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Der Vaquero. Balduin Mollhausen
Читать онлайн.Название Der Vaquero
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Balduin Mollhausen
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Das ist beklagenswert,« versetzte Bertrand mit einem Ausdruck, der die Aufrichtigkeit seiner Worte verbürgte; »sollte er sich wirklich außerhalb des Bereiches aller Nachforschungen befinden, wohl gar gestorben sein, so würde ich meinen ganzen Eifer darauf zu verwenden haben, wenigstens seinen Sohn zu ermitteln. Das ist Ehrensache für mich geworden, und sein Sohn war der erwähnte Knabe unzweifelhaft, dasselbe Kind, welches er einst mit fortnahm, ohne jemals die geringste Nachricht über ihn nach Europa gelangen zu lassen.«
King sann wieder nach, bevor er zögernd bemerkte: »Die Mittheilungen, die Ihnen wurden, treffen in den Hauptsachen zu. Ein Knabe begleitete ihn in der That. Ob es sein Sohn war, weiß ich nicht, muß es aber voraussetzen. Richtig ist ferner, daß der Knabe später bei mir gesehen wurde. Mein Verkehr mit Pardelstein fiel in die Zeit zwischen seiner und meiner Anwesenheit in Kansas. In einer südlichen Stadt lernten wir uns kennen. Als wir voneinander schieden, vertraute er mir den Knaben mit der dringenden Bitte an, ihn als meinen eigenen Sohn gelten zu lassen. Er hoffte, ihn dadurch vor Neigungen zu bewahren, die, durch das Bewußtsein, seine Herkunft auf ein altadeliges Geschlecht zurückführen zu dürfen, gefördert, nachteilig auf seine Zukunft einwirken könnten. Vereinsamt, wie ich in der Welt dastand, ging ich bereitwillig auf das Ansinnen ein, aber noch heut soll er kommen, um seinen Sohn zurückzufordern oder sich auch nur von seinem Ergehen zu überzeugen.«
»Da der junge Mann – zur Zeit ist er ja herangereift – nicht bei Ihnen weilt, darf ich wohl darauf rechnen, daß Sie meinen Verkehr mit ihm anbahnen. Ich gebe zu bedenken, daß sehr Wichtiges für ihn auf dem Spiele steht.«
»Was ich über ihn weiß, sollen Sie erfahren,« versetzte King mit sichtbarem Widerstreben, »zuvor möchte ich indessen darüber belehrt sein, wer Sie mit der gewiß schwierigen Aufgabe betraute, und was man mit dem jungen Mann beabsichtigt. Sie begreifen, daß Pardelstein, dessen volles Vertrauen ich besaß, als er die Zukunft seines nächsten Angehörigen in meine Hände niederlegte, mir auch Bedingungen vorschrieb, die rechtlicherweise nicht umgangen werden können.«
»Ein billiges Verlangen, dem ich mit Freude entgegenkomme. Beauftragt wurde ich von einem Fräulein Wolfrade Ecke, der hochangesehenen Eigentümerin umfangreicher Besitzungen. Die Ursachen, die ihre tiefe Teilnahme für den verschollenen Felix v. Pardelstein begründen, möchte ich unerwähnt lassen. Sie sind ernst genug, um zu rechtfertigen, daß ihre Teilnahme sich auch auf seinen Sohn übertrug. Die Möglichkeit ist daher nicht ausgeschlossen, daß sie sein Glück zu ihrer Lebensaufgabe machte.«
King wiegte das Haupt, und wie im Traum gesprochen klang es, als er erwiderte: »Also Wolfrade Ecke. Mir ist, als hörte ich den Namen heute zum erstenmal. Nannte Pardelstein ihn nicht oder vielleicht nur beiläufig, so stand dies im Einklang mit seiner scharf ausgeprägten Neigung, sich in Geheimnisse zu hüllen, sogar einem bewährten Freunde gegenüber mit seinem Vertrauen nicht über eine bestimmte Grenze hinauszugehen. Gewiß wäre ich gern bereit, dem jungen Manne, der mich heut noch Vater nennt, den Weg zu Glück und Reichtum anzubahnen, muß aber leider bekennen, daß er nicht nur meinem Einfluß unzugänglich, sondern sich auch außerhalb meines Bereiches befindet. Er trennte sich böswillig von mir, wodurch meine Anhänglichkeit an ihn erkalten mußte. Kurz, er erfüllte nicht die Erwartungen, die ich glaubte von ihm hegen zu dürfen, und damit schwand der letzte Grund, mich fernerhin um ihn zu kümmern.«
Bertrand zögerte mit einer Erwiderung. Hatte anfänglich der Verdacht ihn beschlichen, in dem alten Handwerker mit dem gemessenen Wesen den gesuchten Pardelstein vor sich zu sehen, so schwand er alsbald angesichts dieser Teilnahmlosigkeit, die im Falle der nächsten verwandtschaftlichen Beziehungen widernatürlich gewesen wäre.
