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der G…«

      »Odin! Der graue Wanderer Odin! Da steht er, hohoo! Seht her!«

      »Herr Professor, bitte!«

      Als der Oberste der nordischen Götter nun sprach, rechnete Mara trotzdem fest mit der deutschen Synchronstimme des Schauspielers Ian McKellen. Sie war allerdings auch keine Sekunde enttäuscht, als sie Odins wohlklingenden Bass im Magen spürte. Das war mehr Gänsehaut, als es von den Viechern gab auf der Welt! Boah …

      »Heimdall Menschenfreund«, brummte Odin gutmütig und half dem alten Wächter wieder auf die Beine. »Die Asen danken dir für deine Wachsamkeit über das Vergessen hinaus. Ehre sei dir und Dank. Wiewohl ist es, wie du sagst, und doch ist nicht alles verloren. Denn auch wenn die Menschen Midgards mich vergaßen, so nennen sie wohl doch noch oft meinen Namen.«

      Da trat ein weiterer Gott nach vorn. Er wirkte noch viel älter als Heimdall oder Odin, sein Gesicht war von Narben übersät. Auch er schien an Festigkeit zuzunehmen, bis auf seinen rechten Arm. Der blieb verschwunden.

      »Der einarmige Tyr. Vielleicht der älteste aller Asen«, murmelte Professor Weissinger.

      »Du sprichst wahr, denn auch ich spüre, was du sagst, Odin«, sprach der alte Gott. »Man sagt auch meinen Namen, und ich erstarke. Seelenlos wird er gesprochen, und ungewohnt klingt er. Aber ich bin es, den sie nennen. Und doch huldigen sie mir nicht.«

      Zwei weitere Gestalten traten vor, und Mara erkannte den einen sofort. Es war Thor oder Donar, wie man ihn hierzulande genannt hatte. Sein Gesicht mit den breiten Wangenknochen und dem kantigen Kinn hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt, seit sie ihn auf seinem irrsinnigen Fischzug begleitet hatten, wo er versucht hatte, die Midgardschlange zu angeln.

      Die andere Gestalt war eine Frau, und Mara musste unwillkürlich an die Frauenquote denken, über die sie in Sozialkunde debattiert hatten. Sieh mal an, die Asen hatten freiwillig eine Frau im Vorstand, dachte sie. Nicht genug für die Quote, aber immerhin.

      »Mein Gemahl«, sprach die Frau und griff Odins Hand. »Auch ich spüre es: keine Riten, keine Opfergaben … und doch nennt man mich.«

      Der Professor grübelte. »Odin, Tyr, Thor, Frigg … was könnte der Grund sein, dass ausgerechnet die vier … Hm …«

      Er fasste Mara am Arm, um nicht den Kontakt zu verlieren, und zog sanft daran. »Komm mit, ich will die genauer ansehen, wer weiß, wann ich das noch einmal erleben darf!«

      Mara folgte ihm widerwillig, denn ihr war die Situation nach wie vor unheimlich. Trotzdem gingen sie nun langsam im Kreis und sahen sich die Götter ganz genau an. Die nahmen von ihnen weiterhin keine Notiz, waren auch ohnehin genug mit sich selbst beschäftigt.

      »Odin, Tyr, Thor oder Donar … Frigg oder Frija … Ich hab’s! Natürlich, die Wochentage! Es sind die Wochentagsnamen!«, rief der Professor plötzlich aus. »Der englische Wednesday ist Odins Tag, Wodens Day

      »Ich weiß, das hab ich …« begann Mara, aber der Professor war schon voll in Fahrt. »Tyrsdagr ist unser Dienstag, dazu Donarstag und der Friday, Frjadagr, der Freitag! Das ist die Erklärung, Mara! Verstehst du nicht?«

      »Wann hätte ich denn sagen sollen, dass ich was verstehe? Sie lassen einem ja nicht mal ein Komma«, gab Mara etwas beleidigt zurück. Denn die Sache mit den Wochentagen wusste sie ja in der Tat schon lange. Das war eins der ersten Dinge, die sie im Internet über die alten Götter rausgefunden hatte.

      Allerdings machte das wirklich Sinn. Die Menschen nutzten die Wochentagsnamen millionenfach täglich, ohne wirklich zu wissen, dass darin die Namen alter Götter versteckt waren. Und der Effekt war nicht viel anders als bei dem verdammten Feuerbringer! Sie schöpften Kraft daraus, obwohl damit kein wirkliches Glaubensbekenntnis verbunden war.

