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Tahiti: Roman aus der Südsee. Dritter Band.. Gerstäcker Friedrich
Читать онлайн.Название Tahiti: Roman aus der Südsee. Dritter Band.
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Книги о Путешествиях
Издательство Public Domain
»Dann hat Dir der »schwarze Mann« wieder das Herz schwer gemacht mit seinen Worten, die Einem wie Messer einschneiden in die Brust und nur immer brennen und schmerzen« sagte Bruder Ezra, und der scheue aber zürnende Blick den er aus dem Fenster die Straße entlang warf, verrieth nur zu deutlich wen er damit gemeint. »Wenn ich eine Zeitlang mit ihm zusammen bin, und ihn beten und predigen höre, dann komme ich mir immer vor wie der entsetzlichste furchtbarste Sünder, der noch ein besonderes Feuer in der Hölle haben müßte, seine Sünden vollständig abzubüßen – und wenn ich sonst mit Vater Osborne sprach, war mir's dagegen, als ob mir der eine Last von der Brust gewälzt und mir Balsam in die frischen Wunden gegossen hätte. Es ist doch eine ganz erschreckliche Geschichte, wenn man so gar nicht gewiß erfahren kann ob man ein nichtswürdiger Sünder oder ein guter Christ ist, und ich bin bei mir noch nicht im Stande gewesen dahinter zu kommen.«
»Aber wie siehst Du aus, Mitonare« – rief Sadie, indem sie lächelnd einen Schritt zurücktrat, seine Gestalt und Kleidung, die sich allerdings seit sie ihn nicht gesehen um ein Wesentliches verändert hatte, besser überschauen zu können – »segne mich, wie Du Dich gekleidet hast, und wie stattlich Du einher gehst jetzt, und wie ehrwürdig.«
Bruder Ezra schüttelte mit dem Kopf, und sich selber, mit einem keineswegs sehr selbstgefälligen Blick von oben bis unten betrachtend, sagte er leise und traurig:
»Es ist Nichts, Pudenia – gar Nichts; die Hosen machen einen Menschen höchstens unbequem aber noch nicht zum Christen, und die steifen Dinger hier unter den Ohren – der Weiße hatte gestern recht der mir sagte wenn ich mich einmal rasch und plötzlich bückte, schnitt ich mir die Ohren ab, wie mit dem Rasirmesser.«
»Die Kleider machen allerdings den Christen nicht, Mi-to-na-re« lächelte Sadie, »aber das treue Herz in der Brust hat Dich dem reinen schönen Glauben gewonnen und Dein Herz erfüllt mit Seinem Ehr und Preis.«
Der kleine Mitonare seufzte recht aus schwerem Herzen tief auf, und es war augenscheinlich daß ihn dort etwas drückte, mit dem er sich scheute an Tageslicht zu kommen. Sadie fühlte das mehr als sie es sah, denn des Mitonare veränderte Kleidung hatte ihre Aufmerksamkeit bis jetzt in der That zu sehr in Anspruch genommen. Erst jetzt bemerkte sie auch eigentlich, ihm voll in's Angesicht schauend, daß nicht Alles so mit dem kleinen, sonst so freundlichen Manne stehe als es wohl solle, und irgend etwas vorgefallen sein müsse, das ihn drücke und quäle, und nicht zu Ruhe kommen lasse. Mit seinen Schwächen und Eigenschaften aber auch wieder bekannt, lächelte sie, denn nicht unwahrscheinlich kam ihr der Gedanke, die neue außergewöhnliche und unbequeme Kleidung die ihm der Missionair jedenfalls wenn nicht aufgenöthigt doch angerathen (bei Mr. Rowe so gut wie ein Befehl) drücke ihn und nehme ihm das Freie, das Zutrauliche seiner Bewegungen.
Mi-to-na-re sah aber auch wirklich verzweifelt aus, denn nicht allein daß er die Weste fest und eng zugeknöpft trug über dem seit einiger Zeit wieder gediehenen Bauch, und die Knöpfe derselben in wirklich gefährlicher Spannung hielt, nicht allein daß ihm das weiße dicke Tuch dreimal in dichten Falten um den Hals lag und dem Kopf das Ansehen gab, als ob er mit dem steif und starr gestärkten Hemdkragen oben eben nur hinausgeschnürt sei; nicht allein daß seine Füße wie früher in den breiten unbequemen Schuhen standen, und er bei jedem Schritt auftrat, als ob er den Fuß irgendwo eingeklemmt hätte, und ihn wieder herauszuziehen wünsche, so war ihm auch jetzt das, sonst doch wenigstens bequeme und luftige Lendentuch genommen, und die kleinen dicken Beine staken in so engen, strammen Hosen, daß es ein Wunder schien wie er überhaupt hineingekommen und den kleinen schüchternen Mann veranlaßt hatte einen kurzen Pareu, trotz den Einreden des Geistlichen, noch über diesem neuen und jedenfalls unpassenden Kleidungsstück zu tragen, das nun einmal durchaus nöthig sein sollte auch den letzten heidnischen Anstrich von ihm zu entfernen. Und selbst das war nicht genug gewesen, denn sogar der hohe trostlose Europäische Hut durfte nicht fehlen ihn elend zu machen, und so oft war er schon damit in jedem Guiavenbusch, jeder Banane, in der Thür jeder Hütte, in den Zweigen jedes Baumes hängen geblieben, daß er jetzt unter keiner Palme mehr hinging ohne den schmalen Rand seines Peinigers zu fassen und sich zu bücken.
