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feiert das neue Bürgertum am Samstagvormittag seinen guten Geschmack. Junge Familien, er im Dufflecoat, sie mit Uggboots, schieben sich die Buggys in die Hacken. Man kauft Grammelschmalz beim Weinviertelbauern und Zitronengras beim Vietnamesen und snackt georgische Antipasti im Madiani, das in einem der Markthäuschen residiert. Doch wenn die Händler gegen Mittag scheppernd zusammenräumen, erlischt das Leben so plötzlich, dass man unwillkürlich an einen Zapfenstreich denkt.

      Wo sind denn jetzt alle? Die Szene spielt Verstecken. Die grellweiß leuchtende Galerie im Hochparterre entpuppt sich als Pizzeria, der onyxschwarz getünchte Fetischladen als japanisches Restaurant. Und in manchem einstigen Ludentreff nistet die Boheme. Zum Beispiel im vollgequalmten a bar shabu, wo man sich an winzigen Tischen dem hingibt, was der Leopoldstädter Alfred Polgar »die holde Wurschtigkeit des Augenblicks« nannte. Hingen nicht aus buntem Draht gezwirbelte Hirschköpfe über der Theke, es sähe noch so aus wie zu Zeiten der »Wilden Wanda«. Die einzige Zuhälterin Wiens hielt hier Hof, als die Bar noch Café Kärnten hieß.

      Wenn es um Wiens junge Kreativszene geht, landet man früher oder später bei Amer Abbas. Der gebürtige Iraker hat in den neunziger Jahren Künstler wie Heimo Zobernig entdeckt und mit seiner ersten Bar Futuregarden im Sechsten Bezirk den trashigen Schick nach Wien gebracht. Unlängst eröffnete er in einem kaisergelben Gründerzeitkasten in der Zirkusgasse die New Bar.

      Wer sie betritt, meint in einem Rohbau zu stehen: Die Wände sind kaum verputzt, von der Decke baumeln Glühbirnen. Auf den Barhockern sitzen ein paar schweigende Männer. Über ihre Gesichter ziehen die lila Lichtpunkte einer Discokugel. Abbas wiegt seinen Kopf im Takt psychedelischer Akkordeonmusik. Ein silberheller Dreitagebart legt sich wie ein Schleier auf seine scharf geschnittenen Züge. »Alle haben Lust auf etwas Neues«, sagt der Kunstdozent. Aber viele seien unsicher, ob es hier nicht noch immer »ein bisschen zu halbseiden ist«.

      Dem Zweiten Bezirk selbst ist es vermutlich egal, ob er das neue Soho ist oder nicht, denkt man, zurück auf der Straße. Orthodoxe Juden mit Schläfenlocken und storchennestgroßen Pelzmützen eilen vorbei. Natürlich, man ist auf der Mazzesinsel, wie die Wiener die Leopoldstadt nannten. 50.000 Juden lebten hier, bis sie von den Nazis deportiert und ermordet wurden. Heute ziehen viele aus Osteuropa zu, weiß Malkov Rafael Chai, dem in der Tempelgasse ein koscherer Laden gehört. Etwa 10.000 sollen wieder im Bezirk leben, zwischen Bohemiens, stolzen Eltern und den Pratersauna-Hipstern. Hier mischt sich alles. Und es verdrängt sich nichts.

      Einer der Architekten, die mit ihren Ateliers in die Rotensterngasse gezogen sind, hat dafür eine einfache Erklärung: die vielen Gemeindebauten mit ihren niedrigen Mieten. Natürlich gebe es Gentrifizierung, sagt er. »Aber sie ist unendlich viel langsamer als anderswo.«

      Wie langsam, lässt sich wunderbar im Café Sperlhof erleben. Man betritt es wie ein vergilbtes Fotoalbum aus den siebziger Jahren: rote Kunstlederbänke, Dreiviertelvertäfelung, ein grün glimmendes Aquarium. Ein Dutzend mannshoher Türme aus Spielekartons ragt in den Raum des früheren jüdischen Künstlertreffs. Jungs in Skaterklamotten erklären sich die Regeln, serbische Teenager betteln darum, ein letztes Mal anschreiben lassen zu dürfen, Arbeiter sehen den Schaumkronen ihrer Biere beim Zerknistern zu.

      Seit 28 Jahren führt ein altmodisch krawattierter Mann mit pergamentbleichem Gesicht das Café Sperlhof. Jeder in der Gegend kennt ihn als den »Herrn Sommer«. Er ist Kult. Aber ohne es zu wissen. Was er vom Aufstieg des Zweiten Bezirks hält? Herr Sommer lächelt leise, als habe ihm ein Kind eine lustige Frage gestellt. »Der Zweite wird modern?«, fragt er zurück. »Naa, das ist mir neu. Aber schaun S’: Ich bin ja immer hier herinnen. Da merkt man eh nichts.«

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