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Die Regulatoren in Arkansas. Friedrich Gerstacker
Читать онлайн.Название Die Regulatoren in Arkansas
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Friedrich Gerstacker
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
2. Mehrere neue Personen erscheinen auf dem Schauplatz. – Wunderbares Jagdabenteuer des »kleinen Mannes«
Auf der Countystraße zogen an demselben Morgen, und kaum fünfhundert Schritt von dem im vorigen Kapitel beschriebenen Dickicht, zwei Reiter hin, die augenscheinlich der besseren Farmerklasse des Landes angehörten. Sosehr sie übrigens in ihrem ganzen Wesen und Aussehen voneinander abstachen, sosehr schienen sie dagegen im übrigen miteinander zu harmonieren, denn sie unterhielten sich auf das beste. Der junge schlanke Mann auf einem braunen feurigen Pony, das sich nur mit augenscheinlichem Unwillen und oft versuchter Widersetzlichkeit dem langsamen Schritt fügte, in den es sein Herr zurückzügelte, lachte oft und laut über die Späße und Bemerkungen, die sein kleiner wohlbeleibter Gefährte zum besten gab.
Dieser war ein Mann etwa in den Vierzigern, mit sehr vollem und sehr rotem Gesicht und dem freundlichsten, gemütlichsten Ausdruck in den Zügen, der sich nur möglicherweise in eines Menschen Gesicht hineindenken läßt. Seine runde, stattliche Gestalt entsprach dabei seiner Physiognomie auf eine höchst liebenswürdige Weise, und die kleinen lebhaften grauen Augen blitzten so fröhlich und gutgelaunt in die Welt hinein, als hätten sie in einem fort sagen wollen: Ich bin ungemein fidel, und wenn ich noch fideler wäre, wär’s gar nicht zum Aushalten. Er war von Kopf bis zu Füßen, die schwarzen und spiegelblank gewichsten Schuhe ausgenommen, in schneeweißes Baumwollzeug gekleidet. Die kleine baumwollene Jacke aber, die er trug, hätte er trotz größter Anstrengung nicht mehr vorn zuknöpfen können, so war sie entweder in der Wäsche eingelaufen oder, was wahrscheinlicher, so hatte sich sein runder Leib ausgebreitet und »verburgemeistert«, wie er es selbst gern nannte. Ein hellgelber Strohhut beschattete sein Gesicht, und ein hellgelbes dünnes Halstuch hielt seinen offenen Hemdkragen vorn zusammen, zwischen dem ein Teil der breiten sonnverbrannten Brust sichtbar wurde. Nicht ohne etwas Stolz oder wenigstens Eitelkeit zu verraten, lugte dabei der Zipfel eines brennendroten Taschentuches aus der rechten Beinkleidertasche, die wohl geräumig genug gewesen wäre, ein halbes Dutzend derselben zu verbergen.
Sein Begleiter war ein junger, stattlicher Mann mit freiem, offenem Blick und dunklen, feurigen Augen. Seine Tracht ähnelte der der übrigen Farmer im Westen Amerikas und bestand aus einem blauwollenen Frack, ebensolchen Beinkleidern und einer schwarzgestreiften Weste. Den Kopf bedeckte ein schwarzer, ziemlich abgetragener Filzhut, und in der Hand hielt er eine schwere, lederne Reitpeitsche. Schuhe trug er jedoch nicht, sondern nach der indianischen Sitte sauber, aber einfach gearbeitete Mokassins, und dies sowohl wie der ruhige, aber fortwährend umherschweifende und auf alles achtende Blick verriet den Jäger. Übrigens führte er keine Büchse bei sich, sowenig wie sein Begleiter.
»Ein verfluchter Kerl, mein Bruder«, lachte der Kleine, in irgendeiner begonnenen Erzählung fortfahrend, »und eine Wut hatte er, alte Sachen zu kaufen, rein zum Rasendwerden! Wie ich vorigen Herbst in Cincinnati war, klagte mir seine Frau ihre Not: Das ganze Haus stand voll alter Möbel und Hausgeräte und Kochgeschirre, von denen sie nicht den zehnten Teil gebrauchen konnte, und alle Abende lief trotzdem der Sappermenter noch auf den Auktionen umher, um alles, was nur irgend billig war, aufzukaufen. Was er einmal hatte, sah er nachher nicht wieder an. Da gab ich denn meiner Schwägerin den Rat, sie solle einen Teil des Plunders heimlich auf eben diese Auktionen schaffen lassen, um es nur loszuwerden, das Geld könne sie nachher hinlegen und später einmal etwas Nützliches dafür anschaffen. Der Plan war gut, ich bestellte einen Karrenführer, besorgte, als mein Bruder nachmittags im Geschäft war, die ganze Bescherung selber hinunter nach Frontstreet, und ehe es dunkel wurde, war alles aus dem Haus. Meiner Schwägerin fiel ein Stein vom Herzen, und als ihr Mann abends halb zehn Uhr, zu seiner gewöhnlichen Stunde, höchst aufgeräumt heimkam, machte sie uns noch einen kapitalen Punsch. – Apropos, Bill, Punsch müssen wir uns einmal hier brauen, das verwünschte Volk in dieser Gegend gehört fast sämtlich zum Mäßigkeitsverein. Also – wo war ich doch stehengeblieben, ja, beim Punsch. Bei dem Punsch blieben wir bis elf Uhr zusammensitzen, und mein Bruder erzählte eine Schnurre nach der andern, er konnte merkwürdige Schnurren erzählen, mein Bruder! Ich fragte ihn ein paarmal, weshalb er so lustig sei, er wollte aber nicht mit der Sprache heraus, geht am nächsten Morgen wieder um sechs Uhr fort, und denke dir, was bringt er auf drei Wagen nach Haus? Den ganzen Plunder, den ich am Abend vorher fortgeschafft hatte. Kein Stück fehlte, und dabei prahlte er, was er für einen unmenschlich guten Handel gemacht hätte.«
