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Hoofeller?«, hörte er jemanden fragen. Es war Hülya, die ihn ansah. Erich kam wieder zu sich und ordnete seine Gedanken. »Ja, einen Augenblick«, sagte er langsam. Er musste sich krankmelden.

      Er nahm sein Handy aus der Hosentasche und wählte die Nummer der Schule. »Hallo, ja, ich bin es, Hoofeller. Leider kann ich heute nicht zur Schule kommen. Ich bin etwas unpässlich.« Einen Moment zögerte er und schaute Hülya an. »Ich möchte mich für heute krankmelden«, sagte er dann.

      Eine Weile musste er sich noch anhören, dass er das hätte doch viel früher mitteilen können, jetzt wäre die Klasse schon den halben Unterricht ohne Lehrer. »Entschuldigung«, sagte er mitten in den Redeschwall am anderen Ende, dann schaltete er sein Handy komplett aus.

      Erst jetzt bemerkte er Hülyas genüsslich grinsendes Gesicht. »So, so«, sagte sie, »Sie schwänzen also auch. Dass ich so was mal aus der Nähe erlebe: Ein Pauker, der die Schule schwänzt.«

      Die Frage »Warum grinst du so?« erübrigte sich demnach. Stattdessen fragte Erich: »Und jetzt?«

      Er hatte diese Frage eigentlich mehr sich selbst gestellt. Doch Hülya verstand es als Aufforderung, sich Gedanken zu machen, was sie nun gemeinsam anstellen könnten.

      »Sie haben mich doch gebeten, zu warten«, sagte sie daher nach kurzem Zögern, »Laden Sie mich zu ner Cola ein?« Hoofeller nickte.

      Ein kurzer Blick in die Umgebung genügte. Er hatte die Orientierung wiedergewonnen. Schräg gegenüber lag das kleine Café, mit Sitzgelegenheiten im Freien. Erich steuerte auf einen der Tische zu und setzte sich. Hülya nahm ihm gegenüber Platz.

      So saßen beide eine Weile schweigend da. Es dauerte nicht lange, bis ein Kellner kam und sie fragend ansah: »Eine Cola und einen Cappuccino«, sagte Erich schnell, ehe Hülya überhaupt zu Wort kam. Der Kellner nickte und verschwand.

      »Warum schwänzt du?«, fragte Erich jetzt Hülya. »Warum schwänzen Sie?«, gab die zurück. Erich musste schlucken.

      »Ladies first«, sagte er schließlich, weil ihm nichts Besseres einfiel. »Erst erzählst du, dann ich.«

      Sie wartete gar nicht erst ab, bis Erich den letzten Satz zu Ende gesagt hatte. »Wozu brauch ich Schule?«, begann sie.

      »Es gibt eine Schulpflicht«, wollte er einwerfen, aber er ließ es. Auch auf den zweiten Versuch verzichtete er. Ohne Schulabschluss, wollte er sagen, seien die Chancen auf dem Arbeitsmarkt schlecht. Inzwischen sprach Hülya weiter.

      »Meine Eltern haben schon festgelegt, wen ich nächstes Jahr heirate, wenn ich 16 bin. Mein künftiger Mann verdient gut, wird sich um mich kümmern, dass es mir bestens geht. Was soll ich da mit meiner Schulausbildung anfangen?«

      Inzwischen tauchte der Kellner wieder auf, stellte Erich einen Cappuccino hin, und Hülya bekam ihre Cola.

      Erich nickte dem Kellner kurz dankend zu. »Und du bist einverstanden?«, fragte er dann, während er das Tütchen mit dem Zucker öffnete und über den Milchschaum streute.

      »Warum nicht? Meine Eltern wollen es so.« Hülya nahm einen tiefen Schluck aus dem Glas.

      Erich schüttelte den Kopf, und hob mit dem Löffel das Stück Schaum ab, das am meisten Zucker erwischt hatte. Genüsslich saugte er es in sich hinein.

      »Schmeckt denn so was?«, fragte Hülya und verzog das Gesicht. »Willst du mal probieren?«, bot Erich ihr an.

      Sie schüttelte den Kopf: »Lieber nicht.«

      »Du bist dagegen, musst es aber tun«, meinte Erich.

      Sie schüttelte erneut den Kopf. »Ich bin nicht dagegen. Ich tue, was meine Eltern von mir wollen. Sie wissen am besten, was für mich gut ist.«

      Erich begann zu lachen, brach aber sofort ab, als er in ihr Gesicht blickte.

      »Und du weißt es nicht?«, fragte er leise.

