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ist, sonst verar… er dich, wo er nur kann.‘ Und Stefan behielt Recht. Ich hatte mit Firlefanz definitiv ein Dominanz-Problem: Das heißt, Firlefanz hatte die Dominanz und ich das Problem!

      Longieren machte auch keinen Spaß, denn inzwischen hatte Firlefanz raus, wie er, wenn er nur schnell genug reagierte, mich durch die komplette Halle ziehen konnte. Gelang ihm das nicht, blieb er einfach stehen und bewegte sich kein Stück mehr. Mir war zum Heulen! Meine ‚Unfähigkeit’ hatte sich inzwischen bei den andern Reitern herumgesprochen und ich wurde von guten ‚Ratschlägen‘ schier erschlagen. Wenn ich gekonnt hätte, ich hätte den Stall nie wieder betreten!

      Immer wieder kam ich an den Beritt-Tagen in den Stall und überzeugte mich davon, dass Firlefanz unter Horst brav war, wie ein Lämmchen. Es lag also definitiv an mir!

      Horst ritt meist spät am Abend, wenn Ruhe in den Stall eingekehrt war. Am Ende der ersten Woche bat er mich, nach seinem Ritt zu ihm in die Halle zu kommen.

      „Weißt du, Mareike. Irgendetwas läuft völlig schief mit euch beiden. Es tut mir leid, dass ich in dieser Woche keine Zeit für dich hatte, aber jetzt wollen wir der Sache doch mal auf den Grund gehen. Firlefanz hat sich schon unter mir ausgetobt und jetzt möchte ich einfach nur sehen, wie du ihn durch die Halle führst.“ Horst drückte mir die Zügel in die Hand und trat von dem Pferd weg.

      Unschlüssig schaute ich auf das kleine Pferd. Dann drehte ich mich um und stiefelte los, Firlefanz hinter mir herziehend. Der kleine Fuchs stampfte zwei Schritte mit, dann blieb er stehen und stemmte sich gegen mich. Unsicher ruckte ich an den Zügeln, so wie Stefan es mir gezeigt hatte und schrie Firlefanz an: „Komm jetzt mit!“

      Firlefanz war ja nicht blöd. Er merkte meine Unsicherheit und der Ruck mit den Zügeln tat ihm im Maul weh. Ein kurzer sichernder Blick Richtung Horst und Firlefanz setzte sich kurz auf die Hinterhand und stieg. Erschrocken ließ ich die Zügel los, was Firlefanz mit einem erfreuten Buckeln und Quer-durch-die-Halle-rennen quittierte. Entsetzt schaute ich auf die auf dem Boden schleifenden Zügeln. Wenn Firlefanz sich nur nicht verletzte! Mir traten die Tränen in die Augen.

      Horsts Blick wanderte zwischen Firlefanz und mir hin und her. Erst als Firlefanz augenscheinlich nach der besten Stelle zum Wälzen suchte, schritt er ein. „Wag es nicht, du Lauser!“ Firlefanz stoppte in seiner Wanderung und schaute unsicher zu Horst hinüber. Der streckte seine Hand aus. „Komm her, kleiner Kerl, dann ziehen wir dich aus und du darfst dich wälzen!

      Firlefanz zögerte nur kurz, dann schritt er langsam auf Horst zu und ließ sich von ihm am Zügel nehmen. Horst brachte Firlefanz zu mir.

      „Tja, Mareike. Da haben wir noch eine Menge Arbeit vor uns. Jetzt sattel den Kerl mal ab, und während er sich wälzt, machen wir einen Plan, wie es weiter geht.“

      Und es ging weiter! Horst erkannte schnell, dass das größte Problem zwischen Firlefanz und mir, meine gespielte Strenge war. Das Pferd spürte den krassen Gegensatz zwischen meiner Haltung und meinen Taten. Die passten einfach nicht zusammen. Einem so widersprüchlichen Menschen konnte ein Pferd einfach nicht vertrauen und deshalb tat Firlefanz das, was er für das Beste hielt: Er ignorierte mich!

      Horst lehrte mich, mich wieder auf mein Bauchgefühl zu verlassen – so wie ich es auch bei Topgun getan hatte. Und siehe – es wirkte! Die zweite Woche arbeitete ich jeden Abend, wenn der Stall sich geleert hatte, unter Horsts Anweisung. In der dritten Woche versuchte ich es jeden zweiten Tag allein mit Firlefanz. Ich begann, unser Programm zu variieren. Zum einfachen ‚an der Longe im Kreis herumlaufen‘ gesellte sich Bodenarbeit mit Stangen, Planen und Kegeln. Auch an der Longe verlangte ich Firlefanz mehr Aufmerksamkeit ab: Er lernte, auf meine Körpersignale zu achten und schnellstmöglich darauf zu reagieren. Und ich lernte, meine Körpersignale so einzusetzen, dass Firlefanz sie verstand! Je mehr Abwechselung ich dem Pferd bot und je aufmerksamer es dabei sein musste, desto weniger Unfug ließ es sich einfallen. Wir hatten eine Menge Spaß miteinander!

      In der vierten Woche überredete Horst mich, in den Sattel zu steigen.

