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Das Naturforscherschiff. Sophie Worishoffer
Читать онлайн.Название Das Naturforscherschiff
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Sophie Worishoffer
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Er ging zu einem Stamm, von dessen Zweigen unzählige grüne, langgestreckte Früchte oder Auswüchse herabhingen. Mit der Hand ließen sich dieselben nicht erreichen, Hans schüttelte daher den untersten Ast, und nun fielen allerdings die unbekannten Dinger haufenweise herab, aber – welchen Inhalt ausschüttend!
»Um des Himmels willen!« rief Holm, »das find die Nester der Eloway-Moskitos! Wie konnte ich mich denn auch darüber täuschen! Schnell, Hans, schnell, nimm einen dichten Busch und schlage damit in den Schwärm hinein. Wir müssen flüchten, – so rasch als möglich.«
Während dieses schreckensvollen Rates hatte er bereits ein paar blattreiche Zweige abgebrochen und einen davon seinem jungen Genossen zugeworfen. Die Moskitos, Tausende an der Zahl, umschwärmten ihre vermeintlichen Angreifer und begannen laut summend zu stechen, wohin sie sich setzten. Jeder Schlag tötete eine bedeutende Anzahl, aber wo eine gefallen war, da erschienen hundert andere an ihrer Stelle; Holm und der Knabe befanden sich inmitten einer schwarzen Wolke dieser Blutsauger, die vereint in der Weise beleidigter Bienen ihren Angriff vollführten. Es war unmöglich, sich der kleinen Gegner zu erwehren; aus allen Nestern krochen sie hervor, fanden den Weg unter die Kleider der beiden jungen Leute und verursachten ihnen so heftige Schmerzen, daß die Jagdlust davor weichen mußte. »Ins Wasser,« rief Holm, »ins Wasser oder wir sind verloren!«
Die Gewehre lagen schon längst im Grase, die Strohhüte auch, und so sprangen denn Lehrer und Schüler, sich notfalls auf ihre Schwimmkunst verlassend, Hals über Kopf in die blaue Flut hinein. Bis an den Mund unter Wasser, war es ihnen nunmehr ein leichtes, den etwa nachfliegenden Verfolgern durch schnelles Tauchen zu entgehen. Triefend, mit zerstochenen, geröteten Gesichtern, die Augen voll Wasser, so sahen sie sich an und brachen zugleich in ein herzliches Lachen aus. »Von einem Mückenschwarm besiegt!« rief Hans.
Karl hob aus der schützenden Flut unvorsichtig den rechten Arm, um auf das Ufer zu deuten, zog ihn aber sogleich wieder zurück, als ein Dutzend Moskitos über seine Hand herfielen, der Kopf folgte nach, und so förderte er in Absätzen, prustend, sich schüttelnd und verschluckend, die beabsichtigte Rede zu tage, nur je zuweilen inne haltend, wenn er sah, daß Hans wie eine flinke Ente tauchte, und daß er also in diesem Augenblick keinen Zuhörer hatte. »Du sagst Mückenschwarm, mein Junge? Die Art sticht durch – warte Bestie! – prr, ich meine, sie bohren sich durch das Leder bis in die Haut. – Junge, wo bist du? – aha, ich sehe dich bereits. Hier haben wir auch die Iboko-Hornisse, die größte von allen! Bitte, ich verzichte auf nähere Bekanntschaft.«
Er entfernte sich während dieser Rede mit seinem Begleiter von der gefährdeten Stelle und machte es möglich, unter dem Schutz eines dichten Gebüsches das Ufer wieder zu erklettern. Die ertrunkenen oder zerquetschten Mücken wurden aus den Kleidern geschüttelt, das Wasser so gut als tunlich entfernt und Schilf und Halme abgelesen. »Jetzt warten wir noch ein Viertelstündchen, bis sich die Wut der Tiere gelegt hat,« meinte Holm, »dann holen wir die Gewehre und schießen Büffel.«
»Überfallen denn die Moskitos nur ihre Angreifer, Karl? Nicht vielmehr alle Geschöpfe, die des Weges kommen?«
»O bewahre, sie sitzen ruhig in ihren Nestern, bis man dieselben bedroht, dann aber kennt auch, wie wir soeben sahen, ihr Zorn keine Grenzen. Laß uns nur warten, der Schwarm wird schon durchsichtig, die meisten sind davongeflogen.« Nach kaum zehn Minuten war es den beiden Freunden möglich, ihre Hüte und Gewehre ohne weitere Gefahr wieder an sich zu nehmen, und nun begann die Büffeljagd. Schon bei dem ersten Herannahen ihrer Verfolger ergriffen sämtliche Tiere die Flucht, alle einer bestimmten Richtung folgend, und wie es schien, unter der Leitung eines besonders großen, alten Stieres; sie donnerten über den Boden dahin, daß er dröhnte, und schon glaubten die Jäger, daß ihnen kein Stück zu Schuß kommen würde, als plötzlich hart vor ihrem Wege aus dem feuchten Grunde ein Büffel aufsprang und mit gesenktem Kopfe auf sie zustürzte. Nach rechts und links ausweichend, ließen ihn die jungen Leute im heftigsten Anprall gegen einen alten Tamarindenbaum rennen, die Hörner drangen