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Diesen Weg bei Fahrlässigkeitsdelikten als allgemeingültige Lösung zu beschreiten, überzeugt zwar in Konstellationen nicht sonderlich, in denen gesetzlich vorstrukturierte Sorgfaltsanforderungen,[864] die generell ein drittschädliches Verhalten unterbinden sollen, vorliegen und eine Risikoschaffung insoweit abstrakt verboten ist (z.B. im Straßenverkehr durch die StVO). Diese Vorgaben können nicht herabgesetzt oder gar suspendiert werden, nur weil auch das Opfer „gegen sich selbst fahrlässig“ handelt:[865] Auch sonst wird im Strafrecht ein (überwiegendes) Mitverschulden des Opfers erst im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt. Beim Facharztstandard als Kriterium ärztlicher Sorgfaltswidrigkeit bestehen derartige Vorgaben aber nicht, im Gegenteil: § 630a Abs. 2 BGB gebietet eine Patienten-Behandlung nach Facharztstandard nur, „soweit nicht etwas anderes vereinbart ist“, siehe Rn. 73.[866]

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      Bei fahrlässigen Erfolgsdelikten gilt allgemein, dass auch eine zeitlich deutlich vor Eintritt der rechtsgutskritischen Situation – in der dem Täter dann sorgfaltsgemäßes Verhalten nicht (mehr) möglich ist – liegende Pflichtverletzung Fahrlässigkeitsstrafbarkeit zu begründen vermag.[867] Da es sich bei den Fahrlässigkeitsdelikten um in die Vergangenheit hinein offene Delikte handelt, kann bei fahrlässiger Tätigkeitsübernahme bzw.[868] Übernahmefahrlässigkeit[869]. angesichts persönlich nicht vorwerfbarer unmittelbarer Erfolgsverursachung auf ein objektiv und subjektiv pflichtwidriges Vorverhalten rekurriert werden.[870] Der Handlungsunwert fahrlässigen Verhaltens liegt in einer vorab erfolgten objektiven Sorgfaltswidrigkeit, dem der Erfolgsunwert nachfolgt. Dieses Nachfolgen kann relativ zeitnah ausfallen (etwa der Fehlschnitt bei einer Operation infolge Unaufmerksamkeit), aber eben auch einen zeitlichen Abstand aufweisen (bspw. bei einer zu einer Gesundheitsschädigung oder gar zum Tode des Patienten führenden Übernahme einer Krankenbehandlung durch einen hiermit überforderten Arzt[871]). Anders als beim Vorsatzdelikt mit seiner etwaigen Versuchsstrafbarkeit kann der Täter beim Fahrlässigkeitsdelikt nicht für den an den Tag gelegten Handlungsunwert (Pflichtverletzung) isoliert sanktioniert werden. Er wird erst für das hierdurch bewirkte Herbeiführen des Erfolgsunwertes zur Verantwortung gezogen,[872] also etwa für die Tötung eines Patienten. Auf diesen Erfolg bezogen bildet dann die zeitlich hiervon getrennte Verletzung von Verpflichtungen, die den Schutz von Leib und Leben des Patienten bezwecken (also etwa die Pflicht zur Fortbildung[873] oder zur präoperativen Voruntersuchung), einen Teil des Tatbestandes, nämlich den Handlungsunwert. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Erfolgsherbeiführung setzt dann die Feststellung derartiger Vorab-Pflichten voraus.[874] Diese Annahme einer zeitlich mehr oder weniger deutlich vor der unmittelbaren Erfolgsherbeiführung liegenden Pflichtverletzung stellt allerdings nur dann eine hinreichende Legitimation für strafrechtlich zu verstärkende Verhaltensanweisungen dar, wenn sie mit der allgemeinen Handlungsfreiheit des Täters vereinbar ist.

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      Es ist in arztstrafrechtlichen Konstellationen insoweit wie folgt zu unterscheiden: Anknüpfungsfähige Tathandlung etwa einer fahrlässigen Tötung kann bspw. nicht der unmittelbar zum Tode führende Operationsfehler sein, sofern es bei diesem Behandlungsfehler an der für eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit erforderlichen persönlichen Vorwerfbarkeit des Arztes fehlt (ultra posse nemo obligatur). Vielmehr ist auf den Beginn der operativen Tätigkeit des Arztes ohne entsprechend aktualisierte Kenntnisse abzustellen. Ein sorgfaltswidriges Verhalten kann also nicht nur mehr oder weniger zeitgleich zur unmittelbaren Erfolgsherbeiführung (etwa Unaufmerksamkeit während der Operation), sondern hiervon mehr oder weniger deutlich abgesetzt vorab vorliegen (Übernahme einer Krankenbehandlung ohne entsprechende Fortbildung oder bei unzureichender Ausstattung[875]).[876]

