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Zweifel darüber, ob Schleinitz wirklich die 1200 Mark an den »Unabhängigen« und den »Börsen-Kurier« gezahlt habe. Er hatte Recherchen anstellen lassen und durch seinen Beauftragten von Grünewald erfahren, daß dieser nichts erhalten habe. Grünewald benutzte aber gleichzeitig die Gelegenheit, um in zwei von Sponholz und Moser geschriebenen Briefen Pflüg unter Androhung der Veröffentlichung über die angebliche Verleumdung, daß der »Unabhängige« mit 600 M. bestochen sei, zur Rede zu stellen. Hierauf bezog sich der neue Brief Schleinitzs. In diesem behauptete v. Schleinitz, daß infolge dieser Indiskretion die Sache für Pflüg gefährlich werde, denn Lodomez und Otten täten das ihrige, das Feuer zu schüren. Otten habe nunmehr dem »Unabhängigen« die Mittel zur Verfügung gestellt, um gegen Pflüg eine Broschüre voller Haß, Rache und Wut in 6000 Exemplaren drucken zu lassen. In der Presse habe er ihn geschützt, vor Broschüren könne er ihn nicht schützen. Er deutete auch den Inhalt der Broschüre an und teilte mit, daß diese an alle Offizierkasinos und die Kunden des Pflüg verteilt werden solle. Das Manuskript sei als Verlagseigentum mit allen Rechten zu verkaufen. Bei Erledigung des Geschäfts würde das gänzliche Schweigen des Gegners verbürgt, sobald aber der erste Bogen gedruckt sei, würde die Broschüre nicht mehr verkauft. Falls er, Schleinitz, keine Depesche erhalte, betrachte er die Unterhandlungen für abgebrochen und die Broschüre werde am 16. November in Lübeck erscheinen. Pflüg ließ sich jedoch auf nichts ein. Infolgedessen erschien am 9. November in der »Lübecker Zeitung« eine Notiz, daß im Grünewaldschen Verlage eine Broschüre bezüglich des Testaments des verstorbenen Pflüg herauskommen werde. Gegen Weihnachten begab sich im Auftrage Pflügs Generalagent Manfred Lewin zu Grünewald, um diesen zu sondieren. Grünewald erzählte hierbei, daß die Broschüre schon im Druck sei, er las einige den Pflüg kompromittierende Stellen vor und meinte, Pflüg täte am besten, die Sache totzumachen und die Broschüre für 10000 Taler zu kaufen. Es wurde durch Vermittlung Lewins noch einmal hin und her verhandelt. Als aber alles erfolglos war, erschien in der Tat die Broschüre: »Das Testament des verstorbenen Herrn G.T. Pflüg in Lübeck und dessen Ausführung, durch den Testamentsvollstrecker Böhl v. Faber.« In dieser Broschüre wurden dem Schwager Pflügs, Herrn Böhl v. Faber, zahlreiche strafbare Handlungen nachgesagt und von Pflüg allerlei schmutzige Geschichten erzählt. Die Broschüre war von Sponholz, der den Auftrag zum Druck erteilt hatte, mit Hilfe von Grünewald und Moser ausgearbeitet worden.

      Der Angeklagte Lodomez bestritt, in dieser Angelegenheit sich irgendeiner Erpressung gegen Pflüg schuldig gemacht zu haben. Er habe von Otten den Auftrag gehabt, sich mit Pflüg zur Regulierung der Angelegenheit in Verbindung zu setzen und dafür 30-40000 Mark versprochen erhalten. Er habe Pflüg geraten, die Sache mit Geld aus der Welt zu schaffen. Die Korrespondenzen mit Pflüg gab er zu; er habe aber nicht 30000 Mark, sondern 3000 Mark verlangt. Er habe die Ottenschen Papiere nur zur Information an v. Schleinitz übergeben, nachdem dieser sein Ehrenwort verpfändet hatte, sie niemandem zu zeigen. Später sei Grünewald zu ihm gekommen und habe ihm die Papiere unter dem Vorwande abgelockt, daß die daraufhin abzufassende Broschüre, zu welcher er das einzelne Material nachher noch ergänzt, dazu dienen solle, um die Einverleibung Lübecks vorzubereiten und der Regierung zu zeigen, welche Zustände in Lübeck herrschen.

      Vors.: Reden Sie doch nicht solchen Unsinn! Was hat denn diese Skandalbroschüre mit der Einverleibung Lübecks zu tun?

      Angekl.: Mir ist ein anderer Zweck nicht bekannt.

      Grünewald erklärte auf Befragen des Vorsitzenden, daß die Broschüre von Sponholz und Moser verfaßt worden sei. Er habe aus den Ottenschen Schriften ersehen, daß in der Erbschaftsgeschichte ein Betrug vorliege, und da sich Pflüg um den Hoflieferantentitel beworben, habe er dies durch die Broschüre vereiteln wollen.

      Vors.: Reden Sie doch nicht so ins Blaue hinein. In den betreffenden Papieren befinden sich Gutachten namhafter Rechtsanwälte, welche über die Rechtsfrage sehr im Zweifel waren, und da kommen Sie, ein Mensch ohne Bildung, ein früherer Kellner, und wollen behaupten, es liege ein Betrug vor?

      Grünewald: Ich hatte diesen Eindruck und wollte mit der Broschüre nur ein buchhändlerisches Geschäft machen.

