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      5. Evans aus Kanada

      Ein bildhübscher Mann mit ausgezeichneten Manieren. Er war vielleicht Anfang 30, hochgewachsen, schlank aber nicht dünn, dunkles, volles, leicht krauses Haar, schöne volle Augenbrauen, blaue Augen. „Hast du aber schöne blaue Augen“, sagte ich einmal zu ihm.

      Wir sprachen nie über das Alter, das war in New York so. Es war unwichtig. Die Menschen waren auf der Suche nach jemandem, der sie einigermaßen verstand, der sie wahrnahm, der nicht mit ihnen spielte, der sie vielleicht ein wenig mochte. Die meisten waren sehr einsam — es soll ja die einsamste Stadt der Welt sein, und trotzdem, oder gerade deshalb, zieht sie die Menschen magisch an.

      Eine Freundin hatte über ihren Ex, der beim TV arbeitete, Beziehungen zu Eintrittskarten für besondere Events. So kamen wir auf die Gästeliste zu einer Ausstellungseröffnung in Soho. Art and Out Rage. VIP. Sehr gut.

      Wir redeten, tranken Champagner, aßen Kanapees. Es war ziemlich voll und man konnte jede Menge Wichtigtuer und Quatschköpfe treffen. Bezüglich der Kunst würde ich sagen, etwas zu viel Nacktheit für New York und Verrücktes — zum Beispiel beschmierte ein Künstler Sandwiches mit Erdnussbutter und wickelte sie in Folie ein. Ich nahm eins mit und lagerte es über mehrere Monate im Kühlschrank, um zu testen, ob es zerfällt — es veränderte sich gar nicht. Als ich in ein neues Studio zog, landete es im Müll.

      Anschließend gingen wir noch in eine Bar. Wir stellten uns direkt an den Tresen. Irgendjemand lud uns zu einem Drink ein. Plötzlich stand Evans neben mir. Er kam auch von dieser Ausstellung. Er fand mich attraktiv und es dauerte nicht lange, bis wir uns berührten. Wir tranken, er kam mir immer näher, ich saß auf dem Hocker und er lehnte sich mehr und mehr an mich, strich über meine Haare. Er war auch ganz in Schwarz gekleidet und gefiel mir. Susanne war mit jemandem im Gespräch, irgendeinem Dänen.

      Wir nahmen zu dritt ein Taxi nach Hause. Erst setzten wir Susanne in der 57th Street West ab, dann fuhren wir bis zu mir, 88th East. Evans stieg mit aus. Ich sagte, er müsse nicht aussteigen. „Ich nehme dich nicht mit nach oben. Aber wenn du willst, können wir uns gern treffen.“ Wir redeten ein wenig, dann rief er eine Taxe und fuhr weiter Richtung Norden.

      Ein paar Tage später besuchte er mich. Meine Freundin aus Maryland war zu Besuch. Sie kochte Shrimps mit Reis. Er brachte den Wein. Sie war ganz begeistert von ihm. Wir schwärmten beide von seinem Charme, der so natürlich war. Für New York außergewöhnlich.

      Ich lud ihn ein, mit uns einen Freund zu besuchen, es war der Neue von meiner New York Freundin, die vor zwölf Jahren in New York hängen geblieben war, sich von jemandem schwängern, dann nach vier Jahren scheiden ließ und jetzt mit dem Kind alleine lebt. Carsten war für paar Monate im Jahr dienstlich in New York. Er arbeitete weltweit für eine deutsche Bank. In New York mietete die Bank für ihn ein riesiges Apartment, für 6.000 Dollar Miete monatlich. Er lud uns zum Abendbrot ein.

      Evans wollte erst nicht mitkommen, ich musste ihn überreden. Er kam dann direkt vom Büro dorthin. Als ich mit meiner Freundin, natürlich wie immer verspätet eintraf, war Evans schon da. War das ein tolles Apartment! Für so einen kleinen schlanken Mann viel zu groß, fand ich. Er wirkte in diesem Apartment sehr klein. Ein Neubau, 32.E 3rd Avenue, 30. Stock, riesige Fenster. Es scheint jetzt nicht mehr in New York verpönt zu sein, in andere Fenster zu sehen, die Neubauten waren fast alle einsehbar. Die meisten hatten nur Jalousien vor den Fenstern. Das Apartment war möbliert. Am besten fand ich die schicken, großen Bäder, die tolle Küche — die noch nie benutzt wurde, weil man ja den Cateringservice anruft — und das überdimensionale Schlafzimmer mit dem Kingsize-Bett.

      Carsten war an diesem Abend überfordert. Er hatte wohl nur Susanne erwartet.

      Wir bestellten Pizza. Evans kümmerte sich sehr galant um die Verteilung. Dann saßen wir drei Frauen und zwei Männer am großen runden Tisch und pokerten. Wir hatten viel Spaß. Zu trinken gab es reichlich. Wir haben schöne Erinnerungsfotos gemacht — ein ganz besonders schönes von Evans und mir. Ich sehe darauf so jung und schön aus, fand sogar meine Tochter — und wenn sie das sagt, stimmt`s. Ich saß natürlich zwischen Evans und meiner Freundin, die an dem Abend auch sehr hübsch aussah. Ja, wir waren alle glücklich. Meine Freundin beobachtete uns.

