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Weile, bis wir uns endlich sehr herzlich begrüßten. Dann sprudelten wir los und stellten durcheinander viele Fragen: Was machst du hier? Warum bist du alleine? Wie geht es deinen Eltern und Geschwistern? Wie läuft es bei dir? Hast du noch deine Weinbar in der Altstadt? Was macht das Weingut? Wie geht es deinen Kindern? — Es war ein schönes Gefühl, Darko zu treffen. Ich fühlte mich sofort in die alten Zeiten unserer unbeschwerten Sommerurlaube zurückversetzt. Erinnerungen kamen hoch ... Er wirkte mit seiner Größe von bestimmt fast eins neunzig und seinem Dreitagebart wie ein Seebär. Auch die ergrauten Schläfen standen ihm gut. Ich hätte noch stundenlang mit ihm weiterreden können, aber er hatte es eilig, bat mich jedoch abends mit ihm essen zu gehen, um unser Gespräch fortzusetzen. Ich freute mich darauf. Warum auch nicht? Darko ist der Sohn eines Freundes meines Vaters und wir kennen uns, wenn auch nur oberflächlich, seit unserer Kindheit.

       Der Abend mit ihm hat mir sehr gut getan. Für ein paar Stunden habe ich alle Sorgen vergessen. Wir haben über die alten Zeiten erzählt und über gemeinsame Bekannte. Stipe, unser Nachbar zur Linken, ist vor zwei Jahren verstorben. Ob mein Vater davon weiß? Er mochte ihn sehr gern. Oft saßen sie zusammen auf unserer Terrasse und haben Wein getrunken, den Darkos Großvater gekeltert hatte. Während wir in Deutschland lebten, kümmerte sich Stipe um unser Haus und pflegte den Garten. Maria, Stipes Frau, putzte vor unserer Ankunft das Haus und bezog die Betten. Meistens hatte sie auch Kuchen für uns gebacken oder Marmelade gekocht. Zdenka, unsere ausgesprochen hübsche Nachbarin aus dem gegenüberliegenden Haus, hat mittlerweile drei Söhne. Sie war sehr in meinen kleinen Bruder Marko verliebt. Einen Sommer lang waren sie ein Paar.

       Es war ein wundervolles Gefühl in alten Erinnerungen an meine Jugend zu schwelgen, meine Muttersprache zu hören und die einfachen einheimischen Köstlichkeiten wie Miesmuscheln, frittierte Baby-Calamari und gegrillte Sardinen zu essen. Ich hatte Darko als einen netten, aber derben Typen, der nicht mit Kraftausdrücken geizte, in Erinnerung. Umso überraschter war ich, dass er sich beim Abendessen als echter Gentleman erwies. Die Stimmung war herzlich und freundschaftlich, er war sehr fürsorglich und höflich. Gegen ein Uhr begleitete er mich zum Hotel und wir verabredeten uns für den nächsten Nachmittag im Bacchus, denn er wollte mir seine frisch renovierte Weinbar zeigen. Als ich am nächsten Tag ins Bacchus kam, hatte sich die Stimmung verändert, ich spürte so etwas wie ein Knistern ... Darko starrte auf meine Brüste, dann sah er mir so tief in die Augen, als würde er mich gleich küssen — es machte mir Angst. Nein danke, ich bin verheiratet lieber Darko, du bist es auch, ich lebe in Deutschland, habe kein Interesse an einem One-Night-Stand, bin aus dem Alter auch schon lange raus und kann nicht noch mehr Unruhe in meinem Leben gebrauchen!

      

       Der SMS-Ton reißt mich aus meinen Gedanken: Schon wieder Darko.

       SMS, 23:54

      So, so, dann muss ich ja wie ein gefährlicher Tiger gewirkt haben, um dich, selbstständige und erfolgreiche Geschäftsfrau, so zu erschrecken :-)

       Das ist dreist! Wenn das seine Antwort auf meine ehrliche Mail ist, dann habe ich instinktiv doch alles richtig gemacht! Gut, dass ich nicht zu dieser Verabredung gegangen bin. Es geschieht ihm recht, dass ich ihn versetzt habe!

      

       SMS, 23:59

      Du machst dich wohl lustig über mich?

       Warum habe ich geantwortet? Diese SMS hätte ich mir sparen können. Warum denke ich nicht, bevor ich solchen Blödsinn tippe?

      

       Mittwoch, 30. Mai

      

       Mail, 17:49 Darko schreibt

      Meine liebe Ana,

      trotz allem freue ich mich sehr über deine Mail. Es war mir nicht bewusst, dass du mir mein Begehren ansehen würdest. Ich kann mir vorstellen, dass es dich Überwindung gekostet hat mir zu schreiben. Danke, dass du es dennoch getan hast.

      Ich fand die Zeit mit dir auch sehr schön, leider viel zu kurz, aber so ist es nun einmal. Was uns angeht, wird sich doch wohl noch eine Gelegenheit für unseren Mojito finden lassen, was meinst du?

      Ich hoffe, du konntest dich hier ein wenig ausruhen. Von den Erzählungen über deinen dynamischen Alltag wurde mir schon vom Zuhören schwindelig. Ana, wenn du spürst, dass dir alles über den Kopf wächst und dir der Druck zu groß wird, dann komm her, komm nach Dubrovnik. Vergiss niemals, dass hier ein vertrautes Lächeln auf dich wartet. Pass bitte auf dich auf und lass dich vom Stress nicht unterkriegen.

      Darko

       Ich lese den letzten Absatz immer und immer wieder ... Wann hat das letzte Mal jemand zu mir gesagt: 'Ich bin für dich da, wenn dir alles zu viel wird?' Ich lese Wärme, Fürsorge in diesen Zeilen und es tut mir gut. 'Wenn dir der Druck zu groß wird, wartet ein vertrautes Lächeln auf dich' ... diese Worte fühlen sich an, wie eine warme Umarmung. Ich spüre Tränen meine Wangen hinunterlaufen.

       Wie muss ich auf ihn gewirkt? Was habe ich ihm beim Abendessen erzählt? Ich habe einfach losgeplaudert. Sah er mir mein gestresstes Leben an? Woher hat er gewusst, dass ich all meinen Mut aufbringen musste, um ihm die SMS zu schicken? Dieser Mann hat scheinbar wahre Größe! Ich habe ihm wohl unrecht getan.

       Mail, 22:07, Ana schreibt

      Danke Darko,

      ich dachte du seist böse auf mich. Jetzt geht es mir schon viel besser! Ich hatte so ein schlechtes Gewissen, dass du den Stein, der mir vom Herzen gefallen ist, wahrscheinlich bis Dubrovnik gehört hast. Danke für deine wunderschönen Worte.

      Ciao, Ana

      Kapitel 2

       Donnerstag, 31. Mai

      

       ***

       Freitag, 01. Juni

      

       Stress! Ich bin mitten auf einer großen Veranstaltung. In regelmäßigen Abständen höre ich den Ton meines Smartphones, das mir den Eingang von Emails signalisiert. Vielleicht sollte ich das blöde Ding einfach mal ausschalten. In einer freien Minute checke ich meine Emails. Ich scrolle runter und spüre auf einmal, wie sich mein Herzschlag beschleunigt. Einer der Absender ist Darko. Aufgeregt gehe ich auf die Toilette, um seine Mail in Ruhe zu lesen.

      

       