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ein Institut im Maschinenbau leitete, ist nur ein Beispiel für das Dazwischensein. Als Mensch und Christ sitzt man in der Regel auch »dazwischen« – hin- und hergerissen zwischen der Realität des Lebens und den Leitgedanken der Bergpredigt.

      Für mich ist klar: Mensch und Christ sein, das gehört untrennbar zusammen. Sowohl in meiner Professorentätigkeit als auch in meiner Beratertätigkeit für die OSTO®-Systemberatung, die meine Frau seit 1992 aufgebaut hat und durch die seitdem viele Unternehmen und Organisationen beraten und begleitet werden. Das Unternehmen gehört heute als umlaut transformation GmbH zur umlaut SE, einem weltweit präsenten Beratungsunternehmen.

      16 Kinder und beide Eltern berufstätig – das geht

      Es ist etwas Unternehmerisches in mir, und etwas – ich will es einmal Missionarisches nennen. Und das reicht wohl weit in unsere Familienhistorie zurück. Mein Urgroßvater mütterlicherseits, der seine Frau im Alter von 16 Jahren heiratete, war Mitglied der Basler Mission, die damals eine große Missionsstation in Indien aufbaute. Den Aufbau der Missionsstation überließ er dann aber seiner Frau. Er baute unterdessen in der Umgebung der Missionsstation fünf Fabriken auf. Missionieren ist ja schön und gut. Aber die Absolventen der Missionsstation müssen anschließend auch in Lohn und Brot. Offenbar war ihm bewusst, dass zum Menschsein nicht nur Sinn gehört, sondern auch Arbeit und Absicherung.

      Die beiden hatten übrigens, so ist es überliefert, 16 Kinder, von denen sich immer nur die jüngsten drei in Indien aufhielten. Die älteren wurden nach Deutschland zurückgebracht und wuchsen bestens in der Verwandtschaft auf.

      Eine christliche Familie, in der beide Eltern voll berufstätig waren mit insgesamt 16 Kindern! Für mich habe ich aber in meinem Urgroßvater eine Spur von mir selber entdeckt: Mitten in der Welt und ihren Problemen sein und die Verhältnisse verbessern ist die eine Seite der Medaille. Aber gleichzeitig Räume schaffen, in denen Menschen die Gegenwart Gottes finden können, ist die andere Seite der Medaille.

      Die Kunst der kleinen Lösung

      Vor diesem Hintergrund, sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, möchte ich Ihnen in den folgenden Kapiteln zeigen, wie man lernen kann, die Komplexität und Dynamik zu meistern – und das mit einem kleinen Detail. Mit einer kleinen Lösung. Die ausgesuchten Beispiele stammen überwiegend aus Tätigkeiten, die ich im Laufe meines Lebens ausgeübt habe oder an denen ich beteiligt war. Sie spiegeln in gewisser Weise mein Dasein als Wanderer zwischen den Welten wider. Doch sie haben immer eines gemeinsam: Die meisten komplexen Situationen lassen sich, wenn überhaupt, nur mit kleinen Lösungen meistern.

      Das habe ich sowohl als Hochschulprofessor, als Dekan, als Unternehmer, als Berater, als Christ in katholischer, evangelischer oder freikirchlicher Umgebung – und nicht zuletzt als Mensch gelernt. Die Lösungen sind oft kleiner als gedacht. Und es ist eine Kunst, sie zu erkennen und so Komplexität zu meistern.

      Je komplexer die Lage ist, desto mehr ist es notwendig, aus der Vielzahl von Möglichkeiten die kleinen Eingriffe zu entdecken, die hoffentlich die gewünschte Wirkung auf das Ganze haben. Und nicht noch 100 unerwünschte Nebenwirkungen.

      Es zieht sich durch mein Leben, dass viele Dinge, die wir groß machen, die uns unüberwindlich scheinen, die sich vor uns auftürmen, sich doch lösen lassen. Schneller, pragmatischer und ungewohnter als gedacht. Und es gilt, die Kombination von Komplexität und Dynamik auszuhalten, gerade wenn man sie nicht ändern kann.

      Für dieses Buch habe ich in meinem Leben gesucht. Gefunden habe ich kleine Geschichten, überraschende Wendungen – und immer wieder Menschen, die geschickt gehandelt haben. Darin möchte ich jeden bestärken: Es lohnt sich, den Kampf, Komplexität zu beherrschen, aufzugeben – den gewinnt man sowieso nicht. Es lohnt sich aber, Komplexität zu meistern – unter Menschen und in Organisationen.

      Je komplexer die Lage, desto bedeutender werden die kleinen Eingriffe.

      In jedem Einzelnen stecken großartige Potenziale, die den Weg bereiten für kleine Lösungen. Klein in der Umsetzung, aber groß in der Wirkung. Diese Erfahrungen möchte ich mit Ihnen teilen. Ich freue mich über Ihr Interesse. Viel Vergnügen beim Lesen.

