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Handbuch des Strafrechts. Bernd Heinrich
Читать онлайн.Название Handbuch des Strafrechts
Год выпуска 0
isbn 9783811456655
Автор произведения Bernd Heinrich
Издательство Bookwire
c) Fehlen des Pflichtwidrigkeitszusammenhanges
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Hierfür genügt es im Übrigen, wenn auf Tatsachen gestützte, mehr als nur theoretische Zweifel daran verbleiben, dass ein pflichtgemäßes Verhalten den Erfolgseintritt verhindert hätte.[963] Abweichend hiervon will Roxin nach dem von ihm entwickelten „Risikoerhöhungsprinzip“[964] – im Falle des Unterlassens: Risikoverminderungsprinzip[965] – den Täter auch dann für den Erfolg verantwortlich machen, wenn er das Risiko für den Eintritt dieses Erfolges erhöht hat, ohne dass feststeht, dass der Erfolg bei einem pflichtgemäßen Verhalten des Täters mit Sicherheit ausgeblieben wäre. Die objektive Zurechnung des Erfolges soll also bereits dann erfolgen können, wenn das Verhalten des Täters zu einer gegenüber der Normalgefahr gesteigerten Gefährdung des Angriffsobjekts geführt hat, weil die jeweils in Betracht kommenden Sorgfaltspflichten auch zu beachten seien, wenn nicht sicher sei, ob dadurch Gefahren vermieden würden.[966] Bei Anwendung dieser ebenfalls Kausalität und Risikozusammenhang voraussetzenden Risikoerhöhungslehre wäre zwar der Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht verletzt,[967] der nach dieser Auffassung eben erst dann eingreift, wenn zweifelhaft ist, ob durch das sorgfaltswidrige Verhalten eine wesentliche Erhöhung des Risikos eingetreten ist oder nicht. Bei der Erfolgszurechnung kann aber weder die bloße Feststellung, dass eine Pflichtverletzung vorlag,[968] noch der Umstand, dass ein erhöhtes Risiko geschaffen wurde, für sich genommen genügen: Der Erfolg würde sich dann lediglich als Reflex der verletzten Schutznorm darstellen.[969] Notwendig ist vielmehr die Feststellung, dass das geschaffene Risiko sich in einem Erfolg realisiert hat,[970] da sonst letztlich Erfolgs- in Gefährdungsdelikte umgedeutet würden.[971]
2. Schutzbereich der verletzten Sorgfaltspflicht[972]
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Auch im Arztstrafrecht gilt der allgemeine Grundsatz fahrlässiger Erfolgsdelikte, dass eine Zurechnung des Erfolgs nur möglich ist, wenn sich gerade die durch die mangelnde Sorgfalt des Täters gesetzte Gefahr im eingetretenen Erfolg realisiert hat[973] und der Erfolg in den Schutzbereich der verletzten Sorgfaltspflicht fällt. Ein Erfolg, der auf ein sorgfaltswidriges Verhalten zurückgeführt werden kann, ist dem Täter dann nicht zurechenbar, wenn die verletzte Sorgfaltspflicht nicht den Zweck hat, Erfolge der herbeigeführten Art zu verhindern.[974]
a) Zeitliche Differenz des Erfolgseintritts
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Im Bereich des Arztstrafrechts wird der Aspekt des Schutzzwecks der verletzten Sorgfaltsnorm insbesondere bei einer zeitlichen Differenz beim Erfolgseintritt relevant. So hätte im Falle von BGHSt 21, 59[975] die vom Zahnarzt unterlassene Voruntersuchung der zu narkotisierenden, an einer Myokarditis leidenden Patientin durch einen Internisten einige Tage in Anspruch genommen, so dass der Todeserfolg – die Patientin starb infolge ihrer nicht erkannten Herzmuskelschwäche an der Vollnarkose – erst entsprechend später hätte eintreten können; ob der Internist die Herzschwäche erkannt hätte, war nicht mit hinreichender Gewissheit zu klären. Aber: Die Pflicht zur Untersuchung hatte nur den Zweck, die Narkosefähigkeit der Patientin zu klären und damit deren Leben und Gesundheit zu schützen, nicht aber, das Leben der Patientin gerade um die Dauer der Untersuchung zu verlängern; insoweit liegt also keine spezifische Pflichtverletzung vor.[976] Anders ist hingegen zu entscheiden, wenn statt einer Operation eine andersartige und weniger gefährliche medizinische Maßnahme (bspw. eine konservative Behandlung) mit dem Ziel einer Lebensverlängerung angebracht gewesen wäre. Hier kann dem Arzt der tödliche Ausgang der verfrühten Operation auch dann als fahrlässige Tötung zur Last gelegt werden, wenn feststeht, dass durch die konservative Behandlung die später durchgeführte Operation letztlich doch nicht hätte umgangen werden können und sie dann mit dem gleichen Risiko wie die jetzige belastet gewesen und unter Umständen ebenso tödlich ausgegangen wäre.
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Die Frage, worin die spezifische Schutzrichtung der verletzten Sorgfaltsnorm zu sehen ist, kann allerdings Schwierigkeiten bereiten.[977] Dies belegt bspw. die Entscheidung von BGH JR 1989, 382:[978] Der Arzt hatte bei einem Säugling einen Leistenbruch auf der falschen Seite operiert. Bei der Anschlussnarkose, die zur Korrektur dieses Behandlungsfehlers erforderlich war, kam es zu einem letztlich ungeklärten tödlichen Zwischenfall. Hier ist zu fragen, ob die ursprünglich unterlassene Untersuchung zur Feststellung der Operationsseite dem Lebensschutz oder dem Schutz der körperlichen Integrität dient. Da nur Letzteres in Betracht kommt, kann dem Täter der bei der zweiten Narkose eintretende Tod dann nicht zur Last gelegt werden,[979] wenn nicht auszuschließen ist, dass dieser Erfolg auf ein nicht feststellbares Herzleiden zurückzuführen war.
b) Dazwischentreten Dritter
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Insoweit könnte die Zurechnung des hierdurch bewirkten weiteren Erfolgs zum Verhalten des erstbehandelnden Arztes infolge des Verantwortungsprinzips[980] zu verneinen sein.[981] Wie auch sonst in Problembereichen der objektiven Zurechnung kann sich ein Arzt jedoch auf spätere Fehler anderer grundsätzlich nicht berufen. Unter Normzweckgesichtspunkten ergibt sich