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er auf Heikes Signal an. An jedem Hindernis zieht er an, um mit einem weiten Sprung sicher auf der andern Seite aufzukommen. Dann der Galoppsprung durchs Ziel. Der Film in meinem Kopf wechselt auf Zeitlupe. Heikes Faust reckt sich im Triumph nach oben, Topguns Hinterbeine greifen im Galopp kraftvoll unter seinen Körper, die Muskeln an seiner Hinterhand spielen eindrucksvoll – und plötzlich verschwindet das Pferd aus dem Film. Ich schaue auf den Boden: Topguns Vorderhand ist weggebrochen, der Vorderhuf steht in einem merkwürdigen Winkel zum Vorderbein. Heike löst sich vom Pferd und fliegt durch die Luft. Sie rollt sich zusammen und schlägt ein Stück vom Pferd auf. Topgun wird vom eigenen Schwung weitergetragen und überschlägt sich. Mit einem laut knackenden Geräusch bricht sein Genick. Die Hinterhand schlägt auf und trägt das gesamte Pferd noch ein Stück weiter. Dann liegt es still. Der Staub senkt sich langsam und ich sehe, wie Heike sich langsam aufrappelt. Ihr ist nichts geschehen - nur Topgun liegt so still, so unfassbar still!

      ***

      Mareike wischt sich die Tränen aus den Augen. Dann erzählt sie weiter.

      ***

      Ich weiß noch, wie ich mich von Stefan losriss und zu Topgun stürzte. Ich hielt seinen Kopf und streichelte seine Stirn. Während für mich die Zeit stillstand, handelten die Menschen um mich herum. Fremde Menschen versuchten, mit Decken Topgun und mich vor neugierigen Blicken zu schützen. Heike trat zu mir und legte mir die Hand auf die Schulter, aber ich schüttelte sie ab. Tränen rannen lautlos über mein Gesicht. Nur nebenbei nahm ich den Tierarzt wahr, der kurz zu Topgun trat, aber mit einem Kopfschütteln signalisierte, dass nichts mehr zu machen sei. Heike redete auf mich ein, aber ich hörte kein Wort. Topgun, eben noch so lebendig, konnte einfach nicht tot sein!

      Stefan war es, der mich letztlich mit leichter Gewalt von Topgun trennte. Er hielt mich fest im Arm und führte mich zu Firlefanz, dessen Zügel er locker um einen Pfosten geschlungen hatte. Während er die Zügel löste, klammerte ich mich an Firlefanz‘ Hals und schluchzte hemmungslos – und der unruhige kleine Kerl hielt still, als ob er verstand, wie sehr ich das jetzt brauchte.

      Keine Ahnung, wie ich an dem Tag nachhause kam. Stefan hatte sich um alles gekümmert. Und so blieb es auch die nächste Zeit. Heike rief in der Woche nach dem tragischen Unfall an und bat mich, meine Sachen aus dem Spind zuholen. Für sie stand ein längerer Auslandaufenthalt an und sie hatte die Box für diese Zeit ‚untervermietet‘. Nach ihrer Rückkehr wollte sie nach einem neuen Pferd schauen und sie würde sich dann bei mir melden. Was sie, nebenbei gesagt, nie getan hat.

      Ich konnte nicht zum Stall gehen. Irgendetwas in mir wollte nicht wahrhaben, dass Topgun nicht mehr da war. Den Anblick seiner leeren Box hätte ich nicht ertragen können! So fuhr Stefan für mich dorthin und nahm meine Sachen in Empfang. Er räumte alles in einen Karton und verstaute ihn auf meine Bitte in den tiefsten Tiefen meines Kellers.

      Plötzlich hatte ich viel Zeit. Ich stürzte mich mit vollem Elan auf mein Studium, und wenn Stefan nicht gewesen wäre – ich wäre total vereinsamt!

      Er rief immer wieder an und überredete mich zu ein bisschen Abwechslung: Sei es zu einem Kinobesuch oder zu einem Stadtbummel. Gern ließ ich mich ablenken und langsam kamen wir uns näher – nur in den Pferdestall begleitete ich ihn nie. Es wäre mir wie ein Verrat an Topgun erschienen!

      So verging fast ein halbes Jahr. Inzwischen waren Stefan und ich fest zusammen. Ich wohnte fast bei ihm – nur zum Lernen zog ich mich in meine Wohnung zurück. Wir verstanden uns hervorragend, nur meine Weigerung den Stall zu betreten, stieß immer mehr auf Stefans Unverständnis. An einem Wochenende kam es dann zum großen Streit.

      „Schatz, ich hab da eine kleine unangenehme Neuigkeit“, leicht zerknirscht trat Stefan an das Sofa, auf dem ich ausgestreckt vor mich hin faulenzte. Skeptisch schaute ich zu ihm auf.

      „Guten Abend, erst mal!“ Ich setzte mich auf, schlang meine Arme um Stefans Hals und zog in zu mir hinunter. Lachend ließ er sich auf mich fallen, vorsorglich aber sein Gewicht auf den Händen abstützend. Mit Stefan zu kuscheln, ließ mich die Welt um mich herum vergessen! Nach einer Weile löste sich Stefan von mir.