      Meine Freundin und ich verließen das Apartment und nahmen Evans mit. Wir wollten noch in einen Club, aber Evans musste früh raus und wollte nicht mitkommen. So teilten wir uns eine Taxe. Wir mussten als Erste aussteigen. Küsschen und tschüss. Wir hatten dann auch keine Lust mehr auf Disco.

      „Hast du gesehen, wie er dich ansah? Er verschlang dich förmlich“, meinte sie später auf dem Klappbett, wo der Abend bis ins Detail ausgewertet wurde. „Na und Susanne. Die mag Carsten gar nicht. Ihr geht es nur um den Spaß. Carsten dagegen ist ihr verfallen. Er ist einsam in New York und braucht einen ruhenden Pol. Sie wollte nicht über Nacht bei ihm bleiben. Wir haben sie gezwungen.“

      „Das kannst du doch nicht mit ihm machen“, sagte ich leicht wütend.

      Carsten war verheiratet. Aber bei dem Beruf — immer unterwegs — hält kaum eine Beziehung. Ich hatte das Gefühl, dass er seinen Stress mit Alkohol betäubte. Jeden Morgen holte ihn der Chauffeur ab. Er hatte einen sehr verantwortungsvollen Job.

      Evans wuchs in Kanada auf. Seine Eltern stammen aus Oman. Er hatte ein sehr freundliches Gesicht und war sehr gebildet. Er war eine Ausnahme von Mann. Er kam nach New York und arbeitete in einem Architekturbüro mit einem Partner zusammen. Er war an der New Yorker Uni immatrikuliert, um sein Architekturstudium zu beenden. Er war im Prüfungsstress und bat mich, mit ihm zusammen zu lernen. Es war Mai. Er schlug vor, in den Park am East River zu gehen. Er kam dann eines Sonntags, wir gingen zusammen einkaufen, kochten, gingen in den Park. Kaum saßen wir im Gras, fing es an zu regnen. Mit Lernen war nichts. Wir umarmten und küssten uns. Es dauerte nicht lange, und wir liefen im Regen wieder in mein Studio, das nur fünf Minuten entfernt war.

      Wir aßen und tranken Rotwein. Wir legten uns auf mein neues Klappbett, das natürlich ausgezogen war. Ich hatte es ja dann gegen das erste Bett, ein Singlebett, eingetauscht. Wir liebkosten uns. Er war sehr zärtlich. Ich war ganz gespannt auf den Sex mit einem anderen Mann. Er sah ganz anders aus, als mein Ex Lover Steve. Er war stark behaart.

      Evans war der erste Mann, der mir nach Beendigung einer außergewöhnlichen, langjährigen Beziehung in New York wieder gefiel. Die erste sexuelle Berührung mit einem Neuen erinnerte mich an meinen ersten sexuellen Kontakt nach der Schwangerschaft. Und er war der Erste, mit dem ich Sex in meinem eigenen Studio in Manhattan hatte. Mit den anderen männlichen Besuchern konnte ich mir keinen Sex vorstellen.

      Er gestand, dass auch er längere Zeit keinen Sex gehabt hätte. Er kam gerade aus einer Beziehung mit einer Amerikanerin, in die er mehr verliebt war als sie in ihn. Sie hatte mit ihm gespielt. Sie hat ihn ständig versetzt, oder, wenn sie mal kam, an seinem Essen herumgemäkelt.

      Wir vertrauten einander und ließen das Kondom weg. Wir beide waren voller Sehnsucht nach körperlicher Umarmung. Er streichelte mich ganz intensiv. Als er in mich eindrang, empfand ich Lust, ganz neue Lust. Ich war froh, mich endlich überwunden zu haben. Es war bei mir noch nie anders: Nach Beendigung einer Liebesbeziehung brauchte ich Zeit, bis ich mich wieder frei für ein neues Liebesabenteuer fühlte.

      Er blieb über Nacht. Morgens gegen sechs Uhr lag er angezogen neben mir und sagte: „Ich muss jetzt gehen.“ Er musste noch mal nach Hause und sich umziehen, bevor er ins Büro ging. Ich habe dann noch lange geschlafen und war sehr glücklich.

      Es war schön mit ihm. Er war mir sympathisch. Manchmal kam er direkt nach dem Büro zu mir. Ich bereitete mich auf seinen Besuch vor. Das war überhaupt eine meiner Lieblingsbeschäftigungen in New York — mich auf einen männlichen Besucher vorzubereiten.

      Es klingelte und ich öffnete. Er stand meistens schon direkt vor der Wohnungstür. Ich hatte ihn vormittags in der Firma angerufen. Er hatte mich gefragt, ob er nach der Arbeit noch mal nach Hause gehen solle oder gleich zu mir kommen könne. Er kam. Ich war nicht fertig — meine Haare waren ungeföhnt. Heute brachte er Kirschen und Rotwein mit. Es war ein sehr

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