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Das Naturforscherschiff. Sophie Worishoffer
Читать онлайн.Название Das Naturforscherschiff
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Sophie Worishoffer
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Das war ein reicher Fang!« rief Holm. »Besonders die Rochen sind ihres Fleisches wegen viel wert, ebenso die meisten kleineren Fische um ihrer Seltenheit willen. Wenn wir sie aus der Nähe besehen haben, mögen sie weiterschwimmen.«
Und so geschah es. Verschiedene gewöhnliche Arten wanderten in die Schiffsküche, während man jene ungenießbaren Fremdlinge der Tiefe barmherzig verschonte und nur einige besonders wertvolle Exemplare zum Ausstopfen vorbereitete.
Der Zitterrochen wurde geschlachtet, um morgen den Mittagstisch in der Kajütte auszustatten. Den gänzlich betäubten Hairochen legte man in die große Deckwaschbalje, um zu beobachten, wann das Leben zurückkehren werde, und nachdem nun in dieser Weise der Fang besorgt war, sprach Holm noch über das Fischgeschlecht im allgemeinen einige belehrende Worte, daß es nämlich nicht weniger als achttausend lebende Arten gibt, daß die meisten davon eßbar sind, und daß nur wenige giftige Gattungen bekannt sind. »Wir werden Schleppnetz und Lampe im großen Ozean erst eigentlich zur Verwendung bringen,« schloß er, »und dort jene interessanten Geschöpfe kennen lernen, die zwischen dem Pflanzen- und Tierreich gleichsam einen Übergang bilden, die Quallen in unzähligen Formen die Korallen und Schwämme, – das alles hat da seine wahre Heimat. Ebenso habe ich für seichte und vor den Haien geschützte Buchten auch einen Taucherapparat mitgenommen. Gewiß sind mehrere unter Ihnen, die sich auf die Anwendung desselben verstehen?« fragte er die Matrosen.
Ein mehrstimmiges »Ich, Herr!« beantwortete diesen Satz, und der alte Steuermann fügte sogar bei, daß auf den Inseln des Stillen Ozeans jeder Mann ein geborner Taucher sei. »Ich habe oft gesehen, wie sie sich dem auf dem Grunde der Bucht behaglich liegenden Hai im Fluge nähern und ihn mit einem Stock oder wohl gar mit der ausgestreckten Hand zum Zorn reizen, damit er an die Oberfläche kommen und sich harpunieren lassen möge,« sagte er.
»Essen denn diese Menschen das Raubtier?« fragten erstaunt die Knaben.
»O, das essen auch wohl noch andere,« meinte der Alte. »Ich habe manchen Hai mit eingefangen und verzehrt, namentlich bei langen Reisen, wo das Trinkwasser faul und das Fleisch knapp wurde. Da nimmt es der hungrige Magen nicht so genau.«
»Aber wenn nun der Hai vielleicht am Tage zuvor einen Menschen gefressen hatte,« rief voll Entsetzen Franz.
»Das mag häufig genug vorgekommen sein, mein Junge. Früher gab es aber auf Schiffen kein Fleisch in luftdichten Blechdosen, wie jetzt, kein eingemachtes Gemüse und keinen Apparat, um das Salzwasser genießbar zu machen, – die Naturwissenschaften haben in den letzten fünfzehn Jahren das Los der Seeleute zu einem vollständig anderen, besseren umgeschaffen.«
»Und wir sind Naturforscher!« rief Hans.
Alles lachte. Der Abend war so schön und die Gemüter so angeregt, daß man an diesem Tage später als sonst die enge, heiße Koje aufsuchte. Früh morgens brachte ein Boot die beiden Knaben mit Holm und ihrem Erzieher sowie einer Anzahl Matrosen von der »Hammonia« an Bord des kleinen Bugsierdampfers »Hansa«, der vor Lagos liegt und die größeren Schiffe über die den Eingang sperrende Barre hinüberschleppt. Des Sonntags wegen war er von den hamburgischen Reedern, denen er gehörte, den jungen Söhnen ihrer Vaterstadt gern zur Verfügung gestellt worden, und so dampfte man denn nach kurzer Küstenfahrt lustig in den stark bewegten Strom hinein. Wahre Riesenstämme erhoben sich zur Rechten und Linken. Mangrovengebüsche drängten sich zuweilen bis weit in das Fahrwasser vor und ein vielgestaltiges Tierleben begann die Ufer zu schmücken.
»Zuerst beseht euch die Mangroven,« ermahnte Holm. »Sie werden nur in den Tropen getroffen und sind immer grün; gerade diese Baumgattung ist es, die an der afrikanischen Küste das Landen so sehr erschwert. Jeder Busch bildet für sich ein kleines Wäldchen.«
»Wie langes Haar hängt es von den Zweigen herab!« rief Franz.
