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Die Regulatoren in Arkansas. Friedrich Gerstacker
Читать онлайн.Название Die Regulatoren in Arkansas
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Friedrich Gerstacker
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Die Männer bedurften weiter keiner Aufforderung, den Platz zu verlassen. Schweigend hieben sie sich mit ihren breiten Jagdmessern Bahn durch das Rohr, erreichten bei schon einbrechender Dämmerung ihre Pferde wieder, schwangen sich in die Sättel, trabten, den ziemlich offenen Wald zwischen dem Rohr und der dicht mit Büschen bewachsenen Bergreihe benutzend, scharf weiter und erreichten noch vor völliger Dunkelheit die Furt des Petite-Jeanne, an dessen anderem Ufer die kleine Hütte des alten Bahrens stand, der den nicht gerade ehrenhaften Beinamen »Lügen-Bahrens« in der Nachbarschaft trug.
7. Zwei echte Backwoodsmen – Bahrens’ und Harpers Erzählungen
Der Alte stand vor der Tür und blickte, augenscheinlich die Jäger erwartend, nach der Stelle hinüber, auf der sie jenseits des Flusses aus dem Walde treten mußten. Neben ihm kauerte Assowaum und zog seine Mokassins wieder an, die er bei der Wasserpartie abgelegt und neben der Büchse festgebunden hatte.
»Hallo da drüben«, schrie Roberts, »ist die Furt seicht genug?«
»Ay, ay!« war die Antwort, »knietief.«
Die Männer hielten die Versicherung für genügend und trieben die Pferde die Bank hinunter und in den Fluß. Curtis aber, der voranritt, wäre der Spaß beinahe übel bekommen, denn er sank augenblicklich unter, und sein Pferd mußte mit ihm ans andere Ufer schwimmen.
»Verdammt Eure schwarze Seele.« rief er ärgerlich aus, als er wieder festen Boden erreicht hatte, »was, zum Teufel, jagt Ihr einen denn mit Euren verdammten Lügen ins Wasser! He – ist das knietief?«
»Nun, versteht sich«, erwiderte Bahrens lachend, »seht Ihr dort nicht das Zypressenknie in der Mitte vom Fluß? Dem geht’s noch nicht einmal an den oberen Rand, ‹s ist freilich sieben Fuß hoch.«
Roberts hatte augenblicklich gehalten, als er Curtis so Hals über Kopf in die Fluten eintauchen sah, und dieser rief ihm jetzt vom andern Ufer zu:
»Reitet noch ein Stückchen den Fluß hinunter, Roberts, dort, wo Ihr den Kies seht, da werdet Ihr trocken durchkommen.«
»Wenn Ihr den Weg so gut kennt«, rief Bahrens, »warum seid Ihr denn nicht selbst weiter hinuntergeritten?«
»Weil ich Narr genug war, Euch auch nur ein Wort zu glauben«, erwiderte ihm dieser, galoppierte die steile Uferbank hinauf, sprang vom Pferd und schüttelte dem Alten die Hand, der ihn herzlich willkommen hieß.
Bahrens war einer von den echten Pionieren oder Squattern des Westens. Vor fünf Jahren etwa hatte er sich in Poinsett County, in den fürchterlichsten Sümpfen und zwanzig Meilen von jeder menschlichen Wohnung entfernt, niedergelassen. Dort hatte er auch eine Zeitlang höchst zufrieden von der Jagd gelebt. Dann aber war etwas vorgefallen, von dem er nicht gern sprach und das er »Familienverhältnisse« nannte, was ihn zwang, jene Gegend zu verlassen. Die Bewohner des Fourche la fave munkelten zwar etwas von Pferdefleischliebhaberei, das war aber grundlos. Erstlich kannten sie die Gegend nicht, denn was sich bis zu seiner Hütte verlief, war ohnedies wild geworden und der Büchse des Jägers verfallen, und zweitens hatte sich Bahrens stets als ein ehrlicher Mann bewiesen, und keiner seiner Nachbarn konnte ihm etwas Böses nachsagen. Daß er manchmal die »Wahrheit ein wenig zerhackte«, wie sich Roberts ausdrückte, wurde freilich von den meisten seiner Bekannten bestätigt, er selbst aber leugnete auch dies hartnäckig und war stets bereit, jede seiner Geschichten zu beschwören, nur – wetten wollte er nicht darauf, obgleich er sich sonst nie lange zu einer Wette bitten ließ. Hauptsächlich trieb er Viehzucht und bebaute nur ein sehr kleines Stück Land, etwa fünf Acker, um Mais für sich und die Seinen zu ziehen; auch hatte er mehrere Pferde, doch nicht viele. Er meinte, die Luft in Arkansas sage den Pferden nicht zu. Seine Familie bestand aus seiner Frau, zwei Töchtern und einem Sohn, der aber nicht bei den Eltern lebte, sondern vor zwei Jahren fortgewandert war und natürlich, da er weder schreiben noch lesen konnte, nichts weiter von sich hatte hören lassen.