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      Gegen eine strafrechtliche Verantwortung des Arztes unter dem Aspekt der Übernahmefahrlässigkeit kann nicht eingewandt werden, dass – seine Sorgfaltswidrigkeit (bspw. Übernahme der Krankenbehandlung ohne hinreichende Fortbildung oder Weiterbehandlung trotz Komplikationen, die die Kompetenz des ursprünglich zulässigerweise die Behandlung Übernehmenden übersteigen[877]) hinweggedacht – das unmittelbare Tatgeschehen möglicherweise entsprechend abgelaufen wäre, also etwa der Behandlungsfehler ihm unter Umständen auch als hinreichend fortgebildet gedachten Arzt unterlaufen wäre. Diese Überlegung ändert nichts an der Zurechnung des Erfolgs zur in der Behandlungsübernahme liegenden Pflichtwidrigkeit, ohne dass hierbei auf die abzulehnende Lehre von der Risiko-Erhöhung[878] zurückgegriffen werden müsste: Bezüglich des wertend zu ermittelnden hinreichenden Pflichtwidrigkeitszusammenhanges[879] steht ja fest, dass das in Beziehung auf die später angerichteten Folgen sorgfaltswidrige Schaffen einer menschlichen Gefahrenquelle (durch Behandlungsübernahme) sich im konkreten Erfolg realisiert hat. Ein Hinzudenken von Ersatzursachen verbietet sich auch hier.[880]

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      Für ihre Annahme ist entscheidend die – notwendigerweise einzelfallabhängige – Feststellung, aber auch Eingrenzung einschlägiger Sorgfaltspflichten, so dass grundsätzlich auch die Frage nach einer zeitlichen Begrenzung fahrlässigen Verhaltens durch sachgerechtes Konturieren entsprechender Vorab-Pflichten aufgeworfen ist.[881] So wird im Falle einer ohne hinreichende Vorkenntnisse durchgeführten ärztlichen Operation angesichts der tatstrafrechtlichen Konzeption des StGB das Versäumen einer entsprechenden Vorlesung als Student anders als ein Nicht-Besuch einer einschlägigen Weiterbildungsveranstaltung im Vormonat oder das Unterlassen einer voroperativen Diagnostik nicht zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit führen können.[882]

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      Für die Statuierung einschlägiger Sorgfaltspflichten kann auf den Ansatz zurückgegriffen werden, den überzeugend Stratenwerth[883] als Grundlage einer die verschiedenen Fallkonstellationen übergreifenden Lehre vom Vorverschulden allgemein dahingehend formuliert hat, dass strafrechtlich sanktionierte Pflichten rückläufig durchaus die Verpflichtung einschließen, einen Zustand zu bewahren oder herzustellen, in dem der Täter fähig ist, diese Pflichten zu erfüllen. Eine Herleitung dieser Sorgfaltspflichten aus den Verbotsvorschriften selbst (vorliegend also aus den §§ 222, 229 StGB) ist möglich, nämlich unter dem Aspekt einer Effektuierung dieser Vorschriften.[884] Der Annahme derartiger Verhaltenspflichten im Vorfeld einer Erfolgsbewirkung steht nicht entgegen, dass Strafvorschriften verhaltensleitend wirken sollen: So entfalten im Falle der Übernahmefahrlässigkeit (bspw. bei Durchführung einer Operation ohne hinreichende Voruntersuchung des Patienten oder Übernahme einer Behandlung, der der Täter mangels Sachkunde[885] oder sächlicher Ausstattung nicht gewachsen ist[886]) die §§ 222, 229 StGB in der Krise der „eigentlichen“ Tathandlung (also im Beispiel: bei Durchführung der Operation) für den Täter mangels persönlicher Fähigkeit zur Normbefolgung keine Güter des Patienten schützenden Verhaltensrichtlinien. Diese Vorgaben waren dem Täter im Vorfeld als Gebot zur Gefahrenminimierung[887] auferlegt („Du musst Deinen Patienten hinreichend untersuchen, wenn Du ihn morgen einer Operation unterziehen willst“). Der prospektive Täter steht also durch die pauschale Strafandrohung der §§ 222, 229 StGB bereits im Vorfeld der unmittelbaren Güterbedrohung in der (erst bei nachfolgendem Eintritt eines rechtlich missbilligten Erfolges relevanten) Pflicht, bei konkreten Anzeichen dafür, dass sein Verhalten Leib oder Leben des Patienten gefährden könnte, hinreichende Maßnahmen hiergegen zu treffen, also bspw. die Operation nicht oder nur nach hinreichender Diagnostik durchzuführen.[888] Eine derartige wie auch sonst beim Fahrlässigkeitsdelikt aus der Vorhersehbarkeit schadensträchtiger Kausalverläufe herzuleitende Verhaltensanleitung kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Freiheitsschutzes als zu unbestimmt eingestuft werden.[889]

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