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des kleinen Hofes befand sich der Hackstock und aus einer Nische nahm Karin die Scheite. Etwas unbeholfen nahm sie die große Hacke, die im Hackstock steckte und versuchte die Scheite zu zerteilen. Sie wusste, dass ihr dabei kein Missgeschick zustoßen dürfe, denn ihr würde nicht geholfen werden. Das nächste Krankenhaus war erst in einer Stunde erreichbar und bis dahin könnte sie verblutet sein. So gab sie sich redlich Mühe, um gut voranzukommen und trotzdem war sie vorsichtig, um sich nicht zu verletzen. Ihr blieb aufgrund der abgebrochenen Schulausbildung keine andere Wahl, wenn sie nicht ohne Brot und Bett dastehen wollte, mit Dorli am Arm, als Bettlerin durch das Land zu ziehen, musste sie diesen Gulag mitmachen. Doch dann kam ihr eine glänzende Idee. Sie wunderte sich selbst, warum sie nicht schon früher daran gedacht hatte. Aber so war sie. Sie dachte kaum an sich, immer nur daran, wie es den anderen mit ihren Handlungen geht. Das hat ihr die Mutter anerzogen und während ihrer Kindheit hat sich diese Einstellung entwickelt. Ihre Mutter schlug sie kaum, sie bekam selten eine Ohrfeige, aber ihre kreischende Stimme bewirkte in ihr einen Schmerz, den sie in den Knochen spürte, so als ob er ihre Gebeine zersägte. Waldemar war wenig erfreut, dass er sich mit Karin treffen sollte, schließlich gab es in diesem unaussprechlichen Ort kein Kurbad und die Attraktivität Karins war durch Dorli noch tiefer in den Keller gerückt. Dann kam aber doch ein Wiedersehen zustande. Sie trafen sich auf weiter Flur, etwas unromantisch, so wie diese Beziehung war, abseits der Landstraße in einiger Entfernung von Hannis Haus. Die Gänse schnatterten um ihn und es brauchte etwas Geduld sie zu beruhigen. Um sie herum war Wiese und Karin hatte keine Schuhe an. Als Waldemar sie danach fragte, begründete sie es damit, nur ein Paar zu besitzen und das wolle sie nicht mit Gänsekot beschmutzen und außerdem sei der Boden schon etwas kühl und der Gänsekot wärme sie ein wenig. Sie bringt das Thema auf ihr Anliegen, warum sie Waldemar gebeten hatte, in diese Gegend nahe diesem unaussprechlichen Ort zu kommen. Ob es ihm denn so schwer falle sie zu ehelichen und für sie und Dorli zu sorgen. Sie würde in der Stadt eine Arbeit annehmen, vielleicht als Bedienerin. Würde etwas zum Leben beisteuern wollen, damit er es nicht allein tragen müsse. Waldemar, sichtlich beschämt, fragt sie ganz unvermittelt danach, wieviel Zeit sie für die Abreise benötige. Nach kurzer Überlegung sagt sie, sie müsse noch die Gänse und Dorli versorgen. „Treffen wir uns beim Gasthof am Kirchplatz, so etwa in einer Stunde.“ Es war das zweite Glas Bier, das Waldemar gerade bestellte, als Karin zu ihm trat. Der Kellner warf ihr einen fragenden Blick zu während sie sich neben Waldemar setzte, ohne ein Getränk zu bestellen. Waldemar goss das Bier in einem Zug in sich hinein, stand auf, rief den Kellner, um zu bezahlen und die drei verließen in Windeseile die Gaststätte.

