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sich dem Ende zu. Er erlangt die Hochschulreife mit der Note „sehr gut“ und bekommt den Gesellenbrief. Mit reichlich 18 Jahren wird er als Mitglied in die Partei der Arbeiterklasse aufgenommen. Einen Monat arbeitet er in der Reparaturabteilung für E – Loks. Der Arbeitsalltag ist Stress pur. Überall fehlt es an Material und Zulieferteilen. Die Stimmung unter den Kumpels ist schlecht.

      Jura ist froh, dass er nun das Studium an der Offiziershochschule beginnen kann. Die strengen Alltagsregeln stören ihn weniger. Belastend ist es, eingesperrt zu sein. Hier wird auch er im Unterschied zur Berufsschule streng behandelt. Immerhin ist er der einzige Offiziersschüler, der schon als Mitglied der SED angereist ist. Damit habe er überall seiner Vorbildrolle gerecht zu werden.

      Doch so genau nimmt es Jura alles nicht. Während der Wache legt er sich schlafen. Er verschafft sich illegal Ausgang in die Stadt. Jedes zweite Wochenende fährt er nach Hause zu Mutter und Freundin. Er hält sich aber an die Vorgaben, auch während eines Kurzurlaubes die Uniform zu tragen. Und Jura merkt schnell, dass die Uniform der Nationalen Volksarmee, getragen von Offiziersschülern, vom Volk gar nicht so gemocht wird. Das zeigte sich in den Angriffen und Anfeindungen, die er im Uniform - Meer auf dem Leipziger Hauptbahnhof erlebt. Auch zu Hause wenden sich ehemalige Freunde, Nachbarn und Bekannte von ihm wegen seiner Zugehörigkeit zur NVA ab. Das ist nun die Arbeiterklasse. Die Basis will den Überbau nicht.

      Doch das Leben geht weiter. Es normalisiert sich. Jura hat Erfolge im Studium. Seine Freundin wird schwanger und nach althergebrachter Tradition steht die Hochzeit an. Jura braucht sich um nichts zu kümmern. Die Schwiegereltern organisieren alles. Im zweiten Studienjahr wird er glücklicher Vater einer lieben Tochter.

      Das Studium neigt sich dem Ende zu. Jura besteht alle Prüfungen entsprechend des Planes mit Bestnoten, erhält das Diplom als Hochschulingenieur für Führungstechnologie und wird zum Leutnant ernannt. Mutter Marie war stolz auf ihn. Sie hat es verdient, nun als Rentnerin ruhiger treten zu können.

      Die Dynamik des Lebens in der Kaserne und die damit verbundenen wenigen individuellen Freiräume ließen keinen Raum für Juras Träume und Visionen von einem harmonischen Leben. Aber all das führte nicht dazu, diese gänzlich zu verdrängen.

      Der Ernst des Lebens im realen Sozialismus

      Und dann beginnt der Ernst des Lebens in der Truppe. Er wird in den Raum Neubrandenburg versetzt. Stabsarbeit, Organisation des Truppenlebens mit Verantwortung für Menschen bestimmt den Alltag. Jura ist Offizier für operative Arbeit im Stab eines Funktechnischen Bataillons. Luftraumaufklärung, Funkmesssicherstellung und Diensthabendes System bestimmen den Alltag.

      Die junge Familie lebt hunderte Kilometer voneinander getrennt. Keine Aussicht, eine Wohnung zu bekommen. Opferbereitschaft wird verlangt. Das geht überhaupt nicht! Jura übernimmt die Eigeninitiative. Er geht auf Wohnungssuche in die Dörfer der Umgebung – jedes verfügbare Wochenende. Es scheint aussichtslos zu sein. Da begegnet Jura zufällig einem halb betrunkenen Bauern in einer Dorfkneipe. Er ist Sachse, freut sich einen anderen Sachsen zu treffen. Er stellt sich als der Vorsitzende der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) vor. Jura trägt ihm sein Problem vor, keine Wohnung für seine kleine Familie zu finden. Der Vorsitzende entgegnet, das dies überhaupt kein Problem sei. Er habe zwei Zimmer in der oberen Etage des nahe gelegenen alten Schlosses zur Verfügung. Die würde er renovieren lassen und Jura könne in zwei Wochen einziehen. Zwei Wochen später rollt der Planenwagen mit ein paar Behelfsmöbeln und ein Hänger voller Braunkohlenbriketts sowie Frau und Kind aus der Heimat Richtung Mecklenburg. Einen Mietvertrag gibt es nicht – ebenso auch keine Mietzahlung. Es ist ein abenteuerlicher und riskanter Versuch, so den Alltag einer jungen Familie zu organisieren. Jura ist meist im Dienst, den er widerwillig ausführt. Er hat wenig Zeit für die Familie. Um die mysteriösen Gemächer des alten Schlosses werden allerlei Legenden verbreitet. Das Dorf liegt so weit außerhalb der Zivilisation, dass die Polizei bei der Anmeldung in der Kreisstadt zunächst fragen muss, wo sich dieses befinden würde. Im Dorf ist nur ein kleiner Konsum, kein Arzt. Die Toilette, ein undichter Holzverschlag befindet sich außerhalb im Park, etwa 30 Meter vom Eingang des Schlosses entfernt. Im Winter wird die Notdurft nachts auf einem Eimer verrichtet. Gebadet und geduscht wird im Wohnzimmer in einer kleinen Zinkwanne. Das Wasser muss mit Eimern hoch getragen und mit Propangas erwärmt werden. Ebenso muss dann das gebrauchte Wasser die Treppe hinab gebracht werden.