      Der Vorsitzende verlas alsdann einige von Grünewald und Schleinitz an Pflüg gerichtete Briefe. In einem schrieb Grünewald: Er habe gehört, daß ein Redaktionsmitglied des »Börsen-Kuriers« gegen Pflüg ein »Revolverstück« verübt und 1200 M. angeblich auch für den »Unabhängigen« erhalten habe. Er müsse seine Redakteure gegen solche Insinuation energisch schützen und bitte deshalb um Auskunft. In einem anderen Brief erklärte Grünewald: Es sei ihm nunmehr bekannt, daß Schleinitz der Mann sei, der die 1200 M. in Empfang genommen, doch habe er (Grünewald) kein Geld erhalten. Es wurde alsdann eine Anzahl Briefe des von Schleinitz an Georg Pflüg in Lübeck verlesen. In einem Briefe warnte v. Schleinitz Pflüg vor Lodomez, der ein sehr gefährlicher Mensch sei; es sei mit ihm nur mit äußerster Vorsicht zu verkehren. Ganz besonders dürfe ihm nichts Schriftliches überantwortet werden, da ihm alles zuzutrauen sei.

      In einem anderen Briefe verwahrte sich v. Schleinitz gegen eine Verwechslung des Urhebers der Broschüre mit ihm; er habe nur das Erscheinen der Broschüre angekündigt. Solange Pflüg ihm vertrauen werde, werde er ihm stets nützlich sein. Auch deutete v. Schleinitz an, daß er ihm den Hoflieferantentitel durch Geheimrat v. Thielemann beschaffen werde. Nachdem er Pflüg den Tag des Erscheinens der Broschüre mitgeteilt, riet er den Ankauf des Manuskripts zu einem hohen Betrage an.

      Die Angeklagten Sponholz und Moser behaupteten: Grünewald habe durch die Broschüre nur Revanche dafür nehmen wollen, daß Pflüg ihn verdächtigt habe, durch 600 Mark bestochen zu sein.

      Lodomez: Er habe in der ganzen Sache wie ein Diplomat gehandelt; er habe Pflüg wie die Sünde gehaßt, da dieser ihn schmählich behandelt habe. Er habe deshalb mit der Broschüre Rache nehmen und der Reichsregierung dienen wollen.

      Rentier Otten, Lübeck, bekundete als Zeuge: Er habe den Namen Lodomez als Agenten der Pflügschen Firma erst aus den Zeitungsnotizen über dessen antisemitisches Auftreten erfahren. Er habe Lodomez aufgesucht, ihm seinen Rechtsstreit mit seinem Schwager Pflüg vorgetragen, die nötigen Papiere überlassen und ihn gebeten, eine Vermittlerrolle zu übernehmen. Gleichzeitig habe er ihm gesagt, daß es ihm am liebsten wäre, wenn er die Erbansprüche seiner Frau, die sich auf einige 100000 M. beliefen, in Bausch und Bogen verkaufen könnte. Er habe später Lodomez einen Revers unterschrieben, wonach er diesem 50000 M. zahlen sollte, wenn er selbst in der Streitsache etwas ohne Lodomez unternehmen würde. Später habe Lodomez 5 % von der zur Auszahlung kommenden Erbschaft als Provision beansprucht. Einen Auftrag, mit den Schriftsachen an die Öffentlichkeit zu treten, habe er Lodomez nicht erteilt.

      Kommerzienrat Hübener: Lodomez habe sich ihm mit der Offerte genähert, Herrn Otten die Erbschaftsansprüche abzukaufen. Er habe diese Offerte nicht abgelehnt, später aber die Verbandlungen abgebrochen, da Lodomez von ihm verlangte, er solle, um einen Druck auszuüben, einen anonymen Brief an Pflüg richten, daß man schlecht über ihn spreche.

      Der aus der Haft vorgeführte Rentier Reuter bestätigte als Zeuge, daß Pflüg ihm eines Tages mitgeteilt habe, er hätte 200 M. für ein Börsenblatt und den »Unabhängigen« bezahlen müssen. Er habe dem ihm bekannten Grünewald darüber Vorstellungen gemacht, dieser habe den Empfang von Geld abgeleugnet. Später habe sich herausgestellt, daß v. Schleinitz der Geldempfänger gewesen sei. Agent Manfred Lewin: Er habe gesprächsweise von Moser und Grünewald gehört, daß sie die Broschüre für 30000 M. an Pflüg verkaufen möchten.

      Buchdruckereibesitzer Erdmann: Er habe die Broschüre gegen Pflüg in 1000 Exemplaren für einen Preis von 110 Mark gedruckt. Er sei nur mit Sponholz in Verbindung getreten, der sich als Redakteur des »Unabhängigen« ausgegeben und einen Teil des Druckpreises bezahlt habe. Den Rest habe Pflüg in Lübeck auf Veranlassung des Kriminalkommissars Höft entrichtet.

      Am zweiten Verhandlungstage wurde ein Aufruf verlesen, den die Redaktion des »Unabhängigen« an die Redaktionen aller Berliner Zeitungen gerichtet hatte. In diesem Aufruf wurden die Redaktionen ersucht, »im öffentlichen Interesse« das Publikum vor den Gründungen von August Sternberg, insbesondere der Vereinsbank, zu warnen. Alsdann wurden mehrere Artikel aus dem »Unabhängigen« unter

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