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Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band. Hugo Friedländer
Читать онлайн.Название Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band
Год выпуска 0
isbn 9783754958056
Автор произведения Hugo Friedländer
Издательство Bookwire
Rentier Seemann (Hannover) erzählte ebenfalls den gegen ihn verübten Erpressungsfall. Moser habe absolut keine Forderung an ihn gehabt.
Moser behauptete, der Zeuge habe große Glücksspiele in seiner Wohnung entriert und unsaubere Wechselgeschäfte mit jungen Offizieren in Hannover gemacht.
Der Zeuge bezeichnete diese Behauptung als Erfindung.
Angekl.: Seemann ist Anfang der 1870er Jahre der Spielerangelegenheit wegen verhaftet gewesen und nur gegen hohe Kaution entlassen worden.
Seemann: Das ist eine grobe Lüge.
Vors.: Verlangen Sie, daß ich die Sache vertage, Moser, und die Akten mir aus Hannover kommen lassen soll?
Seemann: Wenn Sie das täten, Herr Präsident, dann würden Sie sehen, daß Moser gänzlich die Unwahrheit sagt.
Moser: Die Verhaftung vermute ich bloß, aber die Sache mit der Kaution weiß ich positiv. (Heiterkeit im Zuhörerraum.)
Vors.: Es ist frech von Ihnen, daß Sie sich erlauben, eine bloße Vermutung hier als positive Behauptung aufzustellen.
Bei dem nunmehr folgenden Erpressungsfall Eccardt bemerkte Grünewald: Er kenne den Eccardt gar nicht und habe in keiner Weise einen Erpressungsversuch gegen diesen unternommen. Sawatzki erklärte sich ebenfalls für nichtschuldig; er sei selbst um 500 Mark von dem Freiherrn v. Schleinitz geprellt worden. Er wollte dem Eccardt nur aus persönlicher Freundschaft raten, sich mit Schleinitz behufs Unterdrückung der Angriffe im »Unabhängigen« in Verbindung zu setzen.
Kaufmann Eccardt bestätigte das.
Alsdann gelangte der Erpressungsfall gegen den Grafen v. Grabowski zur Verhandlung. Die Angeklagten Grünewald und Moser bestritten, sich hierbei strafbar gemacht zu haben. Als sie einsahen, daß der angegriffene Graf Grabowski nicht mit dem Grafen v. Götzendorf-Grabowski, sondern mit einem anderen Grafen v. Grabowski in Wien identisch sei, haben sie eine vom ersteren gewünschte Berichtigung aufgenommen.
Graf Grabowski, so erzählte Moser, habe ihm ohne weiteres dafür 500 Mark gegeben; er habe dies Geld, das er an Grünewald abgeführt, nicht von dem Grafen gefordert.
Grünewald: Ich habe die 500 M. von Moser nicht erhalten.
Moser blieb bei seiner Behauptung.
Dr. Vogelsang bestritt, sich in dieser Angelegenheit einer Erpressung schuldig gemacht zu haben.
Graf v. Götzendorf-Grabowski: Er habe lange Zeit die Schmähartikel unbeachtet gelassen, ganz besonders, weil er nicht ganz bestimmt darin bezeichnet war. Als letzteres jedoch geschah, sei er in die Redaktion des »Unabhängigen« gegangen und habe dort Moser gebeten, von weiteren Artikeln Abstand zu nehmen. Er habe 300 Mark geboten, Moser habe ihm jedoch bemerkt, Grünewald verlange 1000 Mark. Als er (Zeuge) antwortete, daß er höchstens 500 Mark geben werde, sei M. zu G. gegangen, um diesen zu befragen. M. kehrte bald darauf zurück mit dem Bemerken, daß G. sich mit den 500 Mark einverstanden erkläre.
Kaufmann Fränkel, der ehemalige Kompagnon des Freiherrn v. Schleinitz, bemerkte: Schleinitz habe ihm nachträglich durch seine Tochter einen eingeschriebenen Brief gesandt, in welchem er ihn aufforderte, ihm 500 Mark zu geben, widrigenfalls er ihn denunzieren würde. Er glaube, dies dem Gerichtshofe mitteilen zu müssen.
Vors.: Schleinitz gehört zum Militärverbande; wenn Sie gegen Schl. etwas haben, so müssen Sie es der Militärbehörde anzeigen. Geheimer Kommerzienrat Conrad: Er habe zur Unterdrückung von Angriffen gegen die Handelsgesellschaft 1200 Mark an Grünewald gezahlt.
