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Der kleine Ritter. Генрик Сенкевич
Читать онлайн.Название Der kleine Ritter
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Генрик Сенкевич
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Wir bitten den Herrn, mit uns aufs Zimmer zu kommen und einen Imbiß zu nehmen.«
Herr Sagloba war kein Grobian und sagte nicht Nein, denn er wußte, daß die Bekanntschaft mit ihm jedem angenehm sein würde. Wenn also der Wirt, nachdem er ihn über die Schwelle geführt, sagte: »Wen habe ich die Ehre …« – so stemmte er die Hände in die Seiten und sagte, der Wirkung seiner Worte sicher, nur: »Sagloba sum. Ich bin Sagloba.«
Und es kam kaum vor, daß diesen Worten nicht eine große Freude folgte, ein Schwenken der Arme: Diesen Tag zähle ich zu den glücklichsten meines Lebens, und ein lautes Rufen der Genossen oder der Hofleute: »Schaut her, das ist die Zierde, gloria et decus der gesamten Ritterschaft der Republik«, und alles lief herbei, um Herrn Sagloba zu bewundern, und die Jüngeren kamen und küßten die Schöße seines Reisemantels. Und dann schleppte man von den Wagen die Tönnchen und die Anker herbei, und dann folgte ein Festgelage, das bisweilen tagelang dauerte.
Allenthalben glaubte man, er reise als Abgesandter zum Reichstag, und als er sagte, daß dies nicht der Fall sei, war das Erstaunen ein allgemeines. Aber er erklärte dann, er habe sein Mandat an Herrn Domaschewski abgetreten, damit auch die Jüngeren an den öffentlichen Angelegenheiten teilnähmen. Manchen sagte er auch die wahre Ursache seiner Reise, andere wiederum fertigte er, wenn sie ihn fragten, mit den Worten ab:
»Seht, von Kindheit auf bin ich den Krieg gewohnt, und so wollte ich auf meine alten Tage mit dem Doroschenko einen Gang machen.«
Nach solchen Worten bewunderte man ihn noch mehr. Er wurde auch für niemand minder teuer darum, weil er nicht als Abgesandter reiste, denn man wußte, daß unter den Neutralen sich Männer befanden, die mehr vermochten als die Landboten selber. Überdies gedachte jeder Senator, auch der hervorragendste, dessen, daß in wenigen Monaten die Wahl stattfinde, und daß dann jedes Wort eines Mannes, der einen solchen Ruf in der Ritterschaft habe, ein unschätzbares Gewicht haben würde.
Und man umarmte Herrn Sagloba und zog den Hut vor ihm, hoch und niedrig. Herr Podlaski bewirtete ihn drei Tage, die Herren Paz, die er in Kaluschin traf, trugen ihn auf den Händen.
Mancher ließ ihm auch im geheimen bedeutende Geschenke in seinen Korbwagen hineinlegen, Schnaps, Wein, ja auch kostbar beschlagene Kästchen, Säbel und Pistolen. Auch die Dienerschaft Saglobas hatte es dadurch gut, aber er selbst reiste gegen den eigenen Entschluß und gegen sein Versprechen so langsam, daß er erst in der dritten Woche in Minsk eintraf.
Dafür aber hielt er in Minsk nicht Rast. Als er auf den Markt kam, sah er ein so großes und schönes Schloß, wie er es nirgends unterwegs getroffen hatte. Die Hofleute in prächtigen Gewändern, ein halbes Regiment zwar nur zu Fuß, denn zum Wahlreichstag durfte man nicht bewaffnet kommen, aber so schmuck, daß auch der König von Schweden keine schmuckere Garde haben konnte. Eine Menge vergoldeter Wagen mit Matten und Decken, um die Gasthäuser unterwegs zu belegen, Wagen mit Speiseschränken und Mundvorräten, zudem eine fast ganz ausländische Dienerschaft, so daß kaum einer im ganzen Haufen eine verständliche Sprache sprach.
Endlich bemerkte Sagloba unter der Dienerschaft einen polnisch Gekleideten. Er ließ also Halt machen und steckte schon, einer guten Rast sicher, einen Fuß aus seinem Korbwagen und sagte:
»Wem gehört das schöne Herrenhaus, wie es auch der König nicht schöner haben kann?«
»Wem kann es gehören,« antwortete der Diener, »wenn nicht unserem Herrn, dem Fürst-Stallmeister von Litauen.«
»Wem?« wiederholte Sagloba.
»Seid Ihr taub? Dem Fürsten Boguslaw Radziwill, der zum Reichstag fährt und, so Gott will, nach der Wahl gewählt sein wird.«
Sagloba zog schnell den Fuß in den Wagen zurück.
»Weiter!« schrie er dem Kutscher zu, »hier haben wir nichts zu suchen.«
Und er reiste weiter, am ganzen Körper vor Entrüstung bebend.
