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Hetzjagd im All. Alfred Bekker
Читать онлайн.Название Hetzjagd im All
Год выпуска 0
isbn 9783847648277
Автор произведения Alfred Bekker
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Ich hatte meine Tricks, um die Abfrage-Prozedur abzukürzen. Über den GalaxyNet-Zugang meines Mentalspeichers gab ich eine entsprechende codierte Sequenz ein. Es handelte sich um eine Art Datenvirus, der über das Hyperfunknetz von Iplan (der Föderation der INneren PLANeten) den Zentralrechner des Vertreibers aufspürte und dafür sorgte, daß alle meine Daten aus dessen System verschwanden, so als hätte es den BENUTZER DAK MORLEY nie gegeben.
Auf diese Weise brauchte ich für den Gebrauch eines Spielprogramms wie dem MEGA KILLER noch nicht einmal zu bezahlen.
Ich befand mich in meiner Wohnung in Barcana, einer aus dem Meer hervorragenden ultramodernen Turmstadt. Eine bevorzugte Wohngegend, so konnte man selbst ein kleines Appartment in Barcana nennen. Ich hatte eine große Suite mit angrenzenden Büroräumen. Ich hasse nichts mehr als Enge. Man muß sich in den eigenen vier Wänden bewegen können. Man sollte diese Wände sogar verschwinden lassen können, wenn einem danach ist.
Mir war danach.
In der Sichtanzeige in meinem linken Auge verblaßte gerade das Logo der Herstellerfirma des MEGA KILLER. Über meinen CyberSensor stellte ich Verbindung zum Wohnungsrechner her. Die Wand, die sich etwa fünf Meter von mir entfernt befand, schien sich aufzulösen, wurde transparent und einen Augenblick später hatte ich eine fantastische Aussicht auf das Meer, daß irgendein antiker Namensgeber das MITTELMEER genannt hatte, weil es gewissermaßen den Mittelpunkt der damals bekannten Welt dargestellt hatte.
Die Küste lag im Nebel.
Von Barcana aus - zumindest, wenn man nicht gerade in den untersten, deutlich preiswerteren Stockwerken wohnte - konnte man bei besserem Wetter bis zu den Ruinen von Alt-Barcelona hinübersehen. In antiker Zeit war Alt-B, wie man den Steinhaufen auch nannte, angeblich eine blühende Stadt gewesen. Ich halte das für ein Gerücht. Genauso wie die Behauptung, daß es bis ins dreiundzwanzigste Jahrhundert dort einen Schiffshafen gegeben hat. Aber ich bin ja auch nicht mehr als ein Amateurhistoriker.
Jetzt gehörten die Ruinen von Alt-B jedenfalls zu einem OS --- einem OutlawSector. Wenn man die akkustischen Sensoren, die auch das Meeresrauschen ins Innere der Wohnung übertragen konnten, auf das höchste Level einstellte und außerdem genügend Filter aktivierte, dann konnte man sogar die Trommeln der OS-Leute hören...
Für sie gab es kein GalaxyNet, keine Cyberspiele, keine galaxisweite Vernetzung mit allem und jedem --- zumindest im Bereich von Iplan. Was die Rand-Föderation, die Äußeren Kolonien oder die Autonomen Welten anging, war das zum Teil ja etwas schwieriger. Aber das GalaxyNet breitete sich immer weiter aus. Es wuchs wie ein Spinnennetz aus Hyperfunklinien und Transmitterstraßen. Jedes Raumschiff, daß weiter in unbekannte Gebiete vordrang, gehörte dazu, war über dieses Netz mit den zivilisatorischen Zentren der Menschheit verbunden.
"Ich sehe, du bist endlich fertig mit deinem Baller-Spiel", hörte ich eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich langsam um und sah die grazile Gestalt einer jungen Frau. Sie trug das Haar offen. Es reichte ihr bis weit über die Schultern. Ein beinahe knielanges Gewand aus einem fließenden Stoff schmiegte sich an ihren Körper. Sie lief barfuß, lächelte.
Ich erwiderte ihr Lächeln.
"Ich verstehe nicht, was dir das gibt", meinte sie.
"Man bleibt im Training."
"Ach, Quatsch!"
"Nein, es ist wirklich so."
Sie näherte sich lautlos, berührte mich leicht am Unterarm. Ihre wohlgerundeten Brüste hoben und senkten sich, während sie atmete und drückten sich dabei gegen den Stoff ihres Gewandes.
Sie war die Frau, mit der ich seit fast zwei Jahren zusammenlebte.
