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werden in ausreichender Menge eingekellert. Frische Eier legen die Hühner. In der Vorweihnachtszeit wird der Stollenteig selbst hergestellt und zeitig morgens zum Bäcker gebracht. Der Stollen reichte manche Jahre bis Ostern.

      Die Versorgung mit Süßigkeiten und Schokolade übernimmt Mutters Schwester Anna, indem sie regelmäßig Westpakete schickt.

      In Haus, Hof und Garten mutiert Jura zu einer Art Pascha. Paul lässt dem Jungen freien Lauf. Seit Vater Fritz weg ist, darf Jura auch Freunde empfangen. Unter den Jungen ist es üblich, Krieg zu spielen und alle haben geschnitzte Waffen. Jura hasst diese Kriegsspiele. Sicher das Resultat des pazifistischen Einflusses von Opa Paul. Opa hat beide Weltkriege erleben müssen und versucht die Kinder immer wieder von der Sinnlosigkeit der Kriege zu überzeugen.

      Opa Paul hat immer Zeit für den Jungen. Er schnurrt ständig irgend welche Melodien vor sich hin. Spontan flucht er aber auch schon Mal unangekündigt.

      Bei alledem: die Bilder der Gasse, des Schachtgrabens, der hohen Pappeln und der Schnauder, einem Bach, den Jura mit seinen Freunden umzuleiten versuchte, werden für immer in Juras Erinnerung haften bleiben. Da sind aber auch die alte und neue Kolonie, die Mühle, das Rittergut und die alte Dorfkirche, die Jura bleibend beeindrucken. Wenn im Schlosspark Jahrmarkt ist, beeindrucken die Schaukeln und das Riesenrad den Jungen. Es sind diese alten Bilder, die Juras Erinnerung noch heute prägen.

      Das Dorf ist von seiner ihr eigenen Harmonie geprägt. Da ist eine gewachsene Infrastruktur. Es gibt ein Konsumgeschäft, eine HO (Handelsorganisation), einen Bäcker, ein Fisch- und Gemüsegeschäft, zwei Fleischerläden, einen weiteren Tante – Emma – Laden und diverse Handwerker wie Tischler, Stellmacher und Sattler. Nebenher betreibt dieser oder jene ein Fuhrgeschäft und die Rolle für das Glätten der Bettwäsche.

      Die Bauern sind in einer LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) zusammen geschlossen.

      Die meisten der kleinen Handwerker und Händler können später in den 1990er Jahren der Konkurrenz der Supermärkte und Dienstleistungsbetriebe in den nahen Städten nicht mehr widerstehen. Die über Jahrhunderte gewachsenen dörflichen Strukturen werden unwiderruflich zerstört.

      Für die Einhaltung von Recht, Gesetzen und Ordnung sorgen zwei Polizisten, sogenannte Abschnittsbevollmächtigte (ABV).

      Im Gemeindeamt herrscht der Bürgermeister. Da befindet sich auch die Dorfbibliothek.

      Jura radelt zu gern in die nahe gelegene Stadt Lucka, um dort für einen Groschen Eis zu essen. Lucka gehört bereits zu Thüringen. An heißen Sommertagen geht es mit dem Fahrrad zum Tagebausee. Jura hat trotz des fehlenden Vaters eine glückliche Kindheit. Das lehrt ihn, dass Glück und Zufriedenheit nicht unbedingt finanziellen Überfluss voraussetzt. Eigentlich hat er alles, was man von einer Kindheit erwarten kann. Und dennoch bleibt er ein Träumer.

      Der Traum vom Land der Harmonie

      Es ist nicht die von Staatswegen verordnete Vision von Frieden und Sozialismus, die Jura nachhaltig beeindruckt, sondern der Traum von einem nicht definierten Land der Gerechtigkeit und Harmonie. Zweifel an der Existenz eines solches Phantasielandes unterdrückt er. Er liest gern utopische Romane, in denen ferne, unerreichbare Phantasiewelten beschrieben sind.

      Oft steigt Jura auf das Dach des Hauses, sitzt am Schornstein und träumt. Er starrt auf den Horizont und will hinaus in die Welt. Vielleicht vermutet er in der Ferne das Land der Harmonie, das Land seiner Träume. Ist es ein Zufall, dass sich beim Blick vom Dach der Horizont im Osten am weitesten öffnet? Das fällt Jura erst viel später auf.

      Bisher ist er mit seinem Fahrrad nur die knapp 25 Kilometer bis Leipzig gekommen. Traurig ist Jura, wenn die Nachbarn ihre Autos auf der Gasse in Marschordnung aufreihen und Ausflüge unternehmen. Jura muss immer zurück bleiben.

      Stattdessen plant er an Wanderkarten Fahrradtouren durch das schöne Sachsenland. Burgen und Heimatmuseen sind zunächst bevorzugte Ziele. Die befahrenen Routen werden auf der Karte markiert. Allmählich füllt sich das Straßennetz mit den Markierungen. Es gilt nun über Sachsen hinaus zu planen. Thüringen bietet sehr lohnenswerte Ziele.