      »Was?« »Was für dich gut ist.«

      Sie schwieg und sah ihn trotzig an. Er unterließ es, weiter nachzufragen. Widmete sich stattdessen seinem Cappuccino. So saßen beide eine Weile schweigend und trinkend da.

      »Jetzt sind Sie dran«, sagte Hülya, als sie ihr Glas geleert hatte, »Warum schwänzen Sie heute die Schule?«

      Erst wollte er sie belehren. Dass sie ja noch gar nicht fertig sei. Aber er schwieg. Und Hülya wiederholte ihre Frage: »Warum schwänzen Sie heute die Schule?«

      Dabei war sie etwas lauter geworden. Lauter, als Erich lieb sein konnte. Er schaute sich um, es waren nicht viele Leute hier. Aber ihm war es unangenehm, dass die hersahen.

      »Was glotzen die so?«, meinte Hülya halb zu den Leuten gewandt, als sie das bemerkte. Die wandten sich kopfschüttelnd ab und sahen in eine andere Richtung.

      »Das«, sagte Erich mit heiserer Stimme, »das kannst du nicht machen!« »Was geht es die Leute an, was wir bequatschen?«, fragte sie.

      »Sie kriegen es eben mit, weil es laut genug ist.« Erich schaute sie verärgert an.

      »OK, verstanden«, sagte sie, »ich bin jetzt leiser, wenn es Ihnen peinlich ist.« Sie lächelte ihn an, und Erich versuchte zurückzulächeln. Was ihm aber nicht gelang. Es wurde ein sehr schiefes Lächeln.

      »Und jetzt«, blieb Hülya hartnäckig, »sind Sie dran.«

      Erich schluckte. Das war ihm noch nie passiert, er war einer Schülerin gegenüber in die Defensive geraten. Sie hatte ihn schon in Verlegenheit gebracht, als sie aller Öffentlichkeit mitteilte, dass er die Schule schwänzen würde. Die Leute konnten sich doch zusammenreimen, dass er Lehrer war.

      Dass dies ausgerechnet ihm passieren musste! Ihm, der doch bestrebt war, nicht das negative Bild zu bedienen, das man gemeinhin in der Öffentlichkeit von Lehrern hatte: wenig Arbeit, viel Urlaub. Und jetzt sahen sie so einen, der das bisschen Unterricht auch noch schwänzte und dabei von einer Schülerin überführt wurde.

      Dass Schüler schwänzen, das war normal. Kam eben immer wieder mal vor. Kein Wunder, Schule ist ja auch nichts, was unbedingt Spaß macht, sondern durch das man durchmuss. Da kommt Schwänzen eben mal vor. Bei Schülern. Aber bei einem Lehrer?

      »Was ist mit Ihnen?«, hörte er plötzlich Hülya fragen.

      Er kam zu sich, blickte in ihr besorgtes Gesicht, sah sich um. Sie saßen allein draußen vor dem Café. Die anderen Leute schienen gegangen zu sein, ohne dass Erich es bemerkt hatte.

      »Herr Hoofeller! Was ist?«

      Jetzt nannte diese dumme Person auch noch seinen Namen. Soll sie doch gleich bei der Zeitung anrufen, damit es dort morgen drinsteht: »Hoofeller, Lehrer einer Gesamtschule, schwänzt den Unterricht.«

      »Was ist?«, hörte er noch einmal die Frage und erkannte die Stimme seiner Schülerin.

      »Alles in Ordnung!«, beeilte er sich zu sagen, und wiederholte noch einmal: »Alles in Ordnung!«

      »Sie waren wohl weggetreten?«, fragte Hülya.

      Und Erich nickte. »Ja«, erwiderte er, »irgendwie war ich weggetreten.«

      »Ist ja auch kein Wunder, denn als Lehrer haben Sie bestimmt noch nie geschwänzt«, meinte Hülya und lächelte ihn verschmitzt an, »Jetzt wissen Sie, wie das ist. Und sind auf den Geschmack gekommen.«

      Schnell schüttelte Erich den Kopf. »Nein«, sagte er, »ganz gewiss nicht!«

      »Aber warum sind Sie denn heute nicht in der Schule?«, fragte sie und schaute ihn an.

      Er zuckte mit den Schultern. »Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich bin heute Morgen zur Schule losgefahren, wie immer. Aber ich bin dort nicht angekommen.«

      Hülya blickte ihn verwirrt an: »Wie? Sie hätten doch bloß bei der Schule anhalten und aussteigen müssen. Versteh ich nicht. Haben Sie sich verfahren?«

      »Gewissermaßen«,

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