      II. WEGE ZU KLEINEN LÖSUNGEN

      1.»DAS ESSEN IST KALT!«

      Wie durch eine kleine Lösung bei der Essensversorgung 300 000 Euro IT-Kosten eingespart werden konnten

      Das Essen ist kalt. Auf den Stationen eines Universitätsklinikums kam das Essen kalt beim Patienten an. Ob Chirurgie, Innere oder Onkologie – jeden Tag das Gleiche. Schnitzel: kalt. Kartoffeln: kalt. Brokkoli: kalt. Zwei Drittel aller Speisen waren kalt, musste die Klinikverwaltung einräumen. Bei rund 600 Essen täglich ein peinlicher Zustand. Und nicht nur das, es war ein echtes Problem.

      Im Grunde ist es ein simpler Vorgang: Das Essen wird gekocht, kommt aus der Küche, wird auf Teller, Schalen und Tabletts gelegt, diese kommen in silberfarbene Essenswagen, und die wiederum werden im Haus verteilt.

      Doch dann verlor sich die Spur. Die Essenswagen mit den gestapelten Tabletts standen herum, weit mehr als eine Stunde. Jeden Tag kamen die Menüs nicht rechtzeitig zum Patienten. Das sorgte für Verdruss. Aber keiner fühlte sich verantwortlich. Keiner wusste, wie lange die Dinger schon auf den Gängen parkten. Keiner wusste irgendwas. Und wenn das Tablett dann endlich vor dem Patienten stand, das alte Lied: Schnitzel: kalt. Kartoffeln: kalt. Brokkoli: kalt.

      Die IT-Lösung war praktisch schon bestellt

      Der Vorstand meldete sich bei uns. Wir sollten ein Auge darauf werfen. »Woran liegt das?«, wollte der Vorstand wissen. »Das kann doch nicht sein.« Die Beschwerden würden sich häufen. Pflegepersonal und Patienten seien verärgert. Kein Ruhmesblatt für ein Universitätsklinikum. Man wurde unruhig. Das Essen ist ohnehin immer ein Streitpunkt im Krankenhaus. Aber sie hatten schon eine Idee: Für 300 000 Euro wollte man eine neue Software installieren. Diese sollte die Kostlieferung logistisch auf Vordermann bringen. Die IT-Spezialisten hätten ihnen eine sehr gute Lösung vorgeschlagen, hieß es: Eine Essenslogistik-Software, die registriert, wann das Essen die Küche verlässt, wo es sich befindet, wer es bekommt, wann es gegessen wird. Alles ließe sich wunderbar nachvollziehen. Sie waren fast entschlossen, die Software zu installieren. Doch vorher hatte sich der Vorstand bei uns gemeldet. Sie wollten die Sache noch einmal auf den Prüfstand stellen. Wir waren bereits in einigen Krankenhäusern und Gesundheitszentren als Berater tätig und hatten mehr als einmal erlebt, wie die Komplexität einer Klinik Management und Mitarbeiter an den Rand der Verzweiflung bringen kann.

      Im genannten Fall war das komplexe System »Essensversorgung« enorm ins Wanken geraten. Wir als systemische Berater sollten analysieren, was los war und wie das Essen schlussendlich warm und genießbar zum Patienten kommen kann.

      »Warum ist das Essen kalt?« Das war also die Frage, der wir im Team nachzugehen hatten. Wir machten ins in der Klinik auf die Suche nach Antworten. Gleich zu Beginn unseres Einsatzes stießen wir in den 15 Einzelkliniken auf eine Menge Mythen und Märchen, die im Umlauf waren, was das Essen betraf. Natürlich bekamen wir auch Handfestes zu hören: »Die in der Küche schlafen«, hieß es auf den Stationen. Damit war die Richtung klar: Schuldzuweisung. Und so ging es weiter. »Wir machen das Essen pünktlich fertig, der Transportdienst ist zu blöd, die Wagen auszuliefern«, sagten die Köche. Die Küche hatte also auch keine Schuld. Die Schwestern und Pfleger hatten grundsätzlich die Pflegeschüler und Azubis im Verdacht. Die wiederum konnten sich nicht wehren.

      Einfache Frage: »Warum ist das Essen kalt?«

      Und wenn sich die Ärzte wiederholt die Klagen von Patienten und Angehörigen anhören mussten und sie nicht auch noch mit kaltem Essen behelligt werden wollten, beschimpften sie später den Pflegedienst auf der Station – und der wiederum in guter Tradition die anderen Abteilungen: »Auf der Inneren läuft doch vieles nicht richtig – wie immer.« Kurz und gut: Immer sind die anderen schuld.

      Keiner hat Schuld – trotzdem ist das Essen kalt

      Das habe ich als Berater häufig erlebt: Niemals ist die eigene Berufsgruppe schuld. Niemals! Egal ob im Krankenhaus oder in einem Unternehmen. Die Ingenieure geben den Kaufleuten die Schuld. Die Kaufleute den Juristen.

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