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Das Naturforscherschiff. Sophie Worishoffer
Читать онлайн.Название Das Naturforscherschiff
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Sophie Worishoffer
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Das geht so nicht länger!« flüsterte Holm. »Noch ein paar Schritte näher und die langen Spieße erreichen uns. Folge mir nach, Hans, zwischen diesen beiden Bäumen müssen wir durchschlüpfen – ich glaube, hinter denselben steht kein Schwarzer Wache.«
Das Gewehr im Anschlag glitten die beiden so geräuschlos als möglich über den dichtbewachsenen Boden dahin. Wirklich, kein Schwarzer war zu sehen, vielmehr schienen sich alle nur mit dem dornigen, wildverwachsenen Gebüsch jenseits der zusammenstehenden Baume zu beschäftigen, schienen den Ausgang nach dieser Seite hin vergessen zu haben. »Gerettet!« raunte Holm, »wir warten nun unter irgend einem Schutz, bis die Räuber weiter ziehen.«
Noch hatte er den Satz nicht vollendet, als ihn von hinten zwei Arme umschlangen und rückwärts zu Boden rissen. Sein Angreifer versuchte es, ihm das Gewehr aus der Hand zu winden. Ein schwarzes Gesicht beugte sich über das seine, funkelnde Augen blickten ihn an, und ehe er es hindern konnte, war ihm der Mund mit einem baumwollenen Tuche völlig gestopft. Das alles geschah zu schnell, um dem vorauseilenden Knaben bemerkbar zu werden, Hans verschwand unter den Stämmen, und Holm lag wehrlos am Boden.
»Ob das ein Beninkrieger ist?« flüsterte in der Nähe eine Stimme. »Gott stehe uns bei, wenn wieder ein Trupp dieser räuberischen Halunken um die Wege wäre! Man muß jedenfalls den Gefangenen hindern, seinen Freunden ein Zeichen zu geben.«
Holm bewegte sich mit allen Gliedern zugleich; errang heftig gegen die Eisenarme des Negers, ein dumpfes Stöhnen hob seine Brust. Da gelang es ihm, eine Hand freizumachen; er wollte das Tuch aus dem Mund reißen, wurde jedoch daran plötzlich durch den, der eben gesprochen hatte, verhindert. Jetzt zweien Gegnern preisgegeben, blieb ihm nur übrig, dieselben so viel als möglich zu beschäftigen; vielleicht kam ja Hans, wenn er ihn vermißte, hierher zurückgesprungen und konnte ihm beistehen. Hätte er nur zu rufen vermocht, nur irgend einen Laut von sich geben oder die Hände gebrauchen können! Aber alles das war unausführbar, bis nach einigen Augenblicken der Schwarze von ihm abließ und horchend aufsprang. In der Nähe hatten die Büsche gerauscht, dann folgte ein Blitz und eine Büchsenkugel flog haarscharf über die Köpfe der Ringenden hin. Sämtliche Anwesenden standen starr vor Schreck.
Diesen Moment benutzte Holm, um mittels einer schnellen, unerwarteten Bewegung seines ganzen Körpers den Mann, welcher ihn, gebunden wie er war, am Boden festhielt, in gewaltsamer Weise mit sich hinaus zu schleudern auf den hellbeschienenen Grasstreifen, der wie ein schmales Silberband zwischen den Bäumen dahinlief. Dann lag er mäuschenstill und sah nur gespannt und erwartungsvoll empor in das Gesicht des anderen.
Dieser selbe Mann stützte beide Hände auf den Boden und schien nicht mit Sicherheit zu wissen, ob er wache oder träume. Immer noch kniete er über der hingestreckten Person seines Gefangenen, aber ohne doch gegen die Freiheit desselben irgend etwas zu unternehmen. Holm brachte die gefesselten Hände an den Mund, das Tuch wurde bei Seite geschleudert, und nun erst kam wieder Bewegung in diese stille Gruppe. »Ich grüße Sie, Doktor!« sagte trocken der junge Mann.
Ein lautes, fröhliches Lachen, in das der andere sofort einstimmte, beantwortete diesen Satz. Es schien nicht enden zu wollen, es erstreckte sich mit auf die beiden Knaben, welche dort einander umarmten, vor Freude sprangen und jubelten, aber trotzdem immer wieder lachen mußten, lachen, bis ihnen die hellen Tränen über das Gesicht herabrollten.
