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Es dauerte eine halbe Stunde, bis wir ihn durchquert hatten; dann gelangten wir wieder auf offenes Land. Nach einer Viertelstunde brach der Abend herein; unser Zug blieb trotzdem in Bewegung, bis es vielleicht acht Uhr geworden war. Da hielten wir an, weil wir auf die Kundschafter gestoßen waren, welche uns hier erwartet hatten. Ich schloß daraus, daß wir uns in der Nähe des Dorfes Foguda, welches zerstört werden sollte, befanden.

      Noch leuchteten die Sterne nicht in der Weise, daß ich weit genug hätte sehen können, um zu erfahren, welcher Art die Gegend war, in welcher wir uns befanden. Doch bemerkte ich wenigstens soviel, daß wir uns zwischen Büschen lagerten, welche den Sklavenjägern ein gutes Versteck gewährten.

      Wir drei Gefangenen wurden von den Sätteln losgebunden. Dafür aber fesselte man uns die Füße wieder. Wir waren also gezwungen, uns zu legen, was uns große Unbequemlichkeiten verursachte, da es niemanden einfiel, uns die Schebahs abzunehmen. Außerdem ließen sich drei Männer bei uns nieder, welche uns zu bewachen hatten.

      Das Thun und Treiben um uns her war ein sehr reges und doch beinahe geräuschloses. Man pflockte die Ochsen an oder band sie an die Sträucher fest. Feuer wurden nicht angezündet, doch sagte mir der Klang der Waffen und das Klirren der Ketten, daß man sich auf den Ueberfall des Dorfes vorbereite.

      Ich zermarterte mir das Gehirn mit der Frage, ob es nicht möglich sei, die armen Schwarzen zu retten, sie wenigstens zu warnen. Hin zu ihnen konnte ich nicht; aber vielleicht war das Dorf so nahe, daß die Bewohner desselben meinen Warnungsruf zu hören vermochten. Ich wollte schreien, sagte mir dabei aber freilich, daß ich mein Leben auf das Spiel setze. Ein einziges Menschenleben gegen dasjenige so vieler! Hätte ich nur gewußt, daß ich den beabsichtigten Erfolg wirklich erreichen würde, dann hätte ich mein Leben gern in die Schanze geschlagen. Doch hing ja an demselben noch mehr, viel mehr. Ich wollte doch die Gohk in Wagunda retten, und mit diesen den Reis Effendina mit seinen Scharen. Dies war mir aber nicht möglich, wenn ich hier ermordet wurde. Was also thun?

      Diese Gedanken und Erwägungen peinigten mich. Ich bemerkte, daß die Djangeh abzogen; ihnen folgten kurze Zeit später die weißen Asaker. Nur einige von diesen letzteren blieben, unsere drei Wächter ausgenommen, zur Beaufsichtigung der Ochsen zurück. Die Zeit drängte. Meine Angst um das bedrohte Dorf wuchs von Minute zu Minute. Hätte ich nur eine Hand, eine einzige, frei gehabt! Ich versuchte zwar in der Dunkelheit, die Schellen abzustreifen, aber es gelang mir nicht. Meine Hände waren infolge der Tageshitze und des beschwerlichen Marsches so schweißig, so geschwollen, daß alle meine Bemühungen vergeblich blieben.

      Ungefähr eine Viertelstunde nach dem Abmarsche der Sklavenjäger hatte meine innere Unruhe einen solchen Grad erreicht, daß ich es nicht länger aushalten konnte. Ich mußte warnen, mochte darauf mit mir geschehen, was da wolle. Ich legte also die Hände hohl an den Mund, holte tief Atem, um meinem Rufe die nötige Stärke und Länge geben zu können, und stieß jenes Geheul aus, mit welchem wilde Völkerschaften ihre kriegerischen Angriffe zu begleiten pflegen. Ich that das zwei, drei Male hintereinander, ohne daß unsere Wächter mich daran hinderten. Einer von ihnen stieß ein höhnisches Gelächter aus und sagte:

      »Dummkopf! Meinst du, daß Ibn Asl sich nicht vorgesehen hat? Er kennt dich. Er dachte daran, daß du so albern sein werdest, die schwarzen Hunde warnen zu wollen. Darum hat er hier halten lassen. Von hier bis zum Dorfe hat man fast eine Stunde zu gehen. Also schrei in Allahs Namen, wenn es dir Vergnügen macht! Ich gönne es dir, da es das letzte Vergnügen ist, welches du erlebst.«

      Beinahe schämte ich mich. Und doch war ich froh, daß mein Beginnen keine schlimmeren Folgen hatte. Zu retten war Foguda also nicht; aber ich hatte meine Pflicht gethan und konnte in dieser Beziehung also ruhig sein. Nicht so in Beziehung auf die unglücklichen Menschen, denen jetzt das Verderben heimlich nahte. Ich lag wie im Fieber. Eine Viertelstunde nach der andern verging. Nach dem Stande der Sterne, welche jetzt heller leuchteten, mochte es zwischen zehn und elf Uhr sein; da begann der Himmel im Süden sich zu röten.

