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Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer. Andree Richard
Читать онлайн.Название Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Andree Richard
Жанр Книги о Путешествиях
Издательство Public Domain
Der Atbara entspringt ganz nahe am Nordrande des Tanasees in Dembea und ist, obgleich in der Regenzeit ein so bedeutender Strom, doch mehrere Monate des Jahres hindurch vollkommen trocken oder auf wenige Pfützen beschränkt, in welche sich Krokodile, Fische, Schildkröten und Flußpferde zusammendrängen, bis sie der Beginn der Regenzeit wieder in Freiheit setzt, indem eine frische Wassermasse dem Flusse zuströmt. Die Regenzeit beginnt in Abessinien im Juni; von da an bis zur Mitte des September sind die Gewitter furchtbar; jede Schlucht wird ein tobender Gießbach; Bäume werden von den über ihre Ufer geschwollenen Bergströmen entwurzelt, der Atbara wird ein ungeheurer Fluß, der mit einer alles überwältigenden Strömung den ganzen Ablauf von fünf großen Flüssen (des Takazzié, Salam, Dinder und Angrab nebst seiner eigenen ursprünglichen Wassermasse) herabbringt. Seine Fluten sind getrübt vom Erdreich, das von den fruchtbarsten Ländereien weit von seinem Vereinigungspunkte mit dem Nil abgewaschen wurde. Massen von Treibholz nebst großen Bäumen und häufig die Leichen von Elephanten und Büffeln werden von seinen schlammigen Wassern in wilder Verwirrung fortgeschleudert und bringen den an seinen Ufern wohnenden Arabern eine reiche Ernte an Brenn- und Nutzholz.
Der Blaue Nil und der Atbara, die fast den ganzen Wasserabfluß Abessiniens aufnehmen, ergießen ihre Hochwasser in der Mitte des Juni gleichzeitig in den Hauptnil. In dieser Zeit hat auch der Weiße Nil einen beträchtlich hohen, obwol nicht seinen höchsten Stand, und der plötzliche Wassersturz, der von Abessinien in den Hauptkanal herabkommt, welcher schon durch den Weißen Nil auf einen bedeutenden Stand gebracht worden ist, verursacht die jährliche Ueberschwemmung in Unterägypten.
Als Haupt- und Charakterstrom Abessiniens kann der Takazzié gelten, wenngleich er nur ein Nebenfluß des Atbara ist. Er entspringt östlich vom Tanasee zwischen Begemeder und Lasta aus drei kleinen Quellen, die bei den Eingeborenen Aïn (das Auge des) Takazzié heißen. Diese ergießen sich in einen Behälter, aus welchem das Wasser zuerst in einem vereinigten Bache herausfließt. Der Strom, die große Scheide zwischen den Landen Amhara in seinem Westen und Tigrié in seinem Osten, geht erst in nördlicher Richtung weiter und rauscht dann in schäumenden Kaskaden an den Alpen Semién’s am Awirr hin, durch welche er sich sein mit steilen Wänden eingefaßtes Bett wühlt. Hier, in diesem tiefen, nur 3000 Fuß über dem Meere liegenden Thale, neben dem sich die Berge bis in die Eisregion erheben, herrscht eine heiße ungesunde Luft und wohnen wenig Menschen. Selbst die Thiere meiden diesen Aufenthalt, und nur die unförmigen Köpfe der Nilpferde erscheinen über dem Spiegel des in Stromschnellen über Kiesgrund dahinschießenden Flusses. Von Semién an nimmt der Takazzié eine westliche Richtung an und tritt durch das heiße Land Wolkait auf ägyptisches Gebiet über, wo er den Rojan auf- und den Namen Setit annimmt. Durch das Land der Homranaraber und eine überaus wildreiche Gegend, das Paradies der Jagdfreunde, wälzt er endlich seine Wasser, die nie ganz austrocknen, dem Atbara zu. Als ein weiterer Zufluß desselben kann der in Hamasién entspringende, die Provinz Serawié in einem Bogen umfließende Mareb betrachtet werden, welcher durch das Land der wilden Kunama zieht, in der ägyptischen Provinz Taka den Namen Chor el Gasch erhält und jenseit Kassala entweder versandet oder bei Hochwasser den Atbara erreicht.
Die Wasser der nördlichen Grenzländer Abessiniens endlich sammelt der Barka, die er bei Tokar südlich von Sauakin dem Rothen Meere zuführt. Aber alle diese Flüsse, so große Gaben sie sonst für das Land sind, verlieren dadurch bedeutend an Werth, daß sie nicht als Kommunikationsmittel dienen können. Es fehlen die Ströme, die sich schiffbar in das Rothe Meer ergießen; es fehlen auch, um diesen Mangel zu ersetzen, die allmälig nach Osten sinkenden Ebenen, die, gegen die Küste auslaufend, den Kameeltransport ermöglichen. Mehr noch als das: die Flüsse verhindern sogar in der Regenzeit allen Verkehr, denn Brücken baut der Abessinier nicht und die alten, von den Portugiesen hergestellten zerfallen.
Schoa schließlich, der südliche Theil Abessiniens, sendet seine nach Westen gehenden Ströme dem Abai zu, im Osten zieht sich dagegen der aus Guragué kommende Hawasch um das Land, allein er erreicht das Rothe Meer nicht und versandet in den Salzebenen und Lagunen der Danakilküste.
Klimatische Verhältnisse. Unter den Tropen gelegen, von der Meeresküste bis zu 15,000 Fuß Höhe an die Grenze der Eisregion hinaufragend, die südliche Hitze und nordische Kälte vereinigend, bietet Abessinien auf seinem verhältnißmäßig beschränkten Raume alle Erscheinungen der ostafrikanischen Pflanzenwelt von der Flora der Wüste bis zu jener der Hochlande in seltener Fülle und unendlichem Reichthum dar. Aus dieser so verschiedenen Höhenlage ergiebt sich auch ein bedeutender Wechsel des Klimas, und in der That kann man an einigen Orten binnen wenigen Stunden aus der Region der Palmen bis auf die eisigen Hochebenen gelangen, wo die Vegetation ein Ende nimmt. Schließt man die heißen Küstenstriche, die tiefgelegenen Niederungen und die nicht minder tief in das Land eingerissenen Thäler, wie jenes des Takazzié, aus, so kann das Hochland als ein klimatisch sehr begünstigtes bezeichnet werden. Nach Rüppell sind die täglichen Abwechselungen in der Lufttemperatur von wenig Belang; starke Stürme sind eine große Seltenheit; die Feuchtigkeit der Regenzeit hat gar keinen nachtheiligen Einfluß auf die Gesundheit, ja während dieser Zeit ist sogar am Vormittag fast stets