»Wie kommt ihr hierher, ihr unklugen Deserteure, weshalb habt ihr uns überhaupt verlassen? Und wofür hieltet ihr uns jetzt?«
»Für das, was ihr seid, Bonnys und Wegelagerer!« klang es zurück. »Wie könnt ihr euch gestatten, friedliche Reisende für Raubtiere zu halten und sie mit langen Spießen zu bedrohen?«
»Wer kraucht denn in dem Busch herum, anstatt wie ein rechtschaffenes Menschenkind Rede und Antwort zu geben?«
»Wer stellt ein schwarzes Gesicht an die Spitze des Zuges und verdächtigt dadurch die ganze Reisegesellschaft?«
»Nun, Gott im Himmel sei Dank, wir haben uns wiedergefunden!«
»Meiner Sternkunde sei Dank, wollten Sie doch sagen, Doktor?«
»Und wer hat die Sterne als Wegweiser an den Himmel gestellt, Freundchen?«
»Amen. Sie sollen den Sieg behalten, Doktor. Jetzt komm einmal her, Hans, beinahe hättest du uns beide zugleich erschossen.«
»Ich hab‘s getan!« rief Franz. »Glorreich vorbei, Gottlob. Wie konnte ich auch ahnen, daß du es warst, den unser würdiger Doktor aus Leibeskräften bändigte, in der besten Meinung, einen Beninkrieger unter seiner Faust zu haben.«
»Ja, ja, meine Brille!« seufzte der alte Theologe, »das ist nun die zweite von sechs, welche ich zur Vorsicht mitnahm. Die unsinnige Rauferei hat mich die zweite Brille gekostet!«
Jetzt ging nun das Fragen und Verständigen an. Der Stamm der Reisegesellschaft mit den Führern und Bonnyträgern hatte durch Vermittlung der letzteren leicht einen Vertrag mit dem Häuptling des heimziehenden Haufens der siegreichen Bonnyleute geschlossen, wonach sie gegen entsprechende Geschenke und unter nachdrücklichem Hinweis auf die drohend nahe ihren Heimatdörfern vor Anker liegende »Hammonia« freien Hin- und Rückweg haben sollten.
Nach einem gemeinsamen Friedensmahle und einer unbehelligt verbrachten Nacht war die ganze Schar vor Tagesanbruch auf und davon, ohne durch irgend ein Zeichen verraten zu haben, wohin. »Einer der weißen Führer ist im Gefecht umgekommen, drei andere sowie die Schwarzen sind mit uns gegangen, so daß die ursprüngliche Reisegesellschaft wieder beisammen ist. Wollen wir nach dem Erlebten noch weiter in die Urwälder vordringen?« schloß Franz die Erzählung. »So ohne Brille?« seufzte der Doktor. »Ich finde es wahrhaftig nicht ratsam, allen diesen streifenden Bonnys und Benin gegenüber, namentlich da wir durch die unvermutete Trennung so viele Gewehre und alle Lebensmittel verloren haben.«
»Auf denn!« entschied Holm. »Zunächst zurück zum Dorf der Bonny und dann wieder auf unser Schiff. Die afrikanischen Urwälder mit ihren menschlichen und tierischen Bewohnern sind wahrhaftig aus der Entfernung gesehen interessanter und lockender als in unmittelbarer Nähe.«
Franz errötete, als enthalte dieser Satz für ihn eine Rüge. »Ich habe mir auch das Leben in der Wildnis anders gedacht wie es ist,« bekannte er. »Mir schien immer, daß es langweilig sein müsse, so als Kaufmann jahraus jahrein am Pult zu sitzen, und daß sich nur der Naturforscher frei und glücklich fühlen könne, aber —«
Er schüttelte, ohne den Schluß der Rede beizufügen, den Kopf. Holm und der Doktor sahen einander lächelnd an, aber keiner von beiden sprach, sondern alle brachen auf, um so bald als möglich das Dorf und damit die zurückgelassenen Vorräte zu erreichen. Jetzt, mit einer stattlichen Anzahl von Führern versehen, ging die Reise schneller und sicherer vorwärts, kamen, nun die beiderseits Verlorenen sich wiedergefunden, erst alle Genüsse der Wanderung recht zum Bewußtsein. Eine Abteilung der Schwarzen voran, dann die vier Weißen und zum Beschluß der Rest der gemieteten Begleiter, so ging es vorwärts in die köstliche Mondnacht hinein. Nach zweitägigem Marsche war das Dorf des Bonnystammes erreicht, Weiße und Schwarze befanden sich im besten Wohlsein, Lebensmittel wurden gegen die üblichen Tauschwaren in Hülle und Fülle gespendet. Ebenso boten die wenigen anwesenden Greise (denn die kampffähigen Männer hatten ihren Streifzug weiter fortgesetzt und waren noch nicht heimgekehrt) bereitwillig den Gästen eine Hütte, wo sie auf weichen Matten von den Anstrengungen der letzten Tage ausruhen konnten.
Viertes Kapitel
Nach Fernando Po. Die Quelle. Im Zyklon. Der Hai. Nach der Kapstadt. Mazembas Kraal. Nach dem Kaffernlande. Die Zwergmakis. Die Buschmänner. Überfall der Kaffern. Die Belagerung. Der Tod des Retters. Zur Kapstadt zurück.
Beladen mit Schätzen an Blumen und Pflanzen, an Insekten aller Art, die Botanisierkapseln