tief in das Holz desselben, dichte Ranken taten das Ihrige, um ein Loskommen im Augenblick zu verhindern, und so hatte sich der Büffel in eigener Falle gefangen. Von zwei Kugeln getroffen, stürzte er verendend am Fuße des Baumes zu Boden. Ganz schwarz behaart und mit dicht stehenden, mächtigen Hörnern war er ein Gegner, dessen Gefährlichkeit erst jetzt, nachdem man ihn in der Nähe besehen, so recht erkennbar wurde. Gegen zwei Meter hoch und dem entsprechend lang ließ sich das Tier nicht von der Stelle bringen, die glücklichen Schützen mußten also aus dem Rücken ein tüchtiges Stück herausschneiden und das übrige den wilden Räubern preisgeben. »Schade um die Zunge,« sagte Holm, »sie ist das Feinste von allem, aber wir haben für keine Zubereitungsart die nötigen Geschirre; das Fleisch muß roh mit Salz und Pfeffer verzehrt werden.« – So zogen sie heimwärts und pflückten unterwegs noch einige Ananas, die als Nachtisch dienen sollten. Glücklicherweise hatte sich für die Höhle noch kein vierfüßiger Bewohner eingefunden, die zurückgelassenen Decken und Vorräte lagen unversehrt an der früheren Stelle, und nachdem daher das Fleisch auf einem flachen Stein geschabt worden, begann das durch den besten Appetit gewürzte Mahl, bei dem nun freilich die letzten Zwiebäcke und der letzte Wein verzehrt wurden. Aber das machte keine Sorge, es gab hier herum Lebensmittel die Hülle und Fülle, man brauchte nur zu pflücken oder einen Schuß Pulver dran zu wenden.
»Gottlob,« sagte Holm, nachdem er den Vorrat in der Jagdtasche untersucht, »Munition ist reichlich vorhanden. Wir können in dieser Beziehung ruhig sein.«
Gegen Mittag fiel ein heftiger, andauernder Regen, der unsere Freunde zwang, unter Dach und Fach zu bleiben; sie mußten auch einigen größeren Affen, welche den Baum erobern wollten, den Zugang wehren, und da späterhin für einen Ausflug die Zeit zu weit vorgerückt war, so verbrachten beide plaudernd und ruhend die Stunden, bis auf den Tag wieder die Nacht folgte und nun der gefahrdrohende, überaus schwierige Weg durch den Urwald angetreten werden sollte. Gerade um diese Zeit brachen auch alle wilden Tiere, auf Raub ausgehend, aus ihren Schlupfwinkeln hervor; gerade jetzt war die Gefahr am größten, lauerte hinter jedem Baum und sprach aus jedem Laut der Wildnis, aber es gab kein Bedenken, ein Zögern inmitten dieser Verhältnisse, ohne Nahrung außer Früchten und rohem Fleisch, ohne menschliche Nähe oder einen gesicherten Schlafplatz wäre ja unfehlbarer Untergang gewesen. Da also der Führer fehlte, so mußte man, um nicht durch völlige Unkenntnis des Weges möglicherweise noch tiefer in die Wildnis hineinzugeraten, während der Nachtstunden reisen, – gelang das, so war die Küste bald erreicht.
Von dem allen plauderten die beiden, von der Heimat und tausend anderen Dingen, die ihnen am Herzen lagen, nur nicht von den Verschollenen; es war als könne sich keiner entschließen, zuerst ihre Namen auszusprechen. Die Gewehre wurden geladen, von den Früchten auch soviel als sich verpacken ließ, mitgenommen, die leeren Flaschen am Ufer gefüllt, und fort ging es in die Wildnis hinein.
Wo der Weg über eine baumlose Strecke führte, da beleuchtete heller Mondschein die Umgebung, wo aber wieder so ein Stück Hochwald begann, da herrschte fast völlige Dunkelheit, an welche sich jedoch das Auge bald derartig gewöhnte, daß es wenigstens leicht wurde, größere Gegenstände zu erkennen und zu unterscheiden. Links von den Wandernden rauschte der Fluß, in einiger Entfernung zeigten sich die dunklen Umrisse des Affenberges, Holm hatte also den Rückweg richtig aus den Sternen herausgelesen, und dadurch wuchs natürlich auch in beider Herzen die Hoffnung, das Dorf der Bonnys wieder zu erreichen. Dort gab es nicht allein Führer, sondern es befanden sich unter der Obhut der Eingebornen alle zurückgelassenen Vorräte, man durfte mithin auf eine bessere und leichtere Reise zählen.
Holm sah, so gut es anging, in das Auge des Knaben. »Getrost, Hänschen, es ist mir immer, als müsse sich heute noch etwas Angenehmes zutragen. Ich« – »Pst! – dort unter den Büschen bewegt es sich!«
Beide horchten. Alles ringsumher war still, aber an der bezeichneten Stelle schaukelten die Farne, als sei ein größerer Körper hastig hindurchgekrochen, ja sogar weiterhin bewegte sich das Unterholz, und endlich klang es wie das Knacken von Gewehrhähnen. Eine menschliche Gestalt glitt blitzschnell aus den Büschen hervor hinter den nächsten Stamm.
Holm ergriff den Arm des Knaben. »Ein Schwarzer,« raunte er, »ein Bonny! Um des Himmels willen still