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Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band. Hugo Friedländer
Читать онлайн.Название Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band
Год выпуска 0
isbn 9783754958056
Автор произведения Hugo Friedländer
Издательство Bookwire
Der Angeklagte Lodomez bestritt, in dieser Angelegenheit sich irgendeiner Erpressung gegen Pflüg schuldig gemacht zu haben. Er habe von Otten den Auftrag gehabt, sich mit Pflüg zur Regulierung der Angelegenheit in Verbindung zu setzen und dafür 30-40000 Mark versprochen erhalten. Er habe Pflüg geraten, die Sache mit Geld aus der Welt zu schaffen. Die Korrespondenzen mit Pflüg gab er zu; er habe aber nicht 30000 Mark, sondern 3000 Mark verlangt. Er habe die Ottenschen Papiere nur zur Information an v. Schleinitz übergeben, nachdem dieser sein Ehrenwort verpfändet hatte, sie niemandem zu zeigen. Später sei Grünewald zu ihm gekommen und habe ihm die Papiere unter dem Vorwande abgelockt, daß die daraufhin abzufassende Broschüre, zu welcher er das einzelne Material nachher noch ergänzt, dazu dienen solle, um die Einverleibung Lübecks vorzubereiten und der Regierung zu zeigen, welche Zustände in Lübeck herrschen.
Vors.: Reden Sie doch nicht solchen Unsinn! Was hat denn diese Skandalbroschüre mit der Einverleibung Lübecks zu tun?
Angekl.: Mir ist ein anderer Zweck nicht bekannt.
Grünewald erklärte auf Befragen des Vorsitzenden, daß die Broschüre von Sponholz und Moser verfaßt worden sei. Er habe aus den Ottenschen Schriften ersehen, daß in der Erbschaftsgeschichte ein Betrug vorliege, und da sich Pflüg um den Hoflieferantentitel beworben, habe er dies durch die Broschüre vereiteln wollen.
Vors.: Reden Sie doch nicht so ins Blaue hinein. In den betreffenden Papieren befinden sich Gutachten namhafter Rechtsanwälte, welche über die Rechtsfrage sehr im Zweifel waren, und da kommen Sie, ein Mensch ohne Bildung, ein früherer Kellner, und wollen behaupten, es liege ein Betrug vor?
Grünewald: Ich hatte diesen Eindruck und wollte mit der Broschüre nur ein buchhändlerisches Geschäft machen.
Der Vorsitzende verlas alsdann einige von Grünewald und Schleinitz an Pflüg gerichtete Briefe. In einem schrieb Grünewald: Er habe gehört, daß ein Redaktionsmitglied des »Börsen-Kuriers« gegen Pflüg ein »Revolverstück« verübt und 1200 M. angeblich auch für den »Unabhängigen« erhalten habe. Er müsse seine Redakteure gegen solche Insinuation energisch schützen und bitte deshalb um Auskunft. In einem anderen Brief erklärte Grünewald: Es sei ihm nunmehr bekannt, daß Schleinitz der Mann sei, der die 1200 M. in Empfang genommen, doch habe er (Grünewald) kein Geld erhalten. Es wurde alsdann eine Anzahl Briefe des von Schleinitz an Georg Pflüg in Lübeck verlesen. In einem Briefe warnte v. Schleinitz Pflüg vor Lodomez, der ein sehr gefährlicher Mensch sei; es sei mit ihm nur mit äußerster Vorsicht zu verkehren. Ganz besonders dürfe ihm nichts Schriftliches überantwortet werden, da ihm alles zuzutrauen sei.
In einem anderen Briefe verwahrte sich v. Schleinitz gegen eine Verwechslung des Urhebers der Broschüre mit ihm; er habe nur das Erscheinen der Broschüre angekündigt. Solange Pflüg ihm vertrauen werde, werde er ihm stets nützlich sein. Auch deutete v. Schleinitz an, daß er ihm den Hoflieferantentitel durch Geheimrat v. Thielemann beschaffen werde. Nachdem er Pflüg den Tag des Erscheinens der Broschüre mitgeteilt, riet er den Ankauf des Manuskripts zu einem hohen Betrage an.