»Ihre Andeutungen leisten dem traurigen Argwohn Vorschub, daß der junge Mann verwahrloste, wohl gar zu den Verlorenen gezählt werden muß,« brach er nach kurzem Sinnen das eingetretene Schweigen.
Die Gelegenheit benutzend, hatte King das Gesicht Bertrands mit verstecktem Mißtrauen geprüft. Die es beherrschende peinliche Spannung berührte ihn offenbar wohlthuend, denn er entgegnete beschönigend: »Zu einem Verworfenen sank er nicht herab. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß er sich dennoch zu einem gesitteten Lebenswandel bekehrt. Ob diese Möglichkeit sich jemals verwirklicht, erscheint freilich zweifelhaft. Von Kindheit an eigenwillig und trotzig, diente sein Verkehr mit gleichgesinnten unabhängigen Amerikanern dazu, die ihm innewohnende Zügellosigkeit bis zur Wildheit zu steigern. Diese gefährliche Eigenschaft fand ihre reichste Nahrung in dem Vollgefühl einer unüberwindlichen Kraft und Gewandtheit. Es bot der hünenhafte Körper gewissermaßen einen Rückhalt für die Ueberzeugung, keinen Herrn über sich zu dulden zu brauchen, nicht einmal denjenigen, den er Vater nannte. Den kleinen Zerwürfnissen folgten ernstere. In seiner Verblendung glaubte er, über die Früchte meines unermüdlichen Schaffens frei verfügen zu dürfen, und so waren Schulden die nächste Folge. Dann aber, als ich nach den ersten bösen Erfahrungen nicht mehr für ihn eintrat, ging er davon und planlos in die westlichen Wildnisse hinein. Zu seinem Verderben mochte mit beigetragen haben, daß er schon frühzeitig auf Monate verschwand, um sich mit Gesinnungsgenossen, Jägern, Viehtreibern und sonstigen Abenteuerern in der Prairie umherzutreiben. Meine ernsten, wohlgemeinten Vorstellungen beantwortete er schließlich mit der Erklärung, mich nicht weiter belästigen zu wollen. Trotzig stellte er mir anheim, ihn mit einigen hundert Dollars abzufinden und dadurch in die Lage zu versetzen, einen seinen Neigungen entsprechenden Beruf zu wählen. Gleichmütig fügte er hinzu, daß er auch ohne meinen Zuschuß in den Besitz eines guten Pferdes und sonstiger Ausrüstungsgegenstände gelangen würde. –
Seinem Uebermut stellte ich ruhige Entschiedenheit entgegen. Seine Forderung erfüllte ich zwar; wenn ich aber glaubte, ihn über kurz oder lang als reuigen Sünder wieder bei mir eintreten zu sehen, so hatte ich seine Störrigkeit unterschätzt. Er war und blieb fort. Nur einmal noch hörte ich von ihm. Er schrieb, daß es ihm gut ergehe, und er ein Mädchen gefunden habe, mit dem er sich zu verheiraten gedenke, wobei er auf meine väterliche Beihilfe zur Begründung eines ländlichen Hausstandes rechne. Auch nannte er des Mädchens Vater, einen Squatter, an den ich die betreffenden Nachrichten für ihn übermitteln sollte. Selbstverständlich ging ich nach den vielen bösen Erfahrungen auf seine Zumutung nicht ein. Was dann aus ihm geworden ist, und ob er überhaupt noch lebt, weiß ich nicht.«
»Sollte es mit der Verheiratung sein Ernst gewesen sein, so würde ich das für das denkbar größte Unglück halten, das ihn hätte betreffen können,« wandte Bertrand nachdenklich ein. »Fand sie hingegen noch nicht statt, dann müßte das Aeußerste aufgeboten werden, sie zu hintertreiben. Seine letzten Beziehungen zu der Heimat würden durch einen derartigen Schritt abgebrochen werden, und das darf, wenn es noch zu verhüten ist, nicht geschehen.«
»Wie wollen Sie etwas hintertreiben, das der wilde Bursche einmal in seinem aufsätzigen Schädel zurechtlegte?« fragte King verdrossen. »Eher möchte Sie einen Felsblock in schmiegsames Wachs verwandeln, als seinen Starrsinn brechen. Nein, nein; gönnen Sie seinem tollen Treiben ungehemmten Lauf, bis er, wenn auch erst spät, zur Vernunft kommt. Da ferner Ihre Auftraggeberin unstreitig in den vornehmsten Kreisen zu suchen ist, haben Sie doppelte Ursache, ihn seinem Schicksal zu überlassen. In solche Gemeinschaft gehört er nicht hinein; denn anstatt freundliche Teilnahme zu erwecken, würde er abfällige Urteile gegen sich herausfordern, und das hieße bei einem Charakter, wie dem seinigen, den Untergang besiegeln.«
»Ihre Bedenken erkenne ich an,« versetzte Bertrand zweifelnd, »wo man aber seinem Vater ein so treues Andenken bewahrte, eine so unzweideutige Zuneigung, da läßt sich erwarten, daß das Urteil über den jungen Mann sich mildert und es nur allein in seinem