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Zivilprozessrecht. Irmgard Gleußner
Читать онлайн.Название Zivilprozessrecht
Год выпуска 0
isbn 9783811475212
Автор произведения Irmgard Gleußner
Серия JURIQ Erfolgstraining
Издательство Bookwire
b) Formeller Parteibegriff
109
Im Zivilprozess gilt der sog. formelle Parteibegriff. Die Parteien werden formell aus der Klageschrift bestimmt. Parteien sind diejenigen, die in der Klageschrift als Kläger und Beklagter namentlich bezeichnet sind. Das sind die beiden Parteien des Rechtsstreits. Ob zwischen ihnen tatsächlich materielle Ansprüche bestehen, wird erst bei der Begründetheit (Aktivlegitimation des Klägers, Passivlegitimation des Beklagten) geprüft.
Welche Konsequenzen hat ein Tippfehler oder eine irrtümliche Falschbezeichnung der Partei in der Klageschrift? Ungenaue oder unrichtige Angaben sind unschädlich und können vom Richter von Amts wegen jederzeit korrigiert werden (§ 319 ZPO), sofern die Identität der Parteien gewahrt bleibt.[69] Bei „Mehrdeutigkeit“ ist grundsätzlich die Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung getroffen werden sollte. Damit kann ein falscher Vorname oder eine falsche Rechtsform (GmbH statt AG) jederzeit berichtigt werden. Hat der Kläger aber tatsächlich einen falschen Beklagten (gewollt) benannt, bleibt dieser Beklagter.[70] Wird die Klage versehentlich einem Dritten zugestellt, wird dieser nicht Partei (er ist ja nicht in der Klageschrift bezeichnet) und der „echte Beklagte“ auch nicht (mangels Zustellung).[71]
Ausgangsfall
Mona ist Klägerin, die Firma V-GmbH ist in der Klageschrift als Beklagte bezeichnet. Damit sind diese beiden die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits. Es gilt der formelle Parteibegriff. Ob Mona tatsächlich gegen die V-GmbH einen Anspruch aus § 437 BGB hat, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit.
2. Parteifähigkeit
110
Die am Prozess Beteiligten müssen parteifähig sein. Die Frage der Parteifähigkeit ist stets von Amts wegen zu prüfen (§ 56 ZPO). Sie ist Prozessvoraussetzung und Prozesshandlungsvoraussetzung. Wird über die Parteifähigkeit gestritten, ist die Partei bis zur gerichtlichen Klärung als parteifähig zu behandeln.[72] Fehlt die Parteifähigkeit beim Kläger oder Beklagten, ist die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen.[73] Nach § 50 ZPO entspricht die Parteifähigkeit der Rechtsfähigkeit nach materiellem Recht. Parteifähig sind demnach alle natürlichen und juristischen Personen.
Hinweis
Materielles Recht und Prozessrecht laufen hier parallel.
a) Natürliche Personen
111
Natürliche Personen (= Menschen) sind ab Vollendung der Geburt bis zu ihrem Tod rechts- und damit parteifähig (§ 1 BGB).
b) Juristische Personen
112
Juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts sind rechts- und damit parteifähig. Hierzu gehören u.a. die Aktiengesellschaft (AG), der eingetragene Verein (e.V.), die eingetragene Genossenschaft (eG), die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), die Societas Europaea (SE) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Die „Parteifähigkeit“ ist ein besonders dynamisches ZPO-Thema. Die neueren Entwicklungen gehören zwingend zum Examenswissen. So ist die neue Rechtsform „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ (sog. Mini-GmbH), die in § 5a GmbHG geregelt ist, als juristische Person des Privatrechts ebenfalls parteifähig. Gleiches gilt für die ausländischen Rechtsformen der EU-Mitgliedstaaten (z.B. die englische Limited, deren Schicksal aufgrund des BREXIT derzeit ungewiss ist).[74]
c) Personengesellschaften
113
Nach §§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB sind auch OHG, KG und GmbH & Co. KG parteifähig. Gleiches gilt für die Partnerschaftsgesellschaft und die (neue) PartmbB (§ 7 Abs. 2 PartGG i.V.m. § 124 HGB). Auch die GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts = BGB-Gesellschaft) ist seit einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2001 analog § 124 Abs. 1 HGB parteifähig.[75]
114
Vertiefung zur „GbR“: Die Rechtsform der GbR ist in §§ 705 ff. BGB näher geregelt. Voraussetzung ist, dass sich mindestens zwei Personen zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks zusammenschließen. Typischerweise verwenden die freien Berufe die Rechtsform der GbR (Anwalts- und Steuerberaterkanzleien, Architektenbüros). Aber auch Handelsgewerbe, die keinen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordern (vgl. § 1 Abs. 2 HGB), können sich dieser Rechtsform bedienen. Mangels einer ausdrücklichen Regelung im BGB wurde die GbR lange Zeit als nicht parteifähig angesehen. Nach einer Entscheidung des BGH aus 2001 ist die GbR als Außengesellschaft nunmehr analog § 124 Abs. 1 HGB parteifähig. Sie kann daher unter ihrer Firma verklagt werden. Analog § 124 Abs. 2 HGB kann im Fall des Prozessgewinns in ihr Vermögen (Konto, Büroeinrichtung etc.) vollstreckt werden. Vorteil dieser Rechtsprechung ist, dass eine GbR nunmehr unter ihrem Namen (z.B. Rechtsanwälte Meier & Kollegen) klagen und verklagt werden kann. Man muss nicht mehr alle Gesellschafter (z.B. 17 Anwälte) namentlich in der Klage bezeichnen. Außerdem muss die Klage nicht umgestellt werden, wenn im Laufe des Prozesses ein Gesellschafter ausscheidet oder ein neuer hinzukommt. Achtung: Eine Besonderheit gilt bei Grundstücken. Ist die GbR Eigentümerin eines Grundstücks, sind nach § 47 Abs. 2 S. 1 GBO neben der GbR auch die Gesellschafter im Grundbuch einzutragen. Bei Grundstücksprozessen sollten daher die GbR-Gesellschafter von Anfang an im Rubrum aufgeführt werden. Denn andernfalls kann ein gegen die GbR erworbener Titel nicht in das Grundbuch vollstreckt werden.[76] Neben der GbR können auch die einzelnen Gesellschafter analog § 128 HGB verklagt werden. Hierfür ist ein eigener Prozess gegen den Gesellschafter erforderlich (§ 129 Abs. 4 HGB analog).
JURIQ-Klausurtipp
Die GbR ist seit der Entscheidung des BGH im Jahr 2001 ein „Dauerbrenner“. Daher sollten Sie die wesentlichen Eckdaten der BGH-Rechtsprechung sowie der Gesetzgebung kennen. Seit 2013 gibt es die neue Rechtsform PartmbB (§ 8 Abs. 4 PartGG), die gerade für Anwaltskanzleien besonders attraktiv ist.
d) Wohnungseigentümergemeinschaften
115
Wohnungseigentümergemeinschaften wurde lange Zeit die Parteifähigkeit abgesprochen. Mittlerweile ist der Gesetzgeber tätig geworden und hat im Jahr 2007 die Parteifähigkeit von Wohnungseigentümergemeinschaften ausdrücklich in § 10 Abs. 6 S. 5 WEG verankert. Damit kann nun die „Wohnungseigentümergemeinschaft Birkenweg 1, Köln, diese vertreten durch den Verwalter XY“ klagen und verklagt werden.[77]
e) Nicht rechtsfähige Vereine
116
Vereine, die nicht im Vereinsregister eingetragen sind, sind nicht rechtsfähig und können daher eigentlich keine Träger von Rechten und Pflichten sein. Nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 50 Abs. 2 ZPO sind nicht rechtsfähige Vereine seit 2009 aber sowohl aktiv als auch passiv parteifähig und können daher Kläger und Beklagte sein. Ebenso wie die GbR kann der nicht eingetragene Verein nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden, sondern nur die Mitglieder als Gesamthand.
f) Zusammenfassung
117
Ausgangsfall