Die Angeklagten Sponholz und Moser behaupteten: Grünewald habe durch die Broschüre nur Revanche dafür nehmen wollen, daß Pflüg ihn verdächtigt habe, durch 600 Mark bestochen zu sein.
Lodomez: Er habe in der ganzen Sache wie ein Diplomat gehandelt; er habe Pflüg wie die Sünde gehaßt, da dieser ihn schmählich behandelt habe. Er habe deshalb mit der Broschüre Rache nehmen und der Reichsregierung dienen wollen.
Rentier Otten, Lübeck, bekundete als Zeuge: Er habe den Namen Lodomez als Agenten der Pflügschen Firma erst aus den Zeitungsnotizen über dessen antisemitisches Auftreten erfahren. Er habe Lodomez aufgesucht, ihm seinen Rechtsstreit mit seinem Schwager Pflüg vorgetragen, die nötigen Papiere überlassen und ihn gebeten, eine Vermittlerrolle zu übernehmen. Gleichzeitig habe er ihm gesagt, daß es ihm am liebsten wäre, wenn er die Erbansprüche seiner Frau, die sich auf einige 100000 M. beliefen, in Bausch und Bogen verkaufen könnte. Er habe später Lodomez einen Revers unterschrieben, wonach er diesem 50000 M. zahlen sollte, wenn er selbst in der Streitsache etwas ohne Lodomez unternehmen würde. Später habe Lodomez 5 % von der zur Auszahlung kommenden Erbschaft als Provision beansprucht. Einen Auftrag, mit den Schriftsachen an die Öffentlichkeit zu treten, habe er Lodomez nicht erteilt.
Kommerzienrat Hübener: Lodomez habe sich ihm mit der Offerte genähert, Herrn Otten die Erbschaftsansprüche abzukaufen. Er habe diese Offerte nicht abgelehnt, später aber die Verbandlungen abgebrochen, da Lodomez von ihm verlangte, er solle, um einen Druck auszuüben, einen anonymen Brief an Pflüg richten, daß man schlecht über ihn spreche.
Der aus der Haft vorgeführte Rentier Reuter bestätigte als Zeuge, daß Pflüg ihm eines Tages mitgeteilt habe, er hätte 200 M. für ein Börsenblatt und den »Unabhängigen« bezahlen müssen. Er habe dem ihm bekannten Grünewald darüber Vorstellungen gemacht, dieser habe den Empfang von Geld abgeleugnet. Später habe sich herausgestellt, daß v. Schleinitz der Geldempfänger gewesen sei. Agent Manfred Lewin: Er habe gesprächsweise von Moser und Grünewald gehört, daß sie die Broschüre für 30000 M. an Pflüg verkaufen möchten.
Buchdruckereibesitzer Erdmann: Er habe die Broschüre gegen Pflüg in 1000 Exemplaren für einen Preis von 110 Mark gedruckt. Er sei nur mit Sponholz in Verbindung getreten, der sich als Redakteur des »Unabhängigen« ausgegeben und einen Teil des Druckpreises bezahlt habe. Den Rest habe Pflüg in Lübeck auf Veranlassung des Kriminalkommissars Höft entrichtet.
Am zweiten Verhandlungstage wurde ein Aufruf verlesen, den die Redaktion des »Unabhängigen« an die Redaktionen aller Berliner Zeitungen gerichtet hatte. In diesem Aufruf wurden die Redaktionen ersucht, »im öffentlichen Interesse« das Publikum vor den Gründungen von August Sternberg, insbesondere der Vereinsbank, zu warnen. Alsdann wurden mehrere Artikel aus dem »Unabhängigen« unter