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JEFF... ich heiße Jeff!. Silvia Beutl
Читать онлайн.Название JEFF... ich heiße Jeff!
Год выпуска 0
isbn 9783844274196
Автор произведения Silvia Beutl
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Meine Pateneltern zeigten mir, wie man Spaghetti richtig isst und vieles andere mehr. Wir machten Ausflüge. Ärzte und Rechtsanwälte, Landshuts Großbürger, gingen bei uns aus und ein. Ich sah, wie man sich in diesen Kreisen bewegt. Wie man sitzt, spricht und wo das Besteck liegt. Zurück im Kinderheim aß ich meine Spaghetti fortan so vorbildlich, wie es sich gehörte. Danach war ich der, der als letzter hungrig in den leeren Topf schaute und ihn abspülte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als den Rundschlag anzuwenden, um wieder im Rennen zu sein. Ich lernte, dass es zwei Welten gab und ich lernte, mich anzupassen. Ich hatte alles. Ich war glücklich. Doch irgendetwas, ich wusste nicht was, fehlte mir.
Meine Mam besuchte uns ein einziges Mal im Heim. Vielleicht war sie auch öfter da, ich erinnere mich nicht. Nur dieses eine Mal blieb in meinem Gedächtnis. Meine Mutter ging gerade die Treppen hinunter, mit meiner kleinen Schwester an der Hand, als ich sie sah. Ich rief nach ihr. Sie drehte sich um und freute sich, mich zu sehen. Sie tat so. Die Wohngruppe meiner Schwester lag ein Stockwerk über uns und sie war auf dem Weg nach unten an meiner Etage schon vorbei gegangen. Ohne stehen zu bleiben. Ohne nach mir zu sehen. Sie wollte gar nicht zu mir. Ich habe meine Mutter nie vermisst, und in dem Moment wusste ich, dass ich auch keinen Grund dazu hatte.
***
Der Ruf der Frauen
Mädchen waren tabu, die Kirche kein Thema und der Unterricht lief spannungslos dahin. Es blieb der Fußball. Jede freie Minute kickten wir, meine Brüder und ich. Vor der Schule, hinter der Schule, nach der Schule. Der Tritt ins Leder wurde mein Leben und weil ich schlau und faul war und viel Geld verdienen wollte, beschloss ich mit zwölf, Fußballprofi zu werden. Ich spielte mit Leidenschaft und ohne von meinem Leben irgendetwas anders zu erwarten als ein Tor. Bis zu dem Moment, in dem ich sie sah.
Ich stand mit meinem Spezi Franz am Autoscooter. Wir warteten auf die Signalhupe, um uns einen Wagen zu schnappen. Da stand sie, am anderen Ende und lachte. Die Welt blieb stehen. Ich, ein halbes Waisenkind, ein halber Schwarzer, ein Junge mit nichts als einem Fußball und einer riesigen Afromatte auf dem Kopf. Und da war sie. Sie hatte tatsächlich die gleichen Haare wie ich, nur länger. Meine Diana Ross. Und sie lächelte zu mir herüber. Die Autos hielten. Franz rannte los. Ich wollte zu ihr hinüber laufen und gleichzeitig weglaufen. Wie ferngesteuert rannte ich hinter Franz her, schwang mich in den Sitz und drückte meinen Chip in den Schlitz. Ein anderer Ablauf war nicht programmiert. Als ich mich setzte, stand der Heini von der Aufsicht auf unserem Wagen und versuchte mir von hinten den Sicherheitsriemen über den Kopf zu ziehen. Ich wusste nichts, schon gar nicht, was ich tun sollte, wenn mich ein Mädchen anlächelte. Aber dass es nichts Uncooleres gibt, als einen Sicherheitsgurt um den Hals und dass man sterben muss, wenn eine Frau das sieht, das war mir noch sicherer als das Amen in der Kirche. Ich zog den Riemen herunter. Die Fahrt ging los. Nie glitt ich schöner dahin - Franz steuerte - und jedes Mal, wenn wir an Diana Ross vorbeikamen, schaute sie mich an und lachte. Mein Herz ging auf. Meine Gedanken rasten. Fünf Runden war ich zu nichts in der Lage. Dann tat ich es: Ich strahlte zurück. Genau in dem Moment traf mich der Blitz. Ein Wahnsinniger schoss frontal in unseren Wagen und mein Lachen schlug ungebremst auf den Lenker. Das Adrenalin schoss in mir hoch. Hatte sie es gesehen? In der nächsten Runde fuhren wir wieder an ihr vorbei. Jetzt war ich in Übung. Wieder lachte ich sie an. Doch ihr Lachen gefror zu einer Maske. Ich schaute meine Kumpel Franz an.
"Hey Jeff, du hast ja keinen Zahn mehr!"
Mit der Zunge konnte ich es spüren. Beim Aufprall dachte ich, ich hätte einen kleinen Stein im Mund, den ich herunter schluckte, um ihn loszuwerden. Es war kein Stein. Es war mein Schneidezahn, der sich verabschiedet hatte. Als der Scooter stoppte, sprang ich heraus und rannte davon. Ich weiß nicht wohin, nur weg. Der Zahn war mir egal. Nur weg. Durch die guten Kontakte meines Patenvaters war mein Gebiss zwei Tage später wieder vollständig. Die Lücke in meinem Gedächtnis blieb. Das Schicksal strafte mich, weil ich in der Nähe dieses Mädchens sein wollte. Das war nicht erlaubt, sagte meine Erziehung. Derweil zog nichts meine Gedanken mehr an als sie.