Solcher Art, und noch mit dem Zusatz eines dicken und schweren Gebetbuchs, das er in die linke und enge Fracktasche hineingezwängt trug, während es ihm in dem schmalen Zipfel fortwährend in die Kniekehlen schlug, war Mitonare aufgeputzt, und es läßt sich denken daß er sich, selbst unter den günstigsten Verhältnissen, an das freie Leben seiner Inseln gewöhnt, nicht hätte leicht und behaglich fühlen können. Aber dem armen kleinen Mann drückten auch noch andere Sorgen.
»Die schöne Zeit ist vorbei« sagte er traurig, »wo nur die Sterne die Augen Gottes waren, und ich hineinschauen konnte, durch die funkelnden Lichter bis tief in sein herrliches Reich. Mitonare ist unglücklich, sein Glaube ist wankend geworden, und nun hat er den Weg verloren und weiß nicht ob er gerade durch über die Berge und durch die Thäler weg steigen und klettern, oder ein Canoe nehmen, und im seichten Binnenwasser der Riffe langsam hinsteuern soll.«
»Armer Mitonare« lächelte Sadie, die noch immer nicht den ernsten Sinn seiner Worte begriff – »aber wer hat Dich nur so herausgeputzt in der fremden Tracht, die Dir nicht paßt und zusagt?«
»Wer?« murmelte Bruder Ezra finster vor sich hin – »wer? – er hat noch andere Sachen gethan. Wir sind arge Sünder und müssen jetzt entsetzlich viel beten und Bibelstellen auswendig lernen, oder wir gehen Alle rettungslos zu Grund – Mitonare kennt das halbe dicke Buch, und die andere Hälfte hat er auch gekannt aber wieder vergessen; nun muß er noch einmal von vorn anfangen und – und sein Vater und Großvater bleibt doch in der – da unten – tief da unten.«
Der kleine, sonst so freundliche Mann schüttelte finster mit dem Kopf und Sadie, seine Hand ergreifend sagte mit leiser unendlich rührender Stimme:
»Es wird schon noch Alles gut gehen, Mi-to-na-re – und Gott ist ja der Allerbarmer, ohne dessen Willen kein Sperling vom Dache, kein Haar von Deinem Haupte fällt – so erzähle mir von Atiu – von meinem Atiu – was sie dort treiben und thun und – ob sie meiner noch manchmal freundlich da gedenken. Ach kein Tag vergeht, wo ich die Wolken nicht neide die da hinüberziehn, und mit meinen Gedanken, meinen Wünschen ihnen doch noch so weit, so weit voraus bin.«
»Atiu« wiederholte der kleine Mann, langsam und freundlich mit dem Kopfe nickend – »mit dem stillen luftigen Haus und der kleinen lieben Kirche – wo die nahuitarava ia mere1 Abends gerad über unserem Dache stehn und ihr mildes Licht auf uns heruntergießen; wo – aber es ist auch manches anders geworden auf Atiu« setzte er sinnend, und fast wie mit sich selber redend, hinzu – »die Leute werden zu klug und zu reich, und dann ist's mit dem Frieden vorbei und dem Glück. – Wie schön war Atiu als es nur seine Palmen hatte und seine Pandangedeckten Hütten.
»Wie schön war Atiu« wiederholte seufzend die junge Frau.
»Und vielen Besuch haben wir drüben gehabt« setzte der kleine Mitonare mit noch fast ernsterer Stimme hinzu – »lauter Leute die es gut mit uns meinten, wie sie sagten, und die gekommen waren unsere Seelen zu retten, und die uns entsetzlich viel versprachen wenn wir nur gerade da hineinspringen wollten, wo die Anderen sagten daß es lichterloh mit Pech und Schwefel brenne.«
»Waren Missionaire von Frankreich auf Atiu?« frug Sadie rasch und fast erschreckt.
»Ich weiß nicht wo sie herkamen,« sagte der kleine Mann traurig, »aber Wi-Wis waren darunter und Andere auch – und – sie haben uns wenigstens das Herz schwer gemacht, mit ihren Versprechungen und drohenden Reden.«
»Und weiß Mr. Rowe daß die Fremden da gewesen?«
Mitonare lächelte fast wieder wie in alter Zeit und sagte schmunzelnd:
»Ob er es weiß; und Mord und Blut hat er vom Himmel heruntergebeten für die – die Götzendiener – und der Himmel blieb blau« setzte er unheimlich lachend hinzu – »und dann kamen die anderen Männer und sprachen vom lieben Gott, den sie ganz genau kennen wollten und der ihr bester Freund sein sollte, und riefen auch wieder einen Feuerregen von Pech und
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Nahuitarava ia mere, das Gestirn des Orion.