      Doch bald darf er mit Mutter an einer längeren Bahnreise teilnehmen. Es geht ins Ausland - in die Heimat, erklärt sie, ins Egertal nach Karlsbad, Komotau und Kaaden. Die Formalitäten und Grenzkontrollen waren aufwändig und belastend.

      Im Egerland leben die Mama von Juras Mutter und ihr großer Sohn, die wie durch ein Wunder von der Vertreibung der Sudetendeutschen verschont blieben.

      Juras kleines Weltbild wird erweitert und er begeistert sich für die wunderschöne Landschaft im Egerland. Er wandert gern durch die Berge. Interessant findet er die Spuren der deutschen Kultur an Gebäuden der Altstadt, in Kirchen, Kapellen und auf Friedhöfen. Für die Tschechen sind diese nicht von Bedeutung. Sie lassen sie verfallen, was Jura nicht versteht.

      Er darf an den Touren seines großen Bruders mit dem Betriebsauto des Volksgutes, in dem er arbeitet, teilnehmen. Es geht durch weite Teile Böhmens und Mährens. An den Wochenenden geht es in die Berge des Erzgebirges zum Schwarzbeeren sammeln. Unvergessen bleibt der Schwarzbeerkuchen der Großmutter. Wir verschlingen ihn blechweise.

      Jura hört gern die alten Geschichten der Oma. Sie sei Zeit ihres Lebens nur bis zur Kreisstadt gekommen, sonst nirgends hin. Sie weigert sich, Tschechisch zu lernen. Beim Einkaufen muss sie mit Zeichensprache zurecht kommen. Und sie traut keinem Slowaken. Die seien falsch.

      Besuch im Rheinland und Reintegration im verarmten Sachsen

      Anfang der 1960er Jahre soll es zu einer nächsten Erweiterung für Juras Weltbildes kommen. Es geht noch viel weiter per Eisenbahn – ins Rheinland. Da lebt in Koblenz die Schwester von Mutter.

      Jura, der die bisherige Bescheidenheit des Lebens in Sachsen und in Böhmen kennt, ist beeindruckt und begeistert von der Konsumwelt des Westens. Am 13. August 1961 wird die Grenze geschlossen. Die Verwandten raten Mutter zu bleiben. Sie hat Anspruch auf Kriegswitwenrente und braucht nicht zu arbeiten. Eine kleine Wohnung für sie und Jura wird ihr versprochen. Doch Mutter lehnt ab und meint, in einem Jahr sei der Spuk vorbei und sie würde wieder kommen. Die Geschichte verläuft anders.

      Jura gewinnt nach der Rückkehr in den Osten an Selbstbewusstsein und Zuversicht. Im Nachhinein stellt er fest, dass ihn die bunte Reklamewelt in Koblenz überfordert hat. Das einfache Leben und seine Regeln im Osten sind ihm vertraut und er ist dieses Leben gewohnt. Es hat ihn geprägt, in einem Haushalt ohne Auto, ohne Fernsehgerät, ohne Kühlschrank, Waschmaschine oder Staubsauger zu leben. Die Nachbarn versammeln sich gelegentlich zum gemeinsamen Fernsehen bei denen, die bereits über ein Gerät verfügen. Die Mangelwirtschaft zwingt zum Zusammenhalt zwischen den Menschen. Bei Schlachtfesten, beim Federnschließen oder beim Tabakschneiden und Zigarrendrehen finden sich alle Anwohner der Gasse regelmäßig zusammen. Dies dient auch der Information und dem gemeinsamen Lösen von Problemen. Selbst Konflikten wird so ausgewichen. Ein durch die Mangelwirtschaft bedingter Ansatz zu harmonischem Zusammenleben. Erst später wird im Rückblick klar, dass durch steigenden Wohlstand und inhomogene Besitzverhältnisse sowie Neid diese Gemeinschaft zerstört wurde. Auch ökologisch hat dies extreme Auswirkungen. So kommt es mit zunehmenden materiellen Anschaffungen zu mehr Abfall und Umweltbelastungen. Der Verpackungswahn entsteht. Vorbei die Zeit, als wenig weggeworfen wird und alles noch irgend eine Verwendung findet.

      Nachts hört jeder im Dorf das Quietschen der Eimerketten und Schaufelräder der Bagger, die sich immer weiter an den Dorfrand heran fressen. Braunkohle ist mehr als nur Heizmaterial oder Rohstoff. Sie ist die Lebensgrundlage der Menschen.

      Großvater versucht dem Jungen die Grundregeln des Kapitalismus zu erklären. Des einen Überfluss ergibt sich aus dem Mangel vieler anderer! Und abstrakter: Des einen Wohlstand ergibt sich aus den Schulden der anderen! Diese Ausbeutung ist unehrlich und zutiefst ungerecht. Er lehrt den Jungen, ehrliche Leute zu achten. Unaufrichtigkeit, Ungerechtigkeit und Ausbeutung anderer Menschen gehören verurteilt. Es gebe auch keine Entschuldigung für die großen Einkommensunterschiede und für die soziale Besserstellung der Arbeitgeber

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