      Hochzeit

       Karin spielt mit Waldemar zwischen den Wäschestangen des großen Hofes Fußball. Dorli läuft lachend dem Ball nach. Die Szene strahlt Harmonie aus und Karin plant in Gedanken, wie es wäre, außer dem Bedienen der wohlhabenden Beamtenfamilie eine Arbeit in der Fabrik zu beginnen. Gerade jetzt stünden die Chancen günstig aufgenommen zu werden. Waldemar würde nichts dagegen haben, wenn sie eine Arbeit als Helferin annähme und ein paar Stunden die Woche im ersten Stock des Mehrparteienhauses die Wäsche und die gröberen Arbeiten eines Beamtenhaushalts erledigte. Die Vorbereitungen zur Hochzeit nahmen Gestalt an. Das gemeinsam genutzte Zimmer, bis jetzt lebten die beiden im Konkubinat, wurde von Karin auf Hochglanz gebracht. Die Spuren der vergangenen Tage, als noch das Preferencen das Zimmer beherrschte, waren beseitigt. Statt der schönen Wolldecke, auf der Karten und Spielkapital die Besitzer wechselten, wurde ein Tischtuch aus Damast aufgezogen. Die Aschenbecher wurden entleert und geputzt in den Küchenschrank gestellt. Die leeren Bierflaschen waren dem Greißler zurückgegeben worden. Die Betten wurden frisch überzogen und die Vorhänge gewaschen. Eine sogenannte „Fassung“ vom Greißler im jagdgrünen Rucksack nach Hause getragen, überlegt, ob schon alles für die Hochzeitstafel zuhause wäre oder ob noch etwas vergessen wurde. Karin hatte die vergangene Woche saubere Arbeit geleistet. Eine Kiste Bier und selbstverständlich zwei Flaschen Sekt leistete sich Waldemar für jene Feier, der er eigentlich gar nie beiwohnen wollte. Dafür freute sich die Kartenrunde umso mehr. Nach der sehr schlichten Zeremonie mit Ringübergabe, Kuss und Unterschrift der Brautleute, sowie der beiden Beistände, die der Kartenrunde angehörten, trat die Gruppe den Nachhauseweg an. Während der Zeremonie ging ein Starkregen mit Hagel nieder. Die Hochzeitsgesellschaft, die eher den Eindruck erweckte, mit der gestohlenen Braut unterwegs zu sein, wartete das Ende ab und ging danach durch die von Hagel gesäumten Straßen nach Hause. Der Hagel kam nicht ungelegen, Waldemar stellte darin die zwei Sektflaschen kalt, dann ging es zum Buffet. Karin zauberte schmackhafte Köstlichkeiten aus dem Einkauf. Die Kartenrunde freute sich schon auf das Bier nach dem Hochzeitsschmaus, doch zuerst stießen sie mit Sekt an und ließen das Brautpaar hochleben. Als die Kiste Bier leergetrunken war, schleppten die Beistände eine weitere Kiste als Überraschung herbei, die auch bald zur Neige ging. Waldemar verspielte an diesem Tag ein kleines Vermögen und eigentlich müsste Karin gar nicht Bedienen gehen, wenn nicht so viel Bier und verlorene Spiele tonangebend wären. Der erste Tag begann mit freundlichem Wetter, die Sonne setzte sich meistens durch und die Wolken, die der Wind vom Vortag übriggelassen hatte, waren bald verweht. Karin war als Erste aus dem Bett und gerade dabei, Kathreiner Kaffee zu kochen, ein Malzkaffee, der bekömmlich und gutschmeckend war. Bohnenkaffee war sündhaft teuer. Die leeren Bierflaschen, die Aschenbecher und die Unordnung vom Vortag beseitigte sie, während der Kaffee kochte. Waldemar wurde vom Duft des Kaffees und der Küchengeräusche angelockt und begab sich steif und schwerfällig aus dem Bett. Als Frühstück konnten noch Köstlichkeiten vom Vortag verzehrt werden. Der Sekt war allerdings bereits ausgetrunken und somit konnte man auch das Frühstück nicht als Sektfrühstück im klassischen Sinne bezeichnen. Waldemar wäre Bier auch lieber gewesen, als der Kathreiner. Zu blöd, dass er nicht zwei Flaschen weggelegt hatte und heute war Sonntag, aber er würde einfach Karin schicken, damit sie ein paar Flaschen aus dem Wirtshaus holte. Es ist zwar ein kleiner Fußmarsch nötig, doch Karin tut die Morgengymnastik bestimmt gut.

      Dorli

      Dorli entwickelt sich prächtig und sie liebt ihre Gänseschar. Die Abneigung, die Hanni gegen die unehelich geborene Dorli entwickelte, übertrug sich ausschließlich auf Karin, auf ihr Konkubinat und ihre sündige Wollust. Die Ablehnung setzte sich nach der Eheschließung weiter fort. Dorli hingegen war das liebe, herzige Binkerl, die nicht unter die Kategorie ‚Gfries umasist‘ gereiht war. Sie hatte die Herzen der Verwandtschaft recht bald erobert. Hanni war nun ihre Bezugsperson. Karin spürt nun auch die Entfremdung zwischen ihr und Dorli. Sie sehnt sich nach Geborgenheit, Liebe und häuslichen Frieden und ist dabei, ihre Tochter gegen den finanziellen Erfolg zu tauschen. Ihre Beziehung zu Waldemar beruht ja auf diesem häuslichen Frieden. Sie führt den Haushalt, holt ihm das Bier und geht bedienen, ja wofür, doch nur um seine Spielschulden auszugleichen. Über ihr Leben und ihre Lage muss sie jetzt ernsthaft nachdenken, doch je mehr sie darüber nachdenkt, desto klarer sieht sie ihre triste Lage. Wird sie jetzt für ihr jugendliches Begehren dermaßen unbarmherzig durch die zur Schau getragenen Ansichten über Sitte und Moral gestraft? Mittlerweile ist Dorli zu einem netten, liebenswerten Mädchen herangewachsen, das nicht nur am Land, sondern auch in der Stadt sympathisch erlebt wird. Die Herzen flogen ihr zu. Sie war zu ihrer Mutter gezogen, als die Schule für sie begann. Karin begleitete Dorli, um mit ihr den Schulweg bis zum Schultor zu gehen, dort wurde Dorli von einer Lehrerin der Weg in die Klasse gewiesen. Mit ihr kamen weitere Schülerinnen. Das Gebäude war ausschließlich für Mädchen bestimmt. Die Buben waren auf der gegenüberliegenden Straßenseite untergebracht. Mit 39 Erstklasslern teilte sie die Klasse. Alle waren ganz schlicht gekleidet, ein Kind hatte eine Schultüte. Die Namen wurden verlesen und die genannte Schülerin musste aufstehen und nach ein paar Worten von der Lehrerin durfte sie sich wieder setzen. Der erste Schultag war vorbei, man tratschte noch ein wenig beim Verlassen des Schulgebäudes. Dorli trat den Nachhauseweg allein an, Karin unterwies sie auf die Gefahren am Schulweg und vertraute ihr, weil sie schon so ein vernünftiges Mädel geworden war. Zuhause berichtete sie voller Freude, wie gut ihr die Schule gefalle. Die Lehrerin und die Kameradinnen sind alle so nett und sie freue sich schon auf den nächsten Tag. Am nächsten Tag fragte die Lehrerin: „Wer von euch kann schon lesen?“ Die Schülerin mit der Schultüte zeigte auf. „Welche Buchstaben kennst du?“ „Alle!“ „Kannst du sie auch schreiben?“ „Nein! Die meisten.“ „Wer kennt noch

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