»Großer Gott!« sprach er, »unerforschlich sind deine Wege, und wenn du diesem Verräter nicht mit einem Blick den Nacken spaltest, so hast du gewiß verborgene Absichten damit, die der Verstand nicht fassen kann, obgleich, die Dinge menschlich betrachtet, einem solchen aufgeblähten Fant eine gehörige Strafe ziemt. Aber es steht schlecht in dieser herrlichen Republik, wenn solche Schächer ohne Ehre und Gewissen nicht bloß ungestraft umherlaufen, sondern auch in Sicherheit und voller Macht umherreisen – bah, sogar hohe Ämter bekleiden. O gewiß, wir gehen zugrunde, denn in welchem Lande, in welchem anderen Staate könnten solche Dinge geschehen! Er war ein guter König, der Johann Kasimir, aber er verzieh zu viel und gewöhnte die Bösen daran, auf Straflosigkeit und Sicherheit zu pochen; aber es ist nicht allein seine Schuld; auch in der Nation ist das bürgerliche Gewissen und das Gefühl für Tugend ganz und gar verschwunden. Pfui, pfui! – er ein Reichsbote! In seine nichtswürdigen Hände legen die Bürger die Unversehrtheit und die Sicherheit des Vaterlandes, in dieselben Hände, mit welchen er es zerrissen und in schwedische Ketten geschmiedet hat! Wir gehen zugrunde, es kann nicht anders sein. Sie werden ihn gar noch zum König machen … nun ja, bei einem solchen Volke ist alles möglich. Er – Abgesandter! Bei Gott, sagt nicht das Gesetz ausdrücklich, daß derjenige nicht Reichsbote sein kann, der in einem fremden Lande ein Amt innehat, und er ist doch bei seinem Onkel, dem Kurfürsten von Preußen, Generalstatthalter! Aha, wartet nur – ich habe dich! Wozu sind die Wahlprüfungen da? Wenn ich nicht in den Saal hineintreten und nur als Zuhörer auf die Galerie darf, obgleich ich diesen Gegenstand nicht bespreche, so will ich mich gleich in einen Hammel verwandeln, und mein Kutscher soll der Schlächter sein! Es werden sich schon welche finden unter den Reichsboten, die mich unterstützen werden. Ich weiß nicht, Verräter, ob ich mit dir, dem Mächtigen, fertig werde, und ob ich dich aus dem Reichstag werde entfernen können; – aber daß dir das zur Wahl nicht nützlich sein wird, das ist gewiß, und Michael, der Arme, muß auf mich warten, denn das wird eine Tat zum Besten des öffentlichen Wohles sein.«
So überlegte Sagloba und gab sich das Versprechen, diese Wahlprüfung ernst in die Hand zu nehmen und unter den Boten im geheimen dafür zu werben. Aus diesem Grunde fuhr er schon eiliger von Minsk nach Warschau, da er fürchtete, zur Eröffnung des Wahltags zu spät zu kommen. Er kam aber noch ziemlich früh. Die Zahl der Reichsboten und der Fremden war so groß, daß man weder in Warschau, noch in der Vorstadt Praga, noch in der Nähe der Stadt ein Gasthaus finden konnte; man konnte sich auch schwer bei jemand unterbringen, denn fast alle Zimmer waren bereits besetzt. Die erste Nacht verbrachte Sagloba im Laden bei Fuker, und das ging noch ziemlich glatt ab; aber am anderen Morgen, nachdem er sich in seinem Korbwagen ganz ernüchtert hatte, wußte er selbst nicht, was er beginnen sollte.
»Gott, o Gott,« sagte er und verfiel in schlechte Laune, indem er sich in der Krakauer Vorstadt, durch die er gerade fuhr, umsah, »hier sind die Ruinen des Kasanowskischen Palastes. Undankbare Stadt, mit dem eigenen Blut und mit Mühsal mußte ich sie dem Feinde entreißen, und nun geizt sie mir ein Winkelchen für mein graues Haupt.«
Die Stadt aber geizte durchaus nicht um den Winkel für sein graues Haupt, sie besaß ihn einfach nicht. Indessen leuchtete Sagloba ein glücklicher Stern, denn kaum war er in die Nähe des Palastes der Koniezpolskis gekommen, als eine Stimme von seitwärts den Kutscher anrief: »Halt!«
Der Knecht hielt die Pferde an; da trat ein unbekannter Edelmann mit strahlendem Gesicht an den Wagen heran und rief:
»Herr Sagloba, erkennt Ihr mich nicht?«
Sagloba sah einen Mann von etwa dreißig Jahren vor sich, mit einer Husarenmütze aus Luchsfell, die mit Federn geschmückt war, ein unzweifelhaftes Abzeichen des Heeresdienstes, auf dem Kopfe, und in einen mohnfarbenen Überrock und ein dunkelrotes Wams mit goldenem Gürtel gekleidet. Das Gesicht des Unbekannten war von ungewöhnlicher Schönheit, seine Gesichtsfarbe blaß, hier und da vom Sturm gebräunt; er hatte blaue, schmachtende, nachdenkliche Augen und außerordentlich regelmäßige, für einen Mann fast zu schöne Gesichtszüge. Trotz der polnischen Kleidung trug er langes Haar und einen nach ausländischer Art gestutzten Bart. Er trat an den Wagen heran, öffnete weit die Arme, und obwohl Sagloba sich