück und er schlug sich an den geflochtenen Zaun so heftig, daß dieser wankte. „Das gibt einen schönen Spaß,“ dachte ich, eilte zum Stalle, zäumte unsere Pferde auf, und führte sie nach dem hinteren Hofe. Binnen zwei Minuten schon war in der Hütte ein fürchterliches Getöse. Es hatte sich folgendes ereignet: Asamat war mit zerrissenem Beschmét dort hineingerannt, vorgebend, Kásbitsch wolle ihn ermorden. Alle sprangen herbei, griffen zu den Waffen, und der Spaß ging los. Geschrei, Lärm, Schüsse; doch Kásbitsch war schon zu Pferde und brach wie ein Teufel durch die Menge in die Straße, indem er die Scháschka vertheidigend schwang. „Ein schlimmer Handel in fremder Schmauserei die Nachwehen der Trunkenheit,“ sagte ich zu Grigórii Alexándrowitsch, indem ich ihn bei der Hand ergriff; „thäten wir nicht besser, uns eiligst davonzumachen?“
– „Aber warten Sie doch, wie es endigen wird.“
– Es wird wahrscheinlich schlecht endigen; bei diesen Asiaten ist es immer so: sie betrinken sich in Busa, und das Gemetzel geht los! Wir saßen auf und ritten spornstreichs nach Hause.
„Was wurde denn aus Kásbitsch?“ fragte ich den Stabskapitain mit Ungeduld.
– Was kann man wohl einem solchen Kerl anhaben! antwortete er, indem er sein Glas Thee bis auf die Neige austrank; er entschlüpfte!
„Und wurde nicht verwundet?“ fragte ich.
– Ja, das weiß Gott! Diese Spitzbuben haben ein zähes Leben! Ich hab sie wohl manchmal im Gefecht gesehen, sehen Sie, ganz zerhauen und von Bajonetten einem Siebe gleich durchlöchert, und doch wirthschaftet so ein Kerl noch immer mit der Scháschka herum. – Der Stabskapitain schwieg eine Weile, dann fuhr er, mit dem Fuß auf die Erde stampfend, fort:
– Eins werde ich mir nie verzeihen: daß mich der Böse zupfte, dem Grigórii Alexándrowitsch Alles wieder zu erzählen, als wir nach der Festung zurückritten, was ich hinter dem Zaune gehört hatte; er lächelte fein, der Schlaufuchs – und dachte sich sein eigenes Stückchen aus.
– „So? Was denn für eins? Bitte, erzählen Sie doch.“
– Ja freilich, jetzt ist nichts mehr zu machen! Habe ich einmal angefangen zu erzählen, so muß ich
16
Scháschka heißt der krumme Säbel der Tscherkessen und Kosaken.