      Man konnte ja auch keiner der Schwurbelhexen vorwerfen, dass sie an den großen Loge glaubten. Trotzdem hatte das stupide Wiederholen der Zeilen eine Wirkung. Wohl nicht so viel, wie ein richtiges Gebet mit echtem Glauben voller Hingabe gesprochen, aber immerhin genug, um Loge für kurze Zeit zu einem übermächtigen Gegner werden zu lassen, der unter anderem ganze Armeen von Untoten aus dem Boden holen und gegen sie antreten lassen konnte.

      »Wohlan«, brummte Odin gerade. »Dann sei der Menschen Aufgabe, was die Götter nicht mehr vermögen.«

      »Ein Mensch?«, fragte Heimdall und sah Odin erstaunt an. »Du willst einen Menschen zu Loki schicken?«

      »Allvater, bei Thrymrs gespaltenem Haupt!«, schaltete sich auch Thor polternd ein. »Was soll ein Menschlein ausrichten gegen einen Gott, sei er gefesselt oder nicht?«

      »Oh, keinen gewöhnlichen Menschen, mein Sohn«, entgegnete Odin. »Es gilt, einen zu finden, in dem die alte Gabe noch lebt.« Mit diesen Worten griff der oberste nordische Gott in den Trümmerhaufen und hob ein Stück seines geborstenen Thrones heraus. Er umschloss das ehemals so aufwändig vergoldete Stück Edelholz, und sein verbliebenes Auge wendete sich für einen Moment so weit nach innen, dass Mara nur das Weiße seines Augapfels sah. Trotzdem konnte sie den Blick nicht abwenden, denn sie war sehr aufgeregt. Das ist es, jetzt komm ich! Gleich geht’s um mich!, schoss es ihr immer und immer wieder durch den Kopf. Auch der Professor blinzelte zu ihr herüber und war ganz Ohr.

      »Ein Menschenkind mit den Fähigkeiten zu sehen und zu hören«, hob Odin feierlich an zu sprechen. »Gefäß für unsere Kräfte, so wir sie freiwillig geben und geben können … für die Magie der Asen ein Fass.«

      Da haben wir’s jetzt, dachte Mara, und sofort stieg ihr der Frust bis hoch in den Hals. Es stimmt also doch! Ich bin echt nur ein Gefäß. Ein Fass auch noch, na toll. Nix als ein Dings, wo man Götterkräfte reintut, und dann schubst man mich in die richtige Richtung. Und ich Vollrind denk dabei doch immer wieder, Wunder, wie toll ich das hinkriege, und huihui, was ich alles kann, und dabei bin ich nur der Erfüllungshirni? Vielen Dank, das hab ich jetzt wirklich gebraucht!

      Dem Professor war anzusehen, dass er genau wusste, was Mara nun dachte, und er wollte gerade etwas sagen, als Odin weitersprach:

      »Möge dieser Mensch die Last der Götter in ein Geschenk für die Welt verwandeln, auf dass die Erde gerettet wird.«

      Mara musste sich sehr zusammenreißen, um nicht loszuschreien. Die Last in ein Geschenk verwandeln? Wie soll das denn gehen? Hallo Erde, ich hab da ein Geschenk für dich! Ich hab all meine Probleme hier in dieses Päckchen gepackt, mit Schleifchen drumrum in Rosa! Hach, du wirst erstaunt sein, Welt, denn meine Probleme sind nämlich witzigerweise eigentlich die deinen. Bitte mach es aber erst auf, wenn ich ganz, ganz weit weg bin. Ich bin nämlich der Geschenkeschlumpf, und ich will nicht dabei sein, wenn es Bumm macht und die Götterdämmerung aus der Torte hüpft, bis dann!

      »Und der Name dieses Menschen ist …«

       Kapitel 5

      Was?, dachte Mara Lorbeer, als sie sich völlig unvermittelt auf der Straße wiederfand. Sie sah sich um und starrte in das Gesicht von Professor Weissinger.

      Der Professor verzog das Gesicht.

      »Zahnputzzeug ist in deinem Koffer, stimmt’s?«

      Mara war nicht in der Stimmung für Witze, aber vermutlich war das gerade eben nicht mal witzig gemeint. Verstohlen hauchte sie sich kurz in die hohle Hand und sog die Luft durch die Nase ein. Oh. Kein Witz. Um Gottes willen. Um davon abzulenken, versuchte Mara trotz massivem Frustaufkommen irgendwie ein Gespräch in Gang zu bringen. »Wieso war das jetzt plötzlich vorbei? Da geht das so ewig, und dann fehlt der Schluss.«

      Der Professor schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, das musst du die beiden da fragen.« Doch die beiden Raben machten nicht den Eindruck, als hätten sie dem Ganzen noch etwas hinzuzufügen.

      Sofort platzte es aus Mara heraus: »Schon klar, dass ihr jetzt wieder nix sagt! Hauptsache, ich weiß, dass ich ein Fass

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