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Voraussetzungen für das Handeln von T schuf. A ist demnach für den Tod des B kausal geworden, selbst wenn der Schlag der T den Tod bewirkt hat, wovon zugunsten der A auszugehen ist. Wird jedoch zu Gunsten der A unterstellt, dass der Schlag der T den Tod bewirkt hat, fehlt es aber an einer Schaffung oder Erhöhung einer unerlaubten Gefahr durch A, welche sich im konkreten Erfolg realisiert hat. Insofern ist die Gefahr von drei Schlägen nicht die, dass man durch einen vierten Schlag eines Dritten stirbt. Dann wäre A nicht gem. § 212 StGB, sondern nur gem. §§ 212, 22, 23 StGB wegen versuchter Tötung strafbar (vgl. zu Versuchsprüfung später, Rn. 405).

      Zu Gunsten von T ist wiederum davon auszugehen, dass bereits die ersten Schläge der A den Tod herbeigeführt haben, sodass der Erfolg auch bei Hinwegdenken der Handlung der T nicht entfiele. Damit scheidet für T eine Strafbarkeit gem. § 212 StGB schon mangels nachweisbarer Kausalität aus. Jedenfalls ist aber auch sie gem. §§ 212, 22, 23 StGB zu bestrafen, sofern sie – wovon auszugehen ist – nicht wusste, dass B zu diesem Zeitpunkt bereits tot war.

      Hinweis: Für T lässt sich mangels nachweisbarer Kausalität kein anderes Ergebnis vertreten. Für A dagegen lässt sich hier durchaus auch die Auffassung einer vollendeten Tötung vertreten, indem man die von ihr geschaffene (abstrakte) Gefahr genügen lässt, dass ein Dritter (hier: die Tochter) die Situation zu weiteren Schlägen ausnutzt.[107] Sie sehen daran, dass fast jedes Ergebnis vertretbar ist, sofern man bei der objektiven Zurechnung mit der Gefahr argumentiert. Ein schwerer Fehler wäre es allerdings, die Zurechnung mit dem Argument zu bejahen, dass der Erfolg ohne das Handeln der A nicht bewirkt worden wäre; denn damit bewegt man sich wieder in den Bahnen der Kausalität und verdeutlicht dem Korrektor, dass man den Unterschied zwischen Kausalität und objektiver Zurechnung in Wahrheit doch nicht kennt. Zur Frage der Behandlung einer möglichen Rechtfertigung oder Entschuldigung, die sich im Originalfall aufgrund der sog. Haustyrannenproblematik stellt, vgl. u. Rn. 138 f.

      Achtung Klausur: Das Ergebnis – ein Toter, aber nur zwei Versuche – überrascht Studierende häufig und wird von ihnen als unangemessen empfunden. Aber das zu Unrecht, weil die Lösung eine Folge des Grundsatzes in dubio pro reo ist. Es lässt sich vielfach in der Rechtswirklichkeit die Täterschaft mangels Beweisen nicht zuordnen. Dann lautet das Ergebnis sogar: Ein Toter und überhaupt keine Strafbarkeit. Vorliegend reichen die Beweise wenigstens für eine Versuchsstrafbarkeit, aber eben nicht für eine Verurteilung aus dem vollendeten Delikt! Deshalb sind auch in Fällen der sog. kumulativen Kausalität nur zwei Versuche anzunehmen. Wenn also A und B dem C in Tötungsabsicht unabhängig voneinander 0,1 g Gift geben und C nur durch das Zusammenwirken des Gifts getötet wird, so ist zwar Kausalität gegeben (s. o. Rn. 34), nicht aber ist die objektive Zurechnung zu bejahen, denn es ist nicht die typische Gefahr von 0,1 g Gift, dass das Opfer durch 0,2 g stirbt.[108] Anders ist es bei der alternativen Kausalität (s. o. Rn. 34), denn dort ist nicht nur jede Giftmenge für sich gesehen ursächlich, sondern es realisiert sich im Tode auch die Gefahr bereits einer Dosis (die 0,1 g realisieren sich im Tode, unabhängig davon, dass sich auch die weiteren 0,1 g darin ausgewirkt haben).

      § 3 Die subjektive Zurechnung (Vorsatz)

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      Vorsatz[1] wird in der Kurzformel beschrieben als Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. In der Klausur kann man sich allerdings auf diese Kurzformel allenfalls in ganz unproblematischen Fällen beschränken.[2]

I. Die Wissensseite im Vorsatz (kognitives Element)

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      Sie liegt vor, wenn der Täter sich derjenigen Umstände bewusst ist, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören.