      „Du, da ist wirklich etwas, was ich dir sagen muss.“ Stefan setzte sich neben mich und strich sich mit beiden Händen durch sein volles Haar. „Auf der Baustelle in China geht gerade alles Drunter und Drüber. Das lässt sich nicht mehr am Telefon regeln und so haben wir heute beschlossen, dass ich am Sonntagabend runter fliege und es mir vor Ort mal anschaue.“

      Ich zuckte mit den Schultern. Es kam immer mal vor, dass Stefan für ein paar Tage geschäftlich verreisen musste – also keine große Neuigkeit. Ich legte meinen Arm um seine Schultern und schmiegte mich an ihn. „Ok. Dann haben wir diesmal nur ein kurzes Wochenende. Wann kommst Du zurück?“

      Stefan seufzte. „Das ist das Unangenehme: Diesmal muss ich deutlich mehr Zeit einplanen. In der Firma gehen wir von circa vier Wochen aus.“

      Ich drehte seinen Kopf zu mir und küsste ihn sanft. „Aber das ist doch kein Problem! Bei mir beginnt jetzt auch der Prüfungsstress und ich wäre in der Zeit bestimmt unausstehlich.“ Ich lächelte über seine bekümmerte Miene. „Außerdem klappt es doch mit dem Skypen in China ganz prima. Im Hotel und auf der Baustelle hattest du doch bisher immer WLAN Zugang. Ach komm.“ Ich knuffte ihn in die Seite. „Jetzt mach nicht so ein bekümmertes Gesicht. Vier Wochen gehen auch vorbei!“

      „Tja, das Geschäft ist auch nicht das Problem – Firlefanz ist es! Ich bin auf dem Rückweg direkt am Stall vorbei. Horst kann den Kleinen für die nächsten vier Wochen in Teilberitt nehmen, aber für Voll-Beritt fehlt ihm einfach die Zeit!“

      Horst, seines Zeichens der Reitlehrer an Stefan Stall, übernahm es sonst immer, nach Firlefanz zu schauen.

      „Und was nun?“ Ich richtete mich auf. „Horst hat doch bestimmt jemanden unter seinen Reitschülern, der Firlefanz für die Zeit übernehmen kann.“ Vorsichtig löste ich mich von Stefan. Eine Ahnung stieg in mir hoch – und ich sollte Recht behalten!

      „Mareike, du weißt genau, wie ungern ich Fremde an Firlefanz heranlasse! Selbst Horst gebe ich ihn ungern. Wir reiten einfach zu unterschiedlich, obwohl er mein Reitlehrer ist. Ich brauche hinterher immer Wochen, bis Firlefanz wieder richtig mit mir ‚funktioniert‘.“Stefans vorwurfsvoller Blick fiel auf mich. „Ist es wirklich zu viel verlangt, wenn du dich dreimal die Woche um den Kleinen kümmerst. Du musst ihn ja nicht reiten. Häng ihn an die Longe oder geh mit ihm spazieren. Dreimal die Woche ist doch wirklich machbar!“

      Ich schluckte. Diese Diskussion führten wir in schöner Regelmäßigkeit bei jeder Dienstreise. Bisher hatte es sich immer um maximal zehn Tage gehandelt. Vier Wochen waren allerdings viel länger.

      „Aber wieso meinst du, dass es mit Firlefanz und mir besser klappen sollte? Dein Pferd kennt mich doch gar nicht. Und außerdem habe ich seit einem halben Jahr nichts mehr mit Pferden am Hut. Das kann gar nicht gut gehen“, wehrte ich ab.

      Stefan witterte seine Chance. „Klar klappt das. Wir fahren jetzt sofort raus und ich zeige dir, wo alles liegt. Dann haben wir noch drei Tage und bis dahin weißt du wieder, wie alles geht. Reiten oder den Umgang mit Pferden verlernt man einfach nicht!“ Stefan zog mich mit einem strahlenden Lächeln an sich. „Dir vertraue ich einfach. Und du hast keine Turnierambitionen und versuchst bestimmt nicht, meinen Kleinen zu verbiegen. Wirst sehen, es wird toll.“

      Keine Ahnung, wieso ich diesmal nachgab! Die verbleibenden drei Tage verbrachten wir fast komplett im Reitstall. Stefan stellte mich allen vor und unterwies mich im Umgang mit dem kleinen quirligen Fuchs. Der freche Kerl hatte schnell raus, dass mir die Übung im Longieren abhandengekommen war. Brav lief er seine Runden, um in einem unaufmerksamen Moment von mir, blitzschnell umzudrehen und mich durch die Halle zu ziehen. Die Zuschauer hatten eine Menge zu lachen - ich definitiv nicht! Am letzten Tag erbarmte sich Horst und bot an, mich in seiner verbleibenden Zeit doch noch zusätzlich unter seine Fittiche zu nehmen. So konnte Stefan beruhigt abfliegen – für sein Pferd war gesorgt!

      Die vier Wochen wurden die anstrengendsten in meinem Leben: Der kleine Fuchs war mir so etwas von über! ‚Spazieren gehen‘ ging gar nicht. Trotz Trense, Longe und Gerte zog Firlefanz mich durch den Wald,

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