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wir übernehmen.“

      Doch mit dem Übernehmen wurde nichts. Als der sandfarbene Wagen an ihnen Auto vorbeifuhr, blieb es in ihren Kopfhörern stumm. Munos so gepriesener Peilsender funktionierte nicht oder man hatte ihn gefunden und noch im Haus entsorgt oder lahmgelegt. Die Männer verfolgten den Corsa noch, so weit sie konnten. Aber als Rudi die Autobahn 3 ansteuerte, gaben sie es auf. Ohne Peilsender und Peilempfänger war es ziemlich aussichtslos, allein eine Verfolgung auf einer vollen Autobahn anzufangen, ohne dem Verfolgten auf Dauer aufzufallen.

      „Muno, hörst du? Wir geben auf, dein Peilsender arbeitet nicht.“

      „Scheiße.“

      Der wütende Chef gab Muno Recht, setzte sich aber sofort an den Computer und rief das Mailprogramm auf. Mit der Adressdatei „Rundschreiben“ erreichte er an die vierhundert Mitarbeiter, Vertreter, Geschäftspartner und Betriebs-Nebenstellen im In- und Ausland: „Dringend. Gesucht wird ein sandfarbener Corsa mit dem amtlichen Kennzeichen WI – RH 234. Sofort Standort an Utom oder Agentur Kollau melden, sehr wichtig für uns alle. Niels.“

      Niels Kollau betrieb offiziell eine übel beleumdete Inkasso-Agentur, aber einige Mitarbeit kassierten nicht nur, sondern teilten auch rücksichtslos aus – Schläge, Tritte, Pfefferspray und in besonderen, hoch bezahlten Fällen auch blauen Bohnen und beseitigten anschließend sorgfältig ihre Opfer. Dafür war Kollau in bestimmten Kreisen berühmt und wurde öfter engagiert, weil sich herumgesprochen hatte, dass er seine Auftraggeber nie verpfiff oder später erpresste.

      Muno schaute ihm über die Schulter, während Kollau tippte: „Glaubst du, das bringt was?“

      „Hast du eine bessere Idee?“

      Muno musste passen. Einen Versuch war es auf jeden Fall wert.

      *

      Auf der Autobahn erkundigte sich Isa: „Wohin fahren wir eigentlich?

      „Wir können in Bonn für ein paar Tage unterschlüpfen. Das ist nicht so weit weg. Es reicht, wenn wir am Mittwoch erst am Morgen nach Wiesbaden losfahren. Du bist dann noch immer pünktlich im Gericht. Kennst du Bonn?“

      „Etwas. Wir hatten, als die Regierung noch in Bonn saß, eine Vertretung dort. Die habe ich ein paarmal besucht. Jetzt beschäftigen wir nur noch einen Mitarbeiter auf Honorarbasis dort.“

      „Kennt der dich?“

      „Nein, ich bin ihm nie begegnet.“

      Die Autobahn war voll, lief aber störungsfrei. Fast pünktlich kurvten sie durch das Endenicher Ei und steuerten Richtung Röttgen. Rudi war vor mehreren Jahren kurz zu einem Lehrgang in Meckenheim gewesen und staunte, wie sehr sich in dieser kurzen Zeit ein Nest wie Ückesdorf verändert hatte. Das Navi führte sie problemlos in den Paula-Roming -Weg. Vor dem siebenstöckigen Haus Nr. 19 wartete schon Katrin Köhler auf sie, fiel Rudi um den Hals und betrachtete Isa aus schmalen Augen. „Wirklich nur dienstlich unterwegs?“, hauchte sie verschwörerisch und gab Isa dann die Hand: „Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich heiße Katrin Köhler.“

      „Isa Vandenburg. Angenehm.“

      „Kommen Sie, wir müssen in die sechste Etage. Keine Sorge, es gibt einen Aufzug.“

      „Wo soll ich den Wagen lassen?“

      „Zur Wohnung meiner Tante gehört auch ein Stellplatz in der Tiefgarage. Ich bring dich hin.“ Rudi musste ziemlich kurbeln und rangieren, um sich auf einen schmalen Streifen zwischen Pfeilern und Wand zu quetschen und sich dann wie ein Aal aus dem Auto zu schlängeln. Die Tante hatte bestimmt ein sehr kleines Auto gefahren. „Ja, das habe ich verkaufen können.“

      Die Wohnung war noch fast vollständig möbliert, nur auf den verschossenen Tapeten zeichneten sich helle Rechtecke mit grauen Randstreifen ab. „Die Tante hatte eine große Vorliebe für flämische Landschaftsmalerei aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Ein Interessent, der die Wohnung besichtigte, verstand was von Malerei und hat ziemlich grob gesagt 'Die Wohnung ist mir zu teuer. Aber die Bilder würde ich Ihnen abkaufen, wenn sie dafür einen etwas realistischeren Preise verlangen.' Wir haben uns schließlich geeinigt.“