»Nicht übel, Onkel«, sagte der junge Mann lächelnd und warf dem Älteren einen schnellen Seitenblick zu. »Vortrefflich sogar – wenn es wahr wäre.«
»Ei du Sappermentsjunge, hab’ ich dir schon jemals etwas vorgelogen? Nie! Wenn ich dir übrigens künftig eine Tatsache erzähle, so brauchst du nicht zu feixen und das Maul von einem Ohr zum andern zu ziehen; hörst du, Musjö?«
»Aber, bester Onkel, Sie müssen mir das nicht so übelnehmen. Wenn Sie anfangen, freu’ ich mich immer schon aufs Ende, denn gewöhnlich ist etwas Komisches dabei – und da mag ich dann wohl manchmal ein wenig zu früh lachen.«
»Komisches? Da hör’ einer den Laffen an. Ich erzähle nie komische Geschichten – hast du schon je eine komische Geschichte von mir gehört? Ernst war das Berichtete, bitterer, trauriger Ernst; mein Bruder wird sich auch noch mit der verdammten Leidenschaft zugrunde richten – er muß sich ruinieren.«
»Ihr Bruder soll doch aber ein sehr gewandter Geschäftsmann sein, und wenn er in dieser Hinsicht auch eine freilich etwas sonderbare Liebhaberei hat, so bringt er das sicherlich auf andere Art zehnfach wieder ein.«
»Gewandter Geschäftsmann? Gott segne dich, Junge – es gibt keinen pfiffigeren Kaufmann als meinen Bruder; nur zu pfiffig manchmal, nur zu pfiffig! Ich erinnere mich noch recht gut daran, wie wir zusammen in Kentucky jagten und wie er die Krämer immer übers Ohr hieb mit alten Opossumfellen, denen er Waschbärenschwänze annähte und sie nachher als besonders wertvolle Felle verkaufte. Manches Quart Whisky haben wir auf die Art zusammen vertrunken. Aber einen Streich muß ich dir doch erzählen, den er mir einmal am Cane-See spielte. Wir ruderten zusammen in einem alten Kanu auf dem See herum, teils um Fische zu harpunieren, teils um Hirsche zu schießen, die des kühlen Tranks wegen an den Wasserrand kamen. Es war merkwürdig heiß, und die Sonne brannte auf eine sträfliche Art; um’s mir daher bequemer zu machen, wollt’ ich mein Jagdhemd ausziehen. Wie ich aber mein Pulverhorn vorher abnehme (ein kapitales hörnernes Pulverhorn mit luftdichtem Stöpsel), bleib’ ich mit dem Finger in der Schnur hängen, und wie der Blitz rutscht es über Bord und hinunter ins Wasser.
Da saß ich. Der See war klar wie Kristall, und obgleich er etwa fünfzehn Fuß tief sein mochte, so konnt’ ich das Horn unten so deutlich liegen sehen, als ob ich’s mit den Händen zu ergreifen vermöchte. George war nun immer ein sehr guter Sprinter, Läufer und auch Schwimmer und Taucher gewesen; als er daher meine Verlegenheit bemerkte, erbot er sich unterzutauchen und sprang auch ohne weitere Umstände über Bord. Pulver war damals in der Gegend unmenschlich teuer und überdies schwer zu bekommen. Als er auf den Grund und in den weichen Schlamm kam, wurde das Wasser ein wenig trübe, und er mußte einen Augenblick warten, bis es wieder klar wurde. Ich zog indessen mein Jagdhemd aus und setzte mich darauf; wie er mir aber doch endlich zu lange da unten blieb und ich ein wenig ängstlich über Bord hinuntersah, was meinst du, was er da machte, he?«
»Ja, ich weiß wahrhaftig nicht, was einer in solcher Lage anders machen könnte als den Versuch, so schnell als möglich wieder an die Oberfläche zu kommen.«
»Fehlgeschossen!« rief der Alte und hielt in der Erregung des Augenblicks, wie von der Erinnerung überwältigt, sein Pony einen Augenblick an, »fehlgeschossen! Unten stand er, ruhig, als wenn er sich auf ebener Erde befände, und beugte sich vornüber, daß ich nicht sehen sollte, was er machte, ich sah’s aber gut genug- Der Spitzbube ließ mein Pulver heimlich in sein eigenes Horn laufen, und als er nachher wieder heraufkam, war mein Horn halbleer. – Nun, du brauchst nicht zu lachen, als ob du vom Pferde fallen wolltest. Das ist am Ende auch nicht wahr? Hat dir dein alter Onkel schon jemals eine Lüge erzählt? – He?«
»Nein, Onkel Ben, seien Sie nicht böse, ich glaube jede Silbe; aber – ha – sehen Sie das Rote dort? – da drüben