Das Haus selbst war eine der im Westen Amerikas gebräuchlichen Blockhütten, aus rohen, unbehauenen Stämmen errichtet, deren Dach, grobgespaltene, kurze Bretter, durch schwere Stangen, sogenannte weightpoles, festgehalten wurde. Dem aus rohem Lehm und Balken aufgeführten Schornstein entstieg ein dünner blauer Rauch, und Bahrens war eben damit beschäftigt, Feuerholz für den Abend zu hacken, um eine freundliche Flamme im Kamin zu unterhalten. Nur eine kleine niedere Fenz hielt eine Masse von jungen Ferkeln ab, die friedliche Einsamkeit der Wohnung zu stören, und quietschend und grunzend umrannten sie die hindernde Einfriedung, als ob sie das gewöhnliche Abendbrot, ein paar Maiskolben, erwarteten. In einer kleinen Einzäunung dicht daneben melkte die älteste Tochter, ein hübsches, schwarzäugiges Mädchen, eine große weiße Kuh, während die jüngere ein kleines Kalb an einem Strick zurückhielt, daß es die Schwester nicht in ihrer Arbeit stören und warten sollte, bis die Reihe an ihm sein würde. Neben dem Haus aber, auf den gewaltigen, durch die Axt des Farmers geschlagenen Stämmen, saßen eine Unmenge Aasgeier, als ob sie entweder von ihrem Raub verscheucht wären oder diesen nur verlassen hätten, um mit dem nächsten Morgen ihr ekles Mahl wieder zu beginnen.
Die drei Jäger ritten jetzt ebenfalls zum Haus hin, und Roberts rief dem Alten schon von weitem zu:
»Ich hab’ Euch doch wohl unrecht getan, Bahrens. Wir glaubten, wir würden Euch ohne Fleisch antreffen, die Aasgeier da oben zeigen aber, daß irgendwas vorhanden sein muß, wenn nicht etwa eine Kuh gefallen wäre.«
»Guten Abend, Boys, guten Abend – recht so, daß ihr den alten Bahrens auch einmal aufsucht – Kuh gefallen? Roberts, kein Fleisch in meinem Hause? Da kennt Ihr den alten Bahrens schlecht. Wie ich noch am Cashriver wohnte, konnte ich täglich, das heißt im Durchschnitt, zwischen acht- und neunhundert Pfund Fleisch erlegen. Curtis weiß es, nicht wahr, Curtis?«
»Ja gewiß«, bestätigte dieser lachend – »zahmes!«.
»Zahmes? Wilde Tiere – Büffel und wild gewordenes Rindvieh natürlich eingerechnet; aber steigt ab, macht’s Euch bequem. Betsy, wirf den Tieren jedem einen Armvoll Mais in den Trog – hörst du —, bleib aber bei ihnen stehen, bis sie fertig sind, und wehre die Schweine ab, daß die Bestien den Trog nicht wieder umwerfen wie gestern.«
»Bahrens, hier muß wahrhaftig ein Aas in der Nähe liegen!« rief Roberts, nachdem die ersten Begrüßungen vorüber waren. »Es riecht, meiner Seel’, nach faulem Fleisch.«
»Nach faulem Fleisch?« wiederholte Bahrens, »Ihr habt gute Nasen. Hier in der Nähe liegt nichts – die Kanaillen, die Aasgeier, kommen immer, wenn man schlachtet.«
»Schlachtet?« fragte Curtis entsetzt, »das, was Ihr geschlachtet habt, riecht so? Was hast du denn, Assowaum? Der Bursche zieht ja ein Gesicht, als ob er lachen wollte.«
»Mr. Bahrens hat ein kleines Schwein geschlachtet«, sagte der Indianer, und es war augenscheinlich, wie sehr es ihn ergötzte, »die Aasgeier sind aber dumme Tiere; das Schwein ist erst vor acht Tagen umgebracht, und heute kommen sie schon!«
»Und das sollen wir essen?« rief Roberts lachend. »Wo sind denn die Hirsche?«
»Welche Hirsche?«
»Nun, die, die Ihr alle Tage schießt, wie Ihr es neulich erzähltet.«
»Oh, ich habe mir den Fuß verstaucht und seit drei Tagen nicht auf die Jagd gehen können.«
»Bahrens – hier ist ein Freund von mir, Mr. Harper, einer meiner Nachbarn, der gern Eure Bekanntschaft machen wollte. Harper, das ist Mr. Bahrens, der Mann, von dem ich Euch so viel erzählt habe. Ich denke, Ihr werdet wohl Freunde werden.« Die Männer schüttelten einander die Hand, und Bahrens schwor, er wollte verdammt sein, wenn Harper nicht ein merkwürdig gutmütiges Gesicht hätte.
»Aber, Bahrens«, unterbrach ihn Curtis jetzt, »morgen früh müssen wir mit Tagesanbruch zu der kleinen Slew hinauf. Dort, wo die drei dürren Zypressen stehen, ist ein Mord verübt; es sieht wenigstens ganz danach aus.«
»Ein Mord? Das wäre schrecklich!«
»Es kann nicht anders sein;