      Beispiel: Jäger J vergisst, dass im Gebüsch sein Jagdkollege K sitzt. Er schießt, weil er den furchtbar hässlichen K für einen Keiler hält, und trifft ihn tödlich.

      Lösung: Im Moment des Schusses ist dem J die von § 212 StGB vorausgesetzte „Menschqualität“ des anvisierten Objektes nicht bewusst. D. h. er kann allenfalls nach § 222 StGB bestraft werden.

      Bei deskriptiven Begriffen, d. h. solchen Begriffen, die im Allgemeinen der sinnlichen Wahrnehmung zugänglich sind (z. B. Mensch, Sache, Tier), genügt es, wenn der Täter diese Gegenstände auch tatsächlich sinnlich wahrgenommen hat.

      Bei normativen Begriffen, d. h. bei solchen Begriffen, deren Feststellung lediglich durch Wertung erfolgen kann (z. B. fremd, Urkunde, Sachbeschädigung), muss der Täter den Bedeutungsgehalt geistig verstanden haben.[3]

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      „Kenntnis der Tatumstände und ihres Bedeutungsgehalts erfordert nicht die richtige Subsumtion unter ein Tatbestandsmerkmal, sondern nur die Kenntnis des vom Gesetzgeber unter Strafe gestellten Sachverhalts und seines Bedeutungsgehalts“[4] (= Parallelwertung in der Laiensphäre). Andernfalls könnte nur der Jurist bestimmte Straftaten begehen.[5]

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      Beispiel 1: Student A lässt am Porsche des Professors P die Luft aus den Reifen heraus. In der Hauptverhandlung wegen Sachbeschädigung lässt er sich dahingehend ein, dass so etwas doch keine Sachbeschädigung sein könne. Er habe geglaubt, dass Sachbeschädigung ein „Kaputtmachen im Sinne eines Reifenaufstechens“ voraussetze, und außerdem müssten in Deutschland derartige Späße erlaubt sein. Strafbarkeit des A?

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      Lösung: Sachbeschädigung nach § 303 I StGB ist jeder nicht ganz unerhebliche Eingriff in eine Sache, der zu einer nicht nur unerheblichen Substanz- oder Gebrauchsbeeinträchtigung führt.[6] Voraussetzung des Vorsatzes ist nicht, dass der Täter unter eine Strafvorschrift genau subsumieren kann. Entscheidend ist vielmehr bei normativen Begriffen, dass er den Bedeutungsgehalt des jeweiligen Merkmals erfasst hat. Dies ist hier der Fall, weil er wusste, dass er durch das Herauslassen der Luft die Brauchbarkeit des PKW aufhob. Dass A sich eine andere Vorstellung vom Sachbeschädigungsbegriff machte, ändert daher nichts daran, dass er sich der Bedeutung des Verhaltens, das der Gesetzgeber unter Strafe stellt, bewusst war (hinreichende Parallelwertung in der Laiensphäre). Der Subsumtionsirrtum des A schließt daher seinen Vorsatz nicht aus. Die Tatsache, dass A geglaubt hat, derartige Späße müssten erlaubt sein, kann allenfalls einen – bei gehöriger Gewissensanspannung vermeidbaren – Verbotsirrtum begründen, bei dem die Strafe nach § 17 S. 2 StGB gemildert werden kann (fakultative Strafmilderung).

      Achtung Klausur: Wenn Sie sich klar machen, dass dem Täter, um eine hinreichende Parallelwertung in der Laiensphäre zu haben, nur dasjenige bewusst gewesen sein muss, „was der Richter definiert“, dann laufen alle Fälle grundsätzlich nach demselben Schema und setzen nur eine genügende Definitionskenntnis im Besonderen Teil voraus. Das zeigt auch folgendes bekanntes

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      Beispiel 2: A streicht auf seinem Bierdeckel einen Strich der Kellnerin weg. In der Hauptverhandlung wegen Urkundenfälschung erklärt er, er habe nicht gewusst, dass ein Bierdeckel eine Urkunde sei.[7]

      Lösung: Eine Urkunde ist jede menschliche verkörperte Gedankenerklärung (Perpetuierungsfunktion), die ihren Aussteller – zumindest im Wege der Auslegung – erkennen lässt (Garantiefunktion) und zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist (Beweisfunktion).[8]

      Diesen Bedeutungsgehalt hat A erkannt, da er wusste, dass er die zum Beweis bestimmten Zeichen der Kellnerin in ihrem Beweiswert verändert hat. Selbst A wird zugeben müssen, dass ihm dieser Bedeutungsgehalt seines Verhaltens bewusst war, da es ihm ja gerade darum ging, den Sinngehalt zu verändern, um Geld zu sparen.

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