      »Hamdulillah, es geht los!« meinte der vorige Sprecher in freudigem Tone. »Die Ratten werden ausgeräuchert.«

      »Wollt ihr sie verbrennen?« fragte ich entsetzt.

      »Verbrennen?« lachte er. »So weißt du also nicht, wie es bei einer Sklavenjagd zugeht?«

      »Ich bin kein Menschenjäger.«

      »So werde ich es dir beschreiben.«

      »Schweig! Ich mag nichts hören.«

      »Du mußt es hören. Du hast mir nicht Schweigen zu gebieten. Wenn ich sprechen will, so spreche ich, und dabei ist es meine Sache, wovon ich reden will. Gerade weil ich weiß, daß es dich quält und peinigt, werde ich dir sagen, wie man es macht, wenn man Sklaven fangen will.«

      Ich gab ihm natürlich keine Antwort. Er fuhr fort:

      »Du weißt, daß alle diese Negerdörfer von hohen Stachelzäunen umgeben sind. Die Dornen sind meist vertrocknet und brennen außerordentlich gut. Sobald man am Abende das Dorf umzingelt hat, brennt man den Zaun an verschiedenen Stellen an. In der Zeit von einigen Minuten brennt er überall; die Funken fliegen auf die Negerhütten, deren Dächer aus Schilf bestehen und sofort auch in Brand geraten. Die Schwarzen erwachen und wollen sich retten. Die kleinen Kinder und die Alten sind zu schwach dazu; sie müssen verbrennen. Den Starken aber, und gerade diese sind es, die man haben will, gelingt es, in kräftigen Sprüngen durch den brennenden Zaun zu brechen. Draußen ist es dunkel; sie sind geblendet und sehen nicht, wen und was sie vor sich haben; sie werden ergriffen und gefesselt. Wer von ihnen sich wehrt, wird niedergestochen, erschossen oder erschlagen!«

      »Schweig mit deiner Beschreibung!« sagte Ben Nil. »Ihr seid keine Menschen, sondern wahre Teufel!«

      »Da hast du recht,« lachte der andere. »Daß wir Teufel sind, werdet auch ihr sehr bald erfahren. Euch wird es noch viel schlimmer ergehen als den Negern, die wir soeben fangen. Sie haben nicht zu klagen. Wird einer erschossen, erschlagen, oder ins Feuer geworfen, so ist er schnell tot. Und wer Sklave wird, der braucht nicht mehr zu sorgen, denn sein Herr sorgt für ihn.«

      »Ins Feuer geworfen?« fragte Ben Nil entsetzt. »Kommt das auch vor?«

      »Sehr häufig! Alte Weiber mit kleinen Kindern, denen es gelungen ist, sich aus dem Brande zu retten, treibt man einfach in das Feuer zurück. Wer unter fünf und über dreißig Jahre alt ist, den können wir nicht brauchen, da niemand einen solchen Sklaven kauft. Und indem man solche unbrauchbare Schwarze in das Feuer zurücktreibt, erspart man das Pulver, welches sie nicht wert sind.«

      In dieser Weise sprach der Kerl weiter und weiter. Ich konnte ihn nicht zum Schweigen bringen. Im Süden wurde es immer heller; der Himmel glühte; das Dorf brannte. Das Feuer warf seine Helle sogar bis her zu uns, woraus ich schloß, daß Foguda ein ungewöhnlich großes Dorf sei.

      Wieder vergingen einige Stunden. Es war nach Mitternacht. Da kamen zwei weiße Asaker und meldeten den dreien, welche uns bewachten:

      »Ibn Asl will diesen gefangenen Hunden zeigen, welchen Fang wir gemacht haben. Folgt uns mit ihnen nach Foguda!«

      Man nahm uns die Riemen von den Füßen; wir mußten gehorchen, mußten mit fort. Der Feuerschein war jetzt nicht mehr so hell wie vorher, erleuchtete die Gegend aber doch noch so, daß wir sehr gut sehen konnten. Wir gingen erst zwischen Büschen hin, dann über offenes Land. Nach einer halben Stunde kamen wir an Feldern vorüber, deren Besitzer die kommende Ernte nun wohl nicht einzuheimsen vermochten. Dann erreichten wir das Dorf. Es brannte nicht mehr; es bildete nur noch einen rauchenden Aschenhaufen. Aber außerhalb des frühern Dornenzaunes hatten die Sklavenjäger einige große Feuer angebrannt, in deren Nähe sie ihre Beute umzingelt hielten. Diese letztere bestand aus Menschen und Tieren.

      Die Neger haben nämlich ihre Herden stets außerhalb der Dörfer auf einem zwar eingefriedigten sonst aber freien Platze. Daher kommt es, daß bei einem Ueberfalle die Rinder, Schafe usw. niemals mit verbrennen, sondern dem Sieger in die Hände fallen. Diese Herden sind dem Sklavenjäger noch weit lieber als die erbeuteten Schwarzen, da hier im Lande eine Kuh wenigstens doppelt soviel wert ist, als selbst ein junger und kräftiger Sklave.

      Ibn Asl hatte reiche Beute gemacht. Ich sah über hundert Rinder beisammenstehen, und die Zahl der Schafe schätzte ich wenigstens auf

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