Kaufmann Jaroczynski bekundete noch: Er habe immer mit Angst dem Freitag, an welchem Tage der »Unabhängige« erschien, entgegengesehen; denn obwohl er an Moser Zahlung geleistet hatte, habe dieser immer gesagt: »Heute stehen Sie noch nicht drin, Sie kommen erst nächsten Freitag dran.«
Am dritten Verhandlungstage erschien als Zeuge Generalagent Manfred Lewin. Er bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Eines Tages kam Hauptmann a.D. Frhr. v. Schleinitz zu mir mit der Mitteilung, ich werde nächstens im »Unabhängigen« besprochen werden, da ich zu der bei Dressel verkehrenden Wucher- und Spielergesellschaft gehöre. Als ich erwiderte, daß das eine grobe Lüge sei, bemerkte Schleinitz, das ist ja gleichgültig; es handelt sich ja nur darum, den Leuten des »Unabhängigen« etwas zuzuwenden und blamiert sind Sie dann doch. Ich entgegnete dem Schleinitz: Ich werde mich mit der Redaktion direkt in Verbindung setzen. Schleinitz erwiderte: Ich kann Ihnen nur raten, daß Sie sich vergleichen, sonst sind Sie blamiert. Es hat sich bereits eine sehr große Anzahl hochgestellter Leute losgekauft, zu diesen gehört auch Herr v. Bleichröder. Ich bemerkte dem Schleinitz: Ich werde der Redaktion Inserate in der Höhe von 100 Mark geben und diese 100 Mark im voraus bezahlen. Diese Proposition machte ich auch schriftlich der Redaktion, daraufhin erschien Schleinitz wieder bei mir und sagte mir: Grünewald könne meinen Vorschlag nicht akzeptieren, da von Personen, die besprochen werden sollen, Inserate nicht aufgenommen würden. Ich muß hierbei bemerken, daß ich nicht willens war, im »Unabhängigen« inserieren zu lassen, denn dadurch wäre ich bloß blamiert worden. Was würde also die Unterdrückung der Artikel kosten, fragte ich den Schleinitz. Nun, es kommt darauf an, antwortete dieser. Sie, der Sie ein sehr luxuriöses Leben führen, Champagner trinken usw., dürften unter 1000 Mark nicht davonkommen. 1000 Mark, versetzte ich, das ist sehr viel; 500 Mark würde ich geben. Darauf wird wohl Grünewald nicht eingehen; ich will aber einmal sehen, was sich machen läßt, antwortete Schleinitz. Am folgenden Tage kam Schleinitz wieder zu mir und sagte: Ich habe Sie doch zu niedrig geschätzt; Grünewald verlangt 5000 Mark. Sie irren sich wohl, versetzte ich, Sie meinen wohl 500 Mark. Mein bester Herr Lewin, wenn Sie sich zur Zahlung der 5000 Mark nicht entschließen, dann stehen Sie in der nächsten Nummer des »Unabhängigen«, bemerkte v. Schleinitz. Ich begab mich nunmehr zu Grünewald. Dieser hatte zunächst keine Zeit; er ließ mich sehr lange warten, endlich sagte er zu mir, nachdem ich ihm mein Anliegen vorgetragen: Schleinitz habe von ihm keinen Auftrag. Im übrigen lasse sich die Redaktion des »Unabhängigen« nicht bestechen. (Große allgemeine Heiterkeit, in die selbst die Richter und der Staatsanwalt einstimmten.) Die Artikel werden nicht geschrieben, um Geld zu erhalten, sondern um die Moral in Berlin zu heben. (Große anhaltende Heiterkeit, in die der Gerichtshof, der Staatsanwalt und die Verteidiger einstimmten.)
Vors.: Die Moral hörte auf in dem Moment, wo Geld gezahlt wurde?
Zeuge: Sehr richtig, Herr Präsident; als ich dem G. sagte, daß doch alles, was er gegen mich schreiben wolle, pure Erfindung sei, erwiderte er wiederum: Das wird sich finden, wir wissen ganz genau, daß Sie auch zu der Gesellschaft gehören. Nun sagte ich zu G.: Wenn ich mir nicht anders helfen kann, so werde ich Ihnen die Knochen entzweischlagen. G. erwiderte mir: Er habe mit der Sache eigentlich nichts zu tun, ich solle zu Moser gehen, dieser habe das Material geliefert und auch den bereits im Fahnenabzug fertiggestellten Artikel geschrieben. Ich ging nun zu Moser und dieser sagte mir: Wenn ich 150 Mark zahle, dann sei die Sache tot. Ich zahlte 100 Mark, angeblich behufs Insertion. Bald darauf hörte ich, daß die ganze Angelegenheit zur behördlichen Anzeige gekommen ist. Ich forderte deshalb von Moser die 100 Mark zurück und erhielt sie auch.
Der folgende Erpressungsfall war gegen einen Freiherrn v. Prittwitz gerichtet. Letzterer bekundete als Zeuge. Ich wurde eines Tages von dem mir bekannten Hauptmann a.D. Freiherrn v. Schleinitz darauf aufmerksam gemacht, daß ich nächstens im »Unabhängigen« besprochen werden solle. Da mein Gewissen rein war, sagte ich dem Schleinitz: Das ist mir sehr gleichgültig; Schlechtes können die Leute nicht über mich schreiben. Schleinitz erwiderte: Auf Wahrheit komme es den Redakteuren des »Unabhängigen« wenig an. Wenn ich nicht blamiert werden wolle, so solle ich mich loskaufen. Ich lehnte ein solches Ansinnen entschieden ab, und nun erschien eine Reihe von Schmähartikeln mit dem steten Vermerk »Fortsetzung folgt« gegen mich. Ich wurde des unerlaubten Glücksspiels und aller möglichen Untaten beschuldigt. Die betreffenden Zeitungsexemplare wurden mir, blau angestrichen, per Kreuzband, aber auch