Sorana Zanuck, 32 Jahre alt, was bedeutete, daß sie nicht einmal ein Drittel meines Alters hatte. Durch meine Beschäftigung mit der grauen Vorzeit des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts wußte ich, daß es einmal eine Zeit gegeben hatte, in der so etwas von Bedeutung gewesen war. Das allgemeine Gen-Tuning hatte den Tod, das Alter und den Verfall zwar nicht abgeschafft, aber es war gelungen, diese Dinge erheblich weiter hinauszuschieben, als daß unseren kurzlebigen Vorfahren vergönnt gewesen ist.
Ich strich über Soranas seidiges Haar.
"Wie hieß das Programm, daß du dir auf die Netzhaut gedröhnt hast?" fragte sie.
"Nicht auf die Netzhaut. Auf die Sehnerven."
"Ist doch egal, oder?"
"Netzhautübertragungen haben nicht die nötige Qualität, die taugen nur für Kontrollanzeigen und Info-Programme."
Sie stubste mich leicht. "Du willst mich ärgern, was?"
"Necken."
"Wie auch immer." Sie sah mich an, wirkte nachdenklich. Ein Gesichtsausdruck, den ich nur zu gut bei ihr kannte. "Manchmal denke ich, daß du eines Tages genauso spurlos verschwindest wie eine dieser GalaxyNet-Applikationen und mir die Cyber-Stimme in die Hörnerven flüstert: 'Benutzerin Sorana Zanuck, die Anwendung DAK MORLEY mußte aufgrund eines fehlerhaften Zugriffs geschlossen werden...' und du dich einfach in Luft auflöst."
"Ich bin aus Fleisch und Blut. Beziehungsweise aus DNA und Wasser."
Es sollte ein Witz sein.
Sie lachte nicht.
"Du bist hier vor zwei Jahren so plötzlich aufgetaucht, Dak. Wie aus dem Nichts. Und wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich immer noch kaum etwas über dich - außer, daß du eine Sammlung halborganischer Fingerkuppen besitzt, um Finger- Print-Scanner zu betrügen, wenn du in einer anderen Identität unterwegs bist."
Ich hob die Augenbrauen.
"Willst du mich jetzt über meine Vergangenheit ausfragen?"
Ihre Hand glitt die Struktruren meiner Kombination entlang.
"Nein, ich weiß, daß das keinen Zweck hat. Du bist ein Phantom."
"Hängt mit meinem Job zusammen."
"Das ist nur die eine Hälfte der Wahrheit..."
Ich legte den Arm um sie. Unsere Lippen berührten sich flüchtig.
Ein mildes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. "Ein Ablenkungsamanöver", stellte sie fest.
"Das bildest du dir ein."
"Nein, ich glaube nicht. Ich kann nämlich deine Gedanken lesen, Dak Morley - oder wie immer du wirklich heißen magst."
"Was du nicht sagst..."
"Ja - und zwar ganz ohne telepathische Psi-Begabung wie bei den pflanzlichen Intelligenzen von Gataran!"
"Ich habe den Namen schonmal gehört..."
"Bestimmt von mir." Sie schlang ihre Arme um meinen Hals. "Ist eine Iplan-Welt. Wir schicken von unserem Reisebüro aus regelmäßig Psychotouristen dorthin, damit sie auf Gataran an Encounter-Gruppen teilnehmen können. Manche Unternehmen schicken ihre kompletten Belegschaften kostenlos zu diesen Psychohygiene-Kursen."
"Die Begegnung mit sich selbst - auf dem Umweg über eine telepathisch begabte Pflanzenintelligenz."
Sie strich mir über die Stirn, fuhr mit ihren Fingern die Schläfe, dann das Kinn entlang und landete schließlich auf meiner Schulter.
Ein Lächeln umspielte ihre vollen Lippen. Ein Lächeln, so einzigartig wie sonst kaum etwas im Universum. Meine persönliche Sonne, um die im Augenblick das ansonsten etwas instabile System meines privaten Glücks kreiste.
"Manche Leute brauchen diese Art Umwege, um sich selbst zu erkennen, Dak."
"Manche Leute können halt nicht genug davon bekommen, sich mit sich selbst zu beschäftigen, Sorana."
"Manche Leute sagen so etwas nur, weil sie in Wahrheit eine Heidenangst davor haben, sich einem anderen Menschen wirklich zu öffnen."
Ein kurzes Signal zeigte mir an, daß Sorana offenbar durch einen Impuls ihres CyberSensor das Antigravfeld aktiviert hatte.