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die Ermittlungen der Polizei hatten offenbar nicht das Auffinden der Verursacher zum Ziel, was vor allem in der internationalen Medienszene und unter kritischen Beobachtern ein starkes Kopfschütteln auslöste. Herr F. saß zum Zeitpunkt, als die Bombe hochging, im Kaffeehaus.

      Zufälligerweise saß auch ich dort (allerdings zu einem viel späteren Zeitpunkt), nämlich im Sitzgarten des Café Choco, genau dort, wo sich die Prachtpromenade des Korzo mit dem Platz der 128. Kroatischen Armeebrigade kreuzt. Als Dritter im Bunde befand sich am selben Ort ein Heuhaufen. Dieser brannte gerade lichterloh. Es handelte sich dabei nicht um einen ganz gewöhnlichen Heuhaufen, sondern um ein Kunstwerk des berühmten kroatischen Bildhauers Ivan Kožari´c. Sofort tauchten eine Menge ebenso brennender Fragen auf: Gehört der Brand zur Kunstinstallation dazu? Hat sich der Haufen selbst entzündet oder hat jemand eine Zigarette fallen gelassen? Unabsichtlich? Absichtlich? Die ganze Stadt war aus dem Häuschen. Schon am nächsten Morgen konnte man alle Antworten in der Zeitung lesen. Die Polizei begann eine akribische Untersuchung und der Bürgermeister versprach, umgehend für einen Ersatzheuhaufen zu sorgen. Im Hinblick auf die Gefahr, dass er wieder brennen könnte, wurde die Wiederaufbereitung auf den Spätherbst verschoben. In dieser Jahreszeit herrscht bekanntlich Dauerregen.

      Es dauerte nicht lange, da brannte ein fünfzackiger, roter Stern am Dach eines prominenten Hochhauses im Stadtzentrum. Dieser Brand löste eine ganze Reihe von Skandalen aus. Der erste entzündete sich nicht am Feuer, die empörende Ursache war der Stern selbst. In der Novi list wurde nun die Frage aufgeworfen, ob dieser rote Stern überhaupt auf das Dach des Hochhauses hätte gestellt werden sollen. Und ob man grundsätzlich etwas Kunst nennen sollte, dessen Zweck die reine Provokation ist. Wieso Kunst? Wieso Provokation? Dem Bürgermeister, der die Installation dieses Sterns höchstpersönlich genehmigt hat, schwillt der Kragen, das Kolorit seines Kopfes nähert sich der Farbe des Sterns, von nun an spricht er nicht mehr mit der Journaille. Diese lässt sich wiederum auch nicht lumpen und verbreitert den ohnehin nicht ganz schlanken Bürgermeister auf der Titelseite optisch auf ungünstige Weise. Was das für die Zukunft des Bürgermeisters bedeutet, kann man noch gar nicht abschätzen.

      Der nächste Skandal war, dass der Stern, der aufgrund des nicht brennbaren Materials fast unversehrt geblieben war, in der Nacht klammheimlich wieder abmontiert wurde. Von dieser geheimen Entfernungsaktion hatte die Novi list rechtzeitig Wind bekommen und exklusiv ein Reporterteam zum mutmaßlichen Tatort geschickt. Heimlich war es dem Künstler, der mit ein paar Kollegen auf das Dach geklettert war, um den Stern herunterzuholen, nachgestiegen. Als beide Mannschaften sich in luftiger Höhe plötzlich gegenüberstanden, entstand ein kleiner, nicht ganz ungefährlicher Tumult, im Zuge dessen der Künstler den Journalisten dringend empfahl, sofort zu verschwinden und alle bereits gemachten Fotos zu löschen, andernfalls sie sich selbst ins Unglück stürzen würden. Dies berichtete am nächsten Tag die Zeitung.

      Da mein Bewerbungsschreiben nicht ganz der Realität entsprochen hat (ich bin keine Journalistin, habe diesbezüglich auch keine Erfahrung und schon gar nicht mit dem Schreiben von Kolumnen), durchstöbere ich das Internet nach einem Online-Studium für Kolumnistik. Da aber weder dieser Begriff noch das Studium dafür existiert, entscheide ich mich für eine autodidaktische Ausbildung. Nach ein paar Recherche-Klicks habe ich mir rasch ein vielversprechendes Hausrezept für Kolumnen zusammengebastelt: Man nehme irgendein beliebiges Thema und mache es zu einer wichtigen Sache, am besten zu einem dringenden Problem. Dazu wiegt man ein paar Gramm Einleitung ab, welche die Angelegenheit kurz beschreibt, gibt einen Schuss Hintergrundinformation dazu, lässt dann eine Prise von seiner soeben gefassten, aber bereits fixen Meinung hineinrieseln, würzt mit etwas Provokation, rührt kräftig um, dann schneidet man von den Argumenten, die man rasch zu einem logisch erscheinenden Gedankengerüst zusammengeknetet hat, ein paar ordentliche Stücke ab, mischt sie darunter, verfeinert mit Spott oder Witz, lässt das Ganze an einem kühlen Ort ein bisschen rasten und setzt als Abschluss eine Pointe oben drauf. Fertig ist der Kolumnen-Eintopf! Jetzt brauche ich nur noch jemanden, der ihn stilgerecht servieren kann.

