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seines ehemaligen Schützlings in Dallas.

      Smith, ein Waisenkind und ohne große schulische Bildung, war in der ersten Runde gedraftet worden und erhielt deshalb einen Garantievertrag über fast 1,5 Millionen Dollar im Jahr. Aber mit seinen 19 Jahren und ohne eine persönliche Betreuung an seiner Seite war er den Herausforderungen des Profi-Lebens einfach nicht gewachsen.

      Eine Konstellation, die der kaum ältere Neuling aus Deutschland aus nächster Nähe erlebte und die ihn nicht gerade aufbaute. „Ich habe ihn ewig nicht gesehen“, sagte er 2002 nach einem Spiel gegen die Atlanta Hawks, bei denen Smith schließlich nach einer Odyssee gelandet war. „Hoffentlich nutzt er die Gelegenheit und bleibt in der Liga.“ Das gelang Smith nicht.

      Es war nicht Nowitzkis Schuld, in diesem darwinistisch geprägten Milieu gelandet zu sein, nachdem er nach einigem Nachdenken und mit gesunder Skepsis den Avancen gefolgt und aus Würzburg nach Dallas umgezogen war. Es war noch sehr viel weniger seine Schuld, dass er nach den ersten Spielen plötzlich wie die Symbolfigur für die Dauermisere und für das radikale und scheinbar verschwenderische Laborexperiment des Basketball-Düsentriebs Don Nelson wirkte.

      Es war auch nicht seine Schuld, dass man ihn wegen seiner Fähigkeit, einen Sprungwurf aus fast allen Distanzen zu versenken, schon auf dem ziemlich hohen Draftplatz Nummer neun aus dem Pool der Nachwuchsspieler gezogen hatte – noch vor dem höher eingeschätzten Paul Pierce. Oder dass er von seinem Trainer Don Nelson zu einem Kandidaten für die Auszeichnung Rookie of the Year – den besten Nachwuchsspieler der Saison – hochgejubelt wurde, was eher wie Hohn klang und nicht wie eine kluge Beurteilung der Nowitzkischen Leistungen.

      Das Problem war einfach die fehlende Vorstellungskraft so vieler angeblicher Experten, die aber auch rein gar nicht zu erkennen imstande waren, was der Förderer und persönliche Trainer Holger Geschwindner gesehen hatte: Eine Zukunft. Eine Entwicklungslinie. Einen neuen Typ von Basketballer.

      So vermochte kaum jemand mal an Dingen vorbeizusehen, die jedem sofort ins Auge fielen.

      Nowitzkis Körper? Angeblich zu dünn.

      Sein Defensivverhalten? Angeblich zu linkisch.

      Seine Punktausbeute? Angeblich zu dürftig.

      Sein Spielverständnis? Angeblich zu europäisch fremd.

      Dabei war es ganz normal bei jemandem in seinem Alter, davon auszugehen, dass er Zeit brauchen würde, sich zu entwickeln. Was sich in seiner zweiten Saison deutlicher abzeichnete, als der junge Deutsche wenigstens hin und wieder das Niveau erreichte, das man ihm zugetraut hatte. Wohl auch deshalb behielt Don Nelson noch mehrere Jahre seinen Posten. Und Dirk Nowitzki klang von da an etwas froher: „Letztes Jahr haben mich viele Leute aufgegeben“, sagte er. „Ich bin Trainer Nelson dankbar, dass er mir eine Chance gegeben hat.“

      Von der wachsenden Stabilität im Team profitierte auch Nowitzki in seiner Entwicklung zu einem überragenden Basketballprofi, der auch noch kommende Generationen durch seine Einzigartigkeit inspirieren wird: So wie er wirft niemand. So sicher trifft kaum einer in den schwierigsten Lagen. Und so stoisch hält niemand durch und gewinnt dann nach dreizehn mühsamen Jahren, schlussendlich, das Championat, von dem sich der Ausnahmestatus eines Spielers nun einmal ableitet.

      Aber zurück zum Frühjahr 1999.

      Ich flog damals von Dallas mit einem schlechten Gefühl nach Hause. Einem Gefühl, das einen immer beschleicht, wenn man weiß, welche Erwartungen und welche Einschätzungen in der Redaktion existieren: dass ich die gewünschte Geschichte nicht liefern konnte, weil sich das Würzburger Talent ganz und gar nicht im Begriff befand, Amerika zu erobern und sich zum Super-Star zu entwickeln. Scheu war er. Und durchaus willens, das Ganze höchst realistisch zu betrachten und schlimmstenfalls nach drei Jahren mit Ablauf seines Vertrages in seine Heimat zurückzukehren.

      „Ich bin so jung“, hatte er ein paar Tage vor unserem Treffen gegenüber Marc Stein gesagt, der den nervös gewordenen Lesern der Dallas Morning News ganz offensichtlich ein wenig Mut machen wollte, damit sie nicht vollends in Zynismus versinken. Die Welt käme schon noch in die Reihe, versprach der Deutsche. „Wenn ich 22 oder 23 bin.“

      Mir gegenüber, in seiner Muttersprache, formulierte er solche Gedanken lieber in der dritten Person Singular und schuf sich so jene mentale Distanz, um die Lage zu skizzieren. Wir brauchten deshalb gar nicht erst über Details zu reden. Der Stand der Dinge ließ sich deutlich genug auch so erfassen. „Klar, in ein paar Situationen ist man traurig oder enttäuscht“, sagte er mir, und ich reichte dies an die Leser des Magazins weiter.