      „Womit habt ihr euch duelliert?“

      „Mit Messern und Gabeln. Das ist eine ziemliche Bescherung. Die Immobilienpreise sinken, Bonn hat den Regierungs-Umzug nach Berlin nicht ganz so gut verkraftet, wie erhofft. Ich würde sagen, ihr schaut euch einmal an, was man aus dem Kühlschrank noch essen kann, sonst müssen wir einkaufen gehen.“

      *

      Viel hatten Isa und Rudi nicht auszupacken, und die beiden Frauen verschwanden sehr bald zu einem Großeinkauf, bei dem, wie Isa versprach, der flüssige Teil nicht zu kurz kommen würde. Katrin wollte bald zurück nach Mülheim und nahm sie nur noch mit in den fünften Stock zur Familie Bellmann. „Das sind Freunde von mir, Rudolf Herzog und Isa Vandenburg. Sie werden ein paar Tage über Ihnen sozusagen Probe wohnen, um sich klar zu werden, ob sie kaufen sollen. Rudi hat einen Job im Rheinischen Landesmuseum bekommen. Also nicht verwundern, wenn sie hier durchs Haus turnen.“

      Die Bellmanns waren beide in den Sechzigern und machten einen ruhigen, zuverlässigen Eindruck. Katrin drückte ihm noch die Schlüssel in die Hand und verzog sich nach fünf Minuten. Ein paar Minuten später gingen auch Rudi und Isa in ihr neues Domizil.

      Er brachte Katrin noch zur Tür, bedankte sich noch einmal und sah, als er zurückkam, durch die offene Schlafzimmertür, Isa vor dem Doppelbett stehen.

      „Tja, nun ist es endlich so weit“ seufzte sie. Das klang nicht nach wildem Begehren oder ungezügelter Lust und deswegen tröstete er sie: „Ich bin nicht mehr der junge Wilde von den Kanaren.“

      „Ich auch nicht mehr“, gab sie zu.

      „Wir werden die paar Nächte überstehen“, meinte er ruhig. „Kannst du Kaffee kochen?“, fragte er danach höflich. „Das wäre nett, ich muss noch telefonieren.“

      Sein Chef knurrte, weil Rudi sich weigerte, ihm zu sagen, wo sie sich jetzt versteckten. Fichte lenkte bald ein, einen bockigen Rudi konnte man nicht umstimmen, und es war jetzt Rudis Aufgabe und allein in seiner Verantwortung, Isa heil zum Gerichtstermin zu bringen.

      Danach rief Rudi Hugo an. Hugo Klimmt war einer der wenigen Männer, die genau wussten, was Rudi Herzog beruflich machte und auf deren Verschwiegenheit er sich hundertprozentig verlassen durfte. Als Heranwachsender hatte Hugo beobachtet, wie ein kräftiger Mann eine junge Frau überfiel und vergewaltigte. Einzugreifen hatte er bei dem brutalen Hünen nicht gewagt, aber den Täter unbemerkt zu seinem mehrere Straßen entfernt geparkten Auto verfolgt, sich Marke, Farbe und das Autokennzeichen aufgeschrieben und war dann zur Polizei gegangen. Dank seiner Aussage wurde das Opfer rechtzeitig gefunden und der Täter gefasst und überführt und zu sechs Jahren verurteilt. Im Knast erzählte er einem Zellengenossen, dass er nach seiner Entlassung als erstes diesen verdammten Zeugen umlegen und sich dann noch einmal diese blöde Zicke von Frau „vornehmen“ wolle. Der Zellen-Mitbewohner hatte Gründe, sich einen weißen Fuß zu machen, und verriet das Gerede seines Nachbarn an die JVA-Leitung, die das durchaus ernst nahm. Als der Vergewaltiger aus der Haft entlassen wurde, standen das Opfer und Hugo unter Personenschutz. Rudi Herzog kümmerte sich um Hugo Klimmt; den der Ex-Sträfling tatsächlich aufspürte und mit einer Waffe überfiel. Rudi mischte sich ein und bei dem Schusswechsel erschoss Rudi den Angreifer, was ihm viel dienstlichen Ärger, aber auch Hugos ewige Dankbarkeit einbrachte.

      „Toll, mal wieder was von dir zu hören“, sagte Hugo ernsthaft. „Brauchst du wieder Hilfe?“

      „Ja, wenn du mittlerweile auch Frauen und Mädchen im Montagedienst beschäftigst.“

      „Tue ich.“

      „Mit Firmen-Overalls?“

      „Aber ja.“

      „Auch in Übergrößen?“

      „Warum? Ist sie so dick?“

      „Nein. Aber sie muss den Overall in deinem Geschäft überziehen und dann im Landgericht wieder ausziehen. In der Verhandlung

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