      Im Dorf leben Umsiedler aus Bessarabien in einer Großfamilie zusammen. Nach der Arbeit in einer Gärtnerei finden sie sich zusammen, um die alten Heimatlieder zu singen. Die kleine Siedlung wird überschallt mit diesen ungewohnten Melodien.

      Das restliche Dutzend Bewohner sind Bauern und Landarbeiter. Fast täglich sind viele schon zur Mittagszeit vom Korn betrunken. Einige leben wie Asoziale.

      Es gibt unter diesen Bedingungen keine Aussichten, das eigene Kind unterzubringen oder eine Arbeit für die Frau zu bekommen. Doch offiziell gibt es keine Arbeitslosigkeit in der DDR. Das kleine politische Wörterbuch definiert diesen Begriff als einen „Zustand in der kapitalistischen Welt“, der es Menschen nicht ermöglicht, eine Arbeit zu finden.

      Die Mobilität der Familie stützt sich auf einem Kinderwagen, zwei alte Fahrräder und ein Moped, das selten anspringt. Das ist eben der reale Sozialismus im Konkreten.

      Nach wenigen Monaten ist klar, dass dieses Leben nicht länger auszuhalten ist. Jura treibt in einem anderen Dorf ein größeres Anwesen in einer Kate auf, ebenfalls sehr abgewohnt und mit Außentoilette. Der Weg zur Dienststelle war wesentlich näher. Jura sucht den Weg dahin im Sommer aus und ahnt nicht, dass sich dieser im Herbst und Winter als unbefahrbar erweisen wird. Auch hier ist die Familie im wesentlichen auf sich selbst angewiesen.

      Da hilft auch nicht die Beförderung zum Oberleutnant.

      Jura missfallen zunehmend die Kontrollen des dienstlichen und privaten Lebens. Der Dienst war durchsetzt mit Gesamt- und Teilkontrollen der unterstellten Kompanien. Darunter leidet das Vertrauen gegenüber dem Vorgesetzten.

      Zusätzlich werden die militärischen und auch die Parteistrukturen von der Stasi beschattet. Auch das Privatleben ist davon nicht ausgenommen.

      Jura – bereits ein gestandener Offizier – wird zum Stasimitarbeiter gerufen. Dieser interessiert sich für Hintergründe und Zusammenhänge einer privaten Freundschaftsbeziehung in der längst zurückliegenden Kindheit. Jura hatte diese Episode seines Lebens längst vergessen. Die Stasi frischt sie auf. Der Mitarbeiter liest aus Briefen und Karten, die Jura vor vielen Jahren an eine Freundin in Frechen bei Köln sandte. Innerhalb weniger Tage soll Jura dazu Stellung nehmen. Er denkt nach und zitiert aus den „Pioniergeboten“. Dort heißt es: „Wir Pioniere lieben unsere Deutsche Demokratische Republik; lieben unsere Eltern; lieben den Frieden; halten Freundschaft mit den Kindern der Sowjetunion und aller Länder; lernen fleißig, sind ordentlich und diszipliniert; achten alle arbeitenden Menschen und helfen überall tüchtig mit; sind gute Freunde und helfen einander; singen und tanzen, spielen und basteln gern; treiben Sport und halten unseren Körper sauber und gesund; tragen mit Stolz unser blaues Halstuch.“

      Der Stasimann kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Nachdem Jura versichert hat, dass dieser Kontakt nach Frechen längst nicht mehr existiert, bleibt der Mantel des Schweigens darüber.

      Jura muss einen Ausweg aus der dienstlichen und privaten Unzufriedenheit finden.

      Er sieht nur eine Möglichkeit, das Problem zu lösen: die Bewerbung für ein Studium an einer Militärakademie in der Sowjetunion. Inzwischen bekommt die Familie eine neue Wohnung mit vier Zimmern in der Stadt zugewiesen. Die wenigen Möbel, die Jura besitzt, verlieren sich förmlich. Und er kann die neue Wohnung gar nicht genießen, weil er ins Ausland muss. Da Jura das erste Jahr ohne Familie ins Ausland geht, folgt wieder eine Trennung. Diesmal lässt er die Frau mit nunmehr zwei Kindern zurück.

      All dies findet in einer Zeit des Aufbruchs in der DDR statt. Durch das Wohnungsbauprogramm soll das Problem eine Wohnung zu finden, gelöst werden. Jura kann nur in Teilen von diesem Fortschritt profitieren, denn erst im letzten Moment vor seiner Entsendung ins Ausland bekommt er eine neue Vierraum-Wohnung (Erstbezug) zugewiesen. Der Mietzins beträgt 125 DDR-Mark warm

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