      So wie den Gedanken, den er damals hinzufügte und der zu einer Art Motto seiner Karriere wurde und sich auch heute noch als letzter Satz in dem Artikel ganz gut liest, der am 22. April 1999 an den deutschen Kiosken ausgeliefert wurde. „Aber da“, sagte er, „muß man durch.“

      Es ist ratsam, diesen Satz noch ein bisschen nachklingen zu lassen, wenn man sich mit Dirk Nowitzki beschäftigt, dessen Biographie eine Moritat darüber ist, wie jemand im Spitzensport von heute nur dann ganz oben ankommen kann, wenn er es verkraftet, dauernd zu scheitern und sich trotzdem nicht von seinem Ziel abbringen lässt: den Gewinn der Meisterschaft in einer Liga, in der solche unumstrittenen Stars wie Michael Jordan, Kobe Bryant und Shaquille O’Neal, LeBron James und Steph Curry spielen und gespielt haben. Wo es für den Teenager in Würzburg Vorbilder gab, die er verehrt hatte, ohne jemals auch nur im Traum daran zu denken, gegen solche Leute auf dem Platz zu stehen.

      Seine sportliche Laufbahn ging dann doch in Amerika weiter, wo er immer wieder Niederlagen und Rückschläge verkraften musste und gleichzeitig einer tiefschürfenden Beschäftigung mit der ganz offensichtlichen Frage auswich, die jeden umtrieb, der den Verdacht hatte, dass die ganze Chemie in Dallas nicht stimmte, um etwas wirklich Herausragendes zu erreichen. Wieso setzt sich jemand angesichts der Misserfolge nicht aus einem solchen Milieu ab? Wieso glaubt er einem monomanischen Clubbesitzer wie Mark Cuban, dass der schon alles Notwendige tun werde? Wieso lässt einer nicht mittelmäßige Mitspieler und Trainer hinter sich und sucht woanders den Erfolg?

      Dirk Nowitzki war offensichtlich nicht daran interessiert, intensiv über Alternativen nachzudenken. Er probierte lieber das aus, was der Schriftsteller und Existenzialist Albert Camus in seiner Schrift „Der Mythos des Sisyphos“ als „Philosophie des Absurden“ bezeichnet hatte. Er machte weiter, trainingsfleißig, unermüdlich und mit einer störrischen Lakonie. Wozu es unter anderem gehörte, die vielen Verballhornungen zu akzeptieren, die amerikanische Wortspiel-Artisten mit seinem Namen veranstalteten.

      Hier wurde er zum Bespiel Dork genannt statt Dirk – ein Slangwort, das eine unbeholfene und gesellschaftlich nicht akzeptierte Person beschreibt. Man nannte ihn Irk, was gleich auf zwei Sprachebenen funktionierte. Denn einerseits heißt „irk“ ärgern und andererseits charakterisierte das Wort auf bestechende Weise die Defensivschwächen des Power Forward, der in der Nähe des eigenen Korbs oft ziemlich verloren aussah: „There is no D in Dirk“. Was darauf abzielte, dass das „D“ im Sprachgebrauch der Basketballer die Abkürzung für Defense war, die Defensivarbeit.

      Am härtesten aber war wohl das Etikett No-win-ski. Das streifte er erst im Juni 2011 ab. Seitdem nannte man ihn lieber No-quit-ski. Der Mann, der niemals aufgegeben hatte. Ein Typ wie geschnitzt aus der Denkwelt von Albert Camus: „Darin besteht die verborgene Freude des Sisyphos. Sein Schicksal gehört ihm. Sein Fels ist seine Sache. […] Der absurde Mensch sagt ja, und seine Anstrengung hört nicht mehr auf.“

      Das gilt in einem sehr viel bescheideneren Rahmen auch für mich. Ich habe seit dieser Begegnung in Dallas nie mehr aufgehört, ihn und seine Weggefährten so genau wie möglich zu beobachten und in fast jeder Saison mindestens einen Text zu schreiben, der sein Schicksal und seine Karriere nachzeichnete. Eine Perspektive aus der Halbdistanz und unbeeindruckt von irgendwelchen Emotionen.

      In diesem Buch finden sich die markantesten Einzelbeispiele. Diese Texte – die wie ein Scheinwerfer auf die einzelnen sportlichen Entwicklungsphasen eingehen – skizzieren nicht nur seinen Weg, sondern werfen auch ein Licht auf die Leistungsgesellschaft NBA, die zwar amerikanische Wurzeln, aber längst einen globalen Zuschnitt hat. Etwa zwanzig Prozent der knapp 450 Profis in der Liga kommen wie Nowitzki aus dem Ausland.

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