Der Blitz traf mich wieder, als ich sie zum zweiten Mal sah. Völlig unerwartet stand sie neben mir, vor der Eisdiele. Mein Körper war komplett gelähmt. Das Eis lief mir über die Finger. Ich musste etwas tun. Ich musste handeln.
"Wo kommst du her?", fragte ich sie. Etwas anderes fiel mir nicht ein. Ich rechnete nicht damit, dass sie stehen bleiben würde. Doch sie antwortete. Vor lauter Aufregung hörte ich gar nicht, was.
"Und was machst du hier?", hörte ich mich weiter fragen.
Ich wusste gar nicht, ob ich das wissen wollte. Ich wollte nur, dass sie blieb. Während ihrer Antwort überlegte ich weiter, was ich sie noch fragen könnte, damit sie länger blieb. Sie lachte und ich fühlte mich durchsichtig. Sie sah, dass ich nichts zu bieten hatte. Dass ich ohne Sinn nur irgendwelche Fragen stellte, die vom Chaos in meinem Kopf auf meine Zunge fielen. Sie wusste, dass ich nicht einmal einen guten Grund für meine Fragen hatte. Und trotzdem blieb sie stehen und antworte mir. Mein Blick verengte sich auf ihren Mund. Während sie redete, sah ich ihre Lippen, ihre schönen Zähne, wie sie sogar beim Reden lachte und dann entdeckte ich es: Sie hatte einen falschen Zahn, genau wie ich.
"Du hast aber einen schönen künstlichen Zahn", platzte ich in ihre Antwort. Ihr Lachen gefror, genau wie auf dem Volksfest, als ich mit der riesigen Lücke im Gebiss an ihr vorbeifuhr. Und hörte ich nur noch, wie sie sich verabschiedete.
Zuhause saß ich unter den Jagdtrophäen meines Patenvaters, die das ganze Esszimmer schmückten, und konnte an nichts anderes denken, als an sie. Und diese Gedanken waren Vorwürfe an mich. Ich hatte es versaut. Ich hatte meine zweite Chance bekommen und sie ganz alleine vermasselt. Und zwar so richtig. Etwas Peinlicheres hätte man gar nicht sagen können. Und da war keiner, der mir den Fehler vorgab. Niemand, dem ich die Schuld zuschieben konnte. Es lag ganz alleine an mir. Ich wusste nicht, was ich wollte. Aber ich wusste, dass ich weiter davon weg war, als je zuvor. An der Wand hing ein ausgestopfter Vogel mit offenen Flügeln, gerade auf dem Sprung abzuheben. Daneben ein Achtzehnender. Ich zählte die Geweihspitzen. Achtzehn Jacken könnte man dort aufhängen. Wozu einem Hirschen dieses Horn vom Kopf sägen? Weil es das Horn vom größten Hirschen ist, den man jemals erwischen kann.
Und das Murmeltier grinste mich an mit seinen vergilbten Zähnen: "Wenn du nicht schießt, siehst du mich nie wieder." Murmeltiere sind schnell und scheu. Wer die einzige Gelegenheit nicht nutzt, kann jahrelang auf leere Erdlöcher starren. Ein Murmeltier taucht nie zweimal an der gleichen Stelle auf. Ich beschloss, es das nächste Mal besser zu machen. Wie? Keine Ahnung. Ich musste es versuchen. Ich musste diesem Alptraum ein Ende machen.
***
Mit fünfzehn kam ich in einen richtigen Fußballclub. Ich liebte meine Mannschaft. Die Jungs waren cool, unbandig, lustig. Die meisten waren ein, zwei Jahre älter als ich. Wenn das Spiel vorbei war und unser Trainer weg, dreht sich alles nur um das Eine: vögeln. Noch nie hatte ich jemals eine Frau nackt gesehen, aber hier - in der Kabine - hörte ich alles, was offensichtlich dazu gehörte, ohne auch nur ein einziges Wort zu verstehen. Titten, blasen, lecken, geile Fotze. Alle hatten sie gebumst, von vorne und von hinten. "Und du, Jeff?" – "Klar!", sagte ich und wiederholte irgendetwas, das ich aufgeschnappt hatte, in anderer Reihenfolge, damit die Geschichte wenigstens ein bisschen was Eigenes hatte.
Wie jeden Sonntag holte mich auch dieses Mal mein Patenvater vom Spiel ab. Wir aßen. Wir spielten Schach. Ich verlor. Die Geschichten aus der Mannschaftsdusche ließen mir keine Ruhe. Ich erfand eine Hausaufgabe und verzog mich auf mein Zimmer. Auf dem Bett nahm ich meinen Schwanz in die Hand. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete, aber ich wollte es endlich wissen. Im Heim lagen wir zu sechst im Zimmer. Keine Chance, dort etwas auszuprobieren. Hier bei meinen Pateneltern war ich allein, ungestört. Ich fing also an zu schrubben. Ich schwitze. Das Zimmer war heiß. Ich schrubbte weiter. Eine halbe Stunde, eine dreiviertel Stunde. Nichts passierte und ich wollte, dass etwas passierte. Ich wollte wissen, was passieren würde, und wenn mir dabei der Arm abfiel. Irgendwann merkte ich, dass etwas anders war. Ich schrubbte weiter. Und dann wurde es ganz anders.
"Jeheff! Bist du in Deinem Zimmer?", meine Patenmutter rief