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      Einleitung

      Wien ist prächtig und abgerockt, schrill und traditionsverliebt. Die ZEIT-Autoren durchstreifen die Leopoldstadt, essen Schnitzel im besten Lokal am Platz und schlafen in einer Luxus-WG neben dem Stephansdom.

      Begeben Sie sich gemeinsam mit der Reisen-Redaktion der ZEIT auf einen Bummel zwischen Prater und Naschmarkt und erleben Sie die berühmte Kaffeehauskultur bei einem kleinen Braunen. In zehn Artikeln lernen Sie die Wiener samt Schmäh und den Flair ihrer besonderen Stadt von einer neuen Seite kennen.

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      Inhaltsverzeichnis

       Einleitung

      Tanz unterm Riesenrad Die Leopoldstadt soll das Soho Wiens sein? Erkundungen zwischen Lackbikini, Pratersauna und Wochenmarkt.

      Käsekrainer mit Musik Tütenlampen, historische Abendroben, knisternde Bettwäsche und eine Bar, in der neben dem DJ die Würste brutzeln. Sechs ausgefallene Shopping- und Ausgeh-Tipps in Wien.

      Budenzauber Die längsten Nächte enden bei einem starken Kaffee am Naschmarkt.

      Ein Streifen Nostalgie Holzklappstühle, Blümchentapeten und anspruchsvolle Filme: In Wiens Lichtspielhäusern lebt die große Kinotradition fort. Drei Vorstellungen

      Das Herz der Stadt Ob Hofreitschule oder Fiaker: Wie herrlich, dass Wien so viel Tier in seiner vornehmen Mitte zulässt.

      Die Bälle hoch halten! Ein Gespräch mit dem berühmtesten Tanzlehrer Österreichs über die Wiener Liebe zur Tradition.

      Sag zum Abschied leise Schnitzel Kalbfleisch, Butter, Semmelbrösel – die Wiener lieben ihren Klassiker. Selbst der beste Koch der Stadt bekennt sich dazu.

      Die Restaurant-Tipps der Redaktion Kitschfreie Klassiker, Austro-Fusion oder doch lieber das Bier im Sektglas? Die Wiener Gastronomie lädt zum Experimentieren ein. Fünf Tipps für gute Restaurants.

      Ganz kleines Kino Im Hotel Hollmann Beletage fühlt man sich wie bei Freunden, die es gern schön haben.

      Hoteltipps der Redaktion Plüsch, urbane Moderne und schnörkellose Tradition – Wiens Hotels bieten alles. Hier empfiehlt die Redaktion die charmantesten Adressen der Stadt.

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       Impressum

      Tanz unterm Riesenrad

      Die Leopoldstadt soll das Soho Wiens sein? Erkundungen zwischen Lackbikini, Pratersauna und Wochenmarkt.

      von Wolf Alexander Hanisch

01_Riesenrad

      Was ist schön? Was hässlich? Was ist Kitsch? Im Wurstelprater verwischen die Grenzen, wenn sich das Bleilicht der Dämmerung über den Vergnügungspark legt. Schnee polstert die Wege, die Großstadt ist nur ein fernes Murmeln. Alles, was man hört, ist das Knirschen der eigenen Schritte. Immer tiefer führen sie hinein in eine wunderliche, melancholiegetränkte Welt. All die erstarrten Grottenbahnen, Karusselltentakel und Katapultiermaschinen wirken im Schein der Laternen wie ein architektonischer Hexensabbat.

      Die einzige Sensation, die sich auch im Winter bis in den späten Abend bewegt, ist das Riesenrad. Man steht in der Gondel, hört den Wind johlen und staunt über die Eleganz des Speichengewirrs, an dem die roten Kabinen hängen wie Beeren am Strauch. Im Norden ragt der bleistiftdünne DC Tower der neuen Donau City empor, im Südwesten erkennt man krümelklein die Kuppeln und Türme des Ersten Bezirks. Daneben, nur durch den Donaukanal vom Zentrum getrennt, liegt der westliche Anfang der Leopoldstadt, deren Ausläufer bis hierher zum Prater reichen.