»Das sind die Wurzelfasern. Jede einzelne treibt, sobald sie den Schlamm berührt, neue Schößlinge und wächst, selbst noch zum Mutterstamme gehörig, wieder als faserbildender Busch empor, Dadurch entstehen die gefährlichen tropischen Sümpfe, welche, weder Land noch Wasser, pestartige Dünste aushauchen und den wilden Tieren als Aufenthalt dienen. Unter und zwischen den engverbundenen Stämmen bilden sich ganze Moräste sowohl als auch Grasflächen.«
Immer dichter und üppiger wurde das Gewirre. Schlanke Stechpalmen ragten daraus hervor, himmelhohe Farne wiegten sich im Wind, und ungezählte Blumen durchflochten das Ganze. Auf den Wipfeln der Bäume nisteten zu ganzen Scharen Fischaare und Eisvögel, im Gras unter denselben lagen Wasserböcke, Rohrböcke und Buschböcke. Andere wilde Tiere zeigten sich nicht, nur einmal ein Leopard, der aber schleunigst das Weite suchte. Der Strom wurde zuletzt immer schmäler und mündete in einen See, von welchem mehrere Arme in verschiedene Richtungen ausliefen. Einen davon bezeichnete der Kapitän des Dampfers als den Hauptaufenthalt der vielen in dieser Gegend lebenden Flußpferde. »Sie stecken im Schilf,« sagte er, »und betreten am Tage nur selten das Ufer. Man hört sie wie Ochsen brüllen und sieht sie das Wasser aufblasen, aber ganz nahe kommt man ihnen fast nie.«
Das größte Boot wurde nun ausgesetzt und bemannt, unsere Jäger nahmen Platz und fort ging es in den schmalen Flußarm, mitten in das Herz der grünen Wildnis hinein. Die Ruderer mußten natürlich oft mit den Rudern gegen das Schilf stoßen, mußten die Mangrovenfasern zurückschlagen oder durch natürliche Laubgänge fahren, sie hielten zuweilen auf Holms Bitte gänzlich an und entdeckten auch selbst an manchen Stellen Neues und Schönes, das erst besehen wurde. Hier ein Dorf oder eine Kolonie der kleinen fleißigen Webervögel, die ihre Nester aus Halmen glockenförmig und enggedrängt neben einander unter die Baumzweige hängen, dort Nashornvögel in der ganzen Pracht ihrer Farben und etwas weiter hin Herden gefleckter scheuer Antilopen. Wohin das Auge traf, begegnete ihm Schönheit, lockte der Zauber des Waldes zum Ausruhen, zum Genießen, – nur die gewünschten Flußpferde zeigten sich nicht.
Plötzlich – horch! unter den Mangroven zur Linken regte sich‘s. Das Wasser kräuselte, die Zweige rauschten, und einige kleine Vögel flogen erschreckt davon, dann wurde wieder alles still. Die Reisenden sahen einander an. »Was war das?«
»Vorsichtig!« ermahnte Doktor Bolten. »Jede Art gefährlicher Raubtiere lebt hier herum«
»Aber in das Boot hinein kann keines kommen. Ich will einmal nachsehen, was sich da bewegte!«
Und Franz fuhr mit dem Ruder in die Gebüsche hinein. Ein Pistolenschuß, den Holm abfeuerte, begleitete diese energische Nachforschung, aber der Erfolg war anders, als man es erwartete. Ein Schrei aus Menschenkehlen durchzitterte die Luft, ein schwarzes Gesicht, bis an den Mund im Schilf verborgen, sah mit dem Ausdruck der Todesangst zu den Weißen hinüber, während gleichzeitig ein Boot mit etwa zehn Negern an dem der Europäer vorbei daß Weite zu gewinnen suchte. Kaum sahen aber die Schwarzen den in bedeutender Entfernung quer vor den Flußarm liegenden Dampfer, als sie mutlos die Ruder sinken ließen und sich hockend im Kahn zusammendrängten. Die Feuerwaffen schienen ihnen den entsetzlichsten Schreck eingeflößt zu haben.
Erst jetzt entdeckte man, daß der im Schilf stehende Schwarze mittels eines Riemens aus Wurzelfasern am Boot befestigt war. Zwischen seinem Körper und dem Fahrzeug befand sich eine Schnur von etwa sechs Meter Länge.
Die Weißen sahen einander an. Was mochte das zu bedeuten haben? – »Versteht keiner unter Ihnen die Sprache dieser Leute?« fragte Doktor Bolten die Matrosen.
»Ein paar Worte kann ich schon,« meinte einer, »aber viel ist es nicht. Wir müssen die Mohrenkerle zutraulich machen.«
Er nahm aus dem Vorratskasten eine Branntweinflasche und trank etwas von dem Inhalt derselben, dann reichte er sie den Schwarzen hinüber. »Prosit, ihr Affengesichter! Nun laß dir‘s wohlschmecken, altes Haus.«
Der Mund des Negers verzog sich von einem Ohr zum anderen. Ein Schnalzen mit der Zunge, ein Schlagen beider Hände auf die Kniee bewies nur allzu deutlich, daß er das Feuerwasser der Weißen nicht erst in dieser Stunde kennen lernte. Die Flasche nehmen und sie an die Lippen setzen war eins.
Und nun schien der Bann gebrochen. Die Neger, offenbar auf der untersten