      Was hat es für eine Bewandtnis mit diesem Stern da oben, frage ich Nela, um das Gespräch hurtig auf hohem Niveau in Gang zu bringen. Nela ist die erste Anruferin. Sie hat mein Inserat gelesen und sofort zum Telefon gegriffen. Wir haben uns für den nächsten Tag verabredet und nun sitzen wir im Gastgarten des Café Choco, direkt gegenüber dem verbrannten Heuhaufen, von welchem jetzt nur noch eine rostige Eisenstange bekümmert in den Himmel starrt. Nela, eine kleine Frau mit rundem Gesicht und schlohweißen Haaren, hat mit Kartenspielen nichts am Hut, ist aber politisch sehr versiert und beginnt auf meine Frage wie eine wütende Wespe zu brummen und zu surren. Ich erschrecke ein bisschen, denn ich kenne sie ja erst seit zehn Minuten. „Das ist nicht irgendein Stern, sondern der Partisanenstern! Ein kommunistisch-jugoslawisches Symbol!“, zischt sie und wedelt eine Fliege vom Tisch. Aha, denke ich, damit will sie verständlicherweise nichts mehr zu tun haben. „Ich verstehe“, signalisiere ich, „und deshalb hat man ihn wohl wieder abmontiert?“ Ihre Antwort ist nicht ganz so, wie ich es erwartet habe. „Ja, das ist ja die große Frechheit! Der Partisanenstern soll gefälligst da oben bleiben!“ Eine Frage noch: „Aber warum …“ – weiter komme ich nicht. „Dieser Stern ist unsere Vergangenheit, ein Symbol für die Erfolgsgeschichte der sozialistischen föderativen Republik Jugoslawien. Es war eine wunderbare Zeit, viel besser als die heutige.“ Das war der Anfang einer langen und durchaus prickelnden Freundschaft.

      Café Bordel

      Die Polizei sucht den Urheber der Morddrohungen gegen Njemanja C., den Künstler des Partisanensterns. Auf eine Wand hat jemand groß „Wir werden dich richten, du verdammter Serbe“ geschrieben. Der Autor muss Analphabet sein, mutmaßt die Polizei, weil er die Wörter nicht getrennt hat, dafür aber ein Ausrufezeichen am Ende gesetzt und darunter die Buchstaben C und A, was ein allseits bekanntes Symbol der Armada ist. Als Armada wurde ursprünglich eine bewaffnete Streitmacht bezeichnet, der Ultra-Fanklub des Fußballklubs Rijeka heißt zufälligerweise auch so. Die größten Feinde dieser fußballerischen Armada sind die Mitglieder der Torcida, die Ultra-Fangruppe des Fußballklubs Hajduk der dalmatischen Stadt Split. Hajduken nannte man ursprünglich eine Gruppe bandenmäßig organisierter Gesetzloser. Man kann sich vorstellen, was passiert, wenn diese beiden Gruppierungen aufeinandertreffen. In Zeiten, in denen es keine Spiele und auch keine Ausschreitungen gibt, möchten einige Fans trotzdem nicht nur faul auf der Couch herumlümmeln, sondern sich bemerkbar machen, indem sie Hauswände mit orthografisch fragwürdigen Parolen verschönern.

      Der Bürgermeister, der seinen Boykott kurzfristig ausgesetzt hat, gibt der Zeitung Novi list ein Interview zu dieser mysteriösen Inschrift. „Leider kein Einzelfall, solche Inschriften wurden an mehreren Fassaden von Rijeka angebracht. Wir werden sie entfernen, sobald es aufhört zu regnen“, gibt er bekannt. Zunächst wird es aber erst einmal anfangen zu regnen. Der Herr Bürgermeister ist ein Fels in der Brandung. Auch in seiner sechsten Amtszeit stapft er tapfer durch die Straßen und versucht aus Leibeskräften, die vielen materiellen und immateriellen Löcher zu stopfen, welche der Stadt die Aura eines schwitzenden Emmentalers verleihen. Er hat als junger Mann Genmedizin studiert, liebt gutes Essen und Fußball, hat aber jetzt bald einmal die Nase voll von den Fußballfans und spekuliert damit, bald in Pension zu gehen.

      Ich treffe mich mit Nela diesmal im Café Bordel, das schon seit längerer Zeit seinem Namen nicht mehr gerecht wird, weshalb man ihm den neutralisierenden Beinamen La Grotta hinzugefügt hat. Aktuell ist es eine schmucke Café-Bar, ausgestattet mit ein paar Erinnerungsstücken an verflossene Tage und Nächte. Dazu gehören schwarz-weiße Fotografien von ehemals stadtbekannten Damen an den Wänden und eine Preistafel vor dem Eingang mit Sondertarifen für Matrosen und Soldaten. Dies wirkt offenbar nicht abschreckend genug, denn das Lokal ist gut besucht, wir setzen uns an die Theke und auf meine wiederholte Nachfrage schildert Nela in vier Abschnitten die Geschichte des Sterns. Erstes Kapitel: Der Künstler Njemanja C. hat für eine Ausstellung eine authentische Kopie des Grabsteins von Josip Broz Tito in einen Wandheizkörper für den Heimgebrauch umgewandelt und als Patent angemeldet. Er soll für ein großes Möbelhaus in Serienproduktion gehen. Das spricht sich natürlich herum. Zweites Kapitel: Das Hochhaus, auf dessen Dach der geschilderte Vorfall passierte, wurde im Krieg, als Rijeka von den Italienern besetzt war, von der italienischen

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