      Der Zweite Bezirk, wie die einstige Vorstadt auch heißt, war Verbannungsort der Juden. Lange galt er als verrucht. Nun steht er im Ruf, das Soho von Wien zu werden, mit schrägen Cafés und Bars, mit Kunst und ganz viel Gründergeist. Die coolsten Clubs der Stadt sollen beim Riesenrad um die Ecke liegen. Da will man doch hin!

      »Democracy« verheißt die Leuchtschrift auf einem Gebäude, das zwischen dem Rummelplatz und dem Glasverhau des Pratersternbahnhofs steht. Der Club sieht aus wie ein Haufen durcheinandergestürzter Betonwürfel und nennt sich Fluc. Sein Haupttrakt liegt in einer ehemaligen Fußgängerunterführung, in die man hinabsteigt wie in eine Unterwelt. Bässe donnern, Stroboskope zerhacken das Dunkel. Im oberirdischen Teil beginnt gerade eine Gothic-Party. Zwischen androgynen Höllenfürsten und Rüschenmädchen entfaltet ein Conférencier im goldenen Gustav-Klimt-Kaftan seine Hände zu theatralischen Begrüßungsgesten. Dann sagt er eine Tänzerin an. Sie erscheint in einer Burka und steht am Ende ihrer Show im schwarzen Lackbikini auf der Bühne. Dazu laufen von Elektrobeat gehetzte Opern, die jeder lauthals mitsingt. Ist das schon der neue Pratersound?

      Auf dem Weg zum nächsten Club östlich des Pratersterns klappt man unwillkürlich den Mantelkragen hoch und wimmelt die Offerten hochhackiger Damen ab. Dann steht man vor der Pratersauna, einem Flachbau aus den fünfziger Jahren mit bröckeliger Fliesenfassade. Im Garten leuchtet gletscherblau ein verwaister Pool. Drinnen fummeln DJs auf mehreren Floors emsig an ihren Plattenspielern herum und entlocken ihnen zuckende Rhythmen. Zwischen den Tauchbecken von einst mischen sich Minimal Art und Lichtkunst mit alten Kacheln. Und das krakelige Design der Toiletten sieht aus, als habe man Robert Crumb und Keith Haring Filzstifte in die Hand gedrückt.

      Es ist erst ein Uhr nachts, aber ein paar Gäste tanzen schon ohne T-Shirt. Man könnte meinen, sie huldigten der Zeit, als die Pratersauna noch eine berüchtigte Schwitzanstalt war. Vom Zuhälter bis zum Herrn Direktor soll sich hier tout Wien getroffen haben. Dass zwischenzeitlich auch die Russenmafia hier Kaviar vertickte, ist ein Gerücht, dem die jungen Betreiber nicht widersprechen.

      Stefan Hiess und Hennes Weiss lehnen an einer Bar und erzählen, dass sie bald die ganzen 3000 Quadratmeter bespielen wollen. Noch mehr Kunst soll in die Sauna. »Der Club ist ein Vehikel, um Projekte in unserem Art-Space zu fördern«, sagt Weiss, der eine Basecap mit Mickymaus-Aufdruck trägt. Irgendwann wollen sie so etwas wie ein zweites Museumsquartier sein, eine urbane Mischung aus Kunsthallen, Clubs, Galerien und Büros für junge Kreative. Nur eben lässiger als das Vorbild in der Inneren Stadt. Aber es droht Gefahr. Dort, wo heute Prostituierte auf dem Straßenstrich frieren, eröffnet im nächsten Wintersemester der größte Wirtschaftscampus Europas mit mehr als 20.000 Studenten. »Klar, das ist nicht schlecht. Aber für einen Underground-Club auch gefährlich«, sagt Weiss’ Kompagnon Hiess. »Eine Kunstakademie wäre uns lieber gewesen.« Nicht dass es hier zu geleckt wird.

      Es ist eine Angst, die man nicht so recht nachvollziehen kann, wenn man am nächsten Tag durch die Gassen der Leopoldstadt schlendert. Man passiert einen Trödelladen, der arthritische Stühle feilbietet, auf denen Teddybären sitzen. Eine Buchhandlung, die Thomas-Bernhard-Zitate auf Wellpappe geklebt und daraus ein Mobile gebastelt hat. Fußkosmetikstudios, den Pensionistenverein der SPÖ. Und

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