      Stefan freute sich aus der Ferne an unseren Fortschritten. Sein Aufenthalt in China verlängerte sich um noch einmal mindestens zwei Wochen und so war er froh, dass ich mich mit Firlefanz zusammengerauft hatte.

      Er gab mir eine Menge Tipps, wie sein Pferd am einfachsten zu reiten wäre und während er mir freudig von seinem bevorstehenden ‚Visumsflug‘ nach Hongkong vorschwärmte, schweiften meine Gedanken immer wieder zu dem kleinen munteren Fuchs.

      Mein erster Ritt auf Firlefanz wurde zu genauso einem Desaster, wie das erste Longieren. Fest hatten sich in meinem Kopf die Ratschläge meines Freundes eingegraben: Sei streng, lass ihm nichts durchgehen, reite mit viel Körperspannung. - Bei mir funktionierte nichts davon!

      Kaum setzte ich einen dieser Ratschläge um, schon landete ich im Dreck!

      „Sag mal, Mareike“, Horst schaute mit hochgezogenen Augenbraunen auf mich hinunter. Firlefanz hatte sich mal wieder mit einem gekonnten Stolperschritt mit anschließendem Buckler meiner entledigt. „Übst du heute nur das Aufsteigen und Herunterfallen oder willst du auch noch Reitunterricht?“

      Ich schluckte meine Nervosität hinunter und rieb meine schmerzende Kehrseite. „Was soll ich denn machen? Kaum will ich etwas von Firlefanz, schon wirft er mich ab!“ Missmutig schaute ich auf den aufmüpfigen Fuchs.

      „Was du machen sollst? Herrgott Sakrament, zuhören sollst du!“ Horst wirkte richtig sauer. „Reiten ist Teamsport. Das bedeutet, ihr zwei müsst zu einem Team werden. In einem Team arbeitet man zusammen, aber du gibst Firlefanz ja gar keine Chance! Kaum nimmst du die Zügel auf, versuchst du schon, ihm deinen Willen aufzuzwingen. So etwas kann Stefan machen. Der hat auch die Kraft, seinen Willen durchzusetzen. Aber du bist nicht Stefan – und du kannst mir auch nicht erzählen, dass du früher deinen Topgun so geritten bist.

      Bitte Firlefanz um seine Mitarbeit, sag ihm mit deinem Körper, mit allen ‚Hilfen‘, was du von ihm willst und er wird versuchen, dir zu gefallen. Firlefanz ist so ein Pferd. Er will es ja richtig machen, er verträgt nur keinen Zwang.“

      Horsts Ansage brachte mich zum Grübeln. Topgun, ja, ihn hatte ich zu nichts zwingen müssen. Ihm hatte ich nur angedeutet, was ich wollte, und er hatte es getan. Firlefanz war ganz anders. Er reagierte viel schneller und sensibler als Topgun. Kaum kam eine Hilfe nicht richtig, schon lag ich im Dreck. Topgun hätte so etwas nie getan, er hätte versucht herauszufinden, was ich von ihm wollte.

      Horst hatte in der Zwischenzeit Firlefanz eingefangen und hielt mir den Steigbügel gegen. Resignierend schwang ich mich wieder in den Sattel.

      Horst hielt mich fest. „Bevor du jetzt los reitest, schließ deine Augen und hör auf meine Stimme. Verlass dich auf Firlefanz. Es kann ja nichts passieren. Wir sind in der Halle und hier kann er nicht weglaufen!“

      Ergeben schloss ich die Augen und ließ Firlefanz antreten. Deutlich spürte ich die Anspannung des Pferdes und mir wurde zum ersten Mal bewusst, dass nicht nur ich unsicher war. Auch Firlefanz wusste nicht, was auf ihn zukam. Langsam drang Horsts Stimme zu mir durch. „Du sollst über seinen Hals streichen, hab ich gesagt. Ja, so ist es richtig. Fühl das Pferd: mit den Händen, mit den Beinen – mit deinem ganzen Körper. Lass dich einfach tragen und vertrau ihm.“

      Mit jedem Schritt fühlte ich mehr, wie die Anspannung von Firlefanz und mir abfiel. Gut, wir wurden nicht an diesem ersten Tag zu einem Team, aber im Laufe der Wochen rauften wir uns mehr und mehr zusammen.

      Firlefanz würde nie ein Topgun werden – und das war gut so. Mit Firlefanz war jeder Ritt ein kleines Abenteuer. Der kleine Fuchs hatte es faustdick hinter den Ohren und war immer für eine Überraschung gut. Aber wenn man ihn zu nehmen wusste, dann konnte man auch mit ihm ‚tanzen‘!

      Stefan war damals insgesamt über ein Vierteljahr in China. Die Heimreise, die ihm zwischendrin zugestanden hätte, nutzte er, um mich zu sich zu holen. So verbrachen wir eine Woche zusammen in diesem für mich sehr fremden Land. Stefan gefiel das Land, das Leben, die Menschen – mich zog es zurück zu seinem Pferd!

      Eine Woche bevor Stefan zurückkam, machte es dann ‚Klick‘ bei Firlefanz und mir. Ich weiß

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