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Pflichtverletzung des § 266 stellt laut BGH ein „stark normativ geprägt[es] objektives Tatbestandsmerkmal“[31] dar. Prima vista fasst der BGH damit die Pflichtverletzung als normatives Tatbestandsmerkmal auf. Allerdings sagt die Normativität eines Tatbestandsmerkmals noch wenig über den Charakter des Merkmals aus. Auch Blankett- bzw. tatbewertende Merkmale sind insofern „normativ“, als sie durch die Hinzunahme einer außertatbestandlichen Wertung auszufüllen sind. Zudem stimmt die Einordnung der Pflichtverletzung als normatives Tatbestandsmerkmal nicht mit den Ausführungen des BGH zum Irrtum über die Pflichtverletzung überein:

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      Da sich der 3. Strafsenat des BGH ohnedies eines Rückgriffs auf „einfache“ Formeln ausdrücklich verschließen möchte, wird man aus der Rechtsfolge des Irrtums über die Pflichtwidrigkeit keinen zulässigen Schluss auf die möglicherweise zugrunde liegende dogmatische Einordnung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals ziehen dürfen. Im Gegenteil, eine solche Handhabung könnte der vom Senat eingeforderten „differenzierenden“ Betrachtung widersprechen.

      Teil 1 Einführung in die Problematik › B › II. § 266 als „Garantietatbestand“ (Art. 103 Abs. 2 GG)

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      Teil 1 Einführung in die Problematik › C. Grundlagen

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      Die Identifizierung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals in § 266 als normatives Tatbestandsmerkmal, als Blankett- bzw. tatbewertendes Merkmal erlangt für den gesetzlichen Tatbestand und Garantietatbestand nach überwiegender Ansicht zentrale Bedeutung. Zum Verständnis ist es daher sinnvoll, sich zunächst mit dem Tatbestand des § 266 und den grundlegenden Begrifflichkeiten näher vertraut zu machen.

      Teil 1 Einführung in die Problematik › C › I. Der Tatbestand der Untreue, § 266 Abs. 1

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      Der Tatbestand des § 266 ist unübersichtlich gestaltet. Nur mit Mühe sind die einzelnen Tatbestandsmerkmale der beiden Varianten herauszulesen. Das Verständnis der Strafvorschrift wird erleichtert, wenn die drei Satzteile gesondert betrachtet werden. Der erste Satzteil betrifft die „Missbrauchsvariante“ der Untreue:

      Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht […].

      Der zweite Satzteil wird als „Treubruchsvariante“ bezeichnet:

      […] oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eine Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt […].

      Der dritte Satzteil bezieht sich im Ausgangspunkt auf beide Varianten:

      […] und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, […].

      Lange Zeit war unklar, ob auch für die Missbrauchsvariante die aus dem Relativsatz des dritten Satzteils gelesene Vermögensbetreuungspflicht zu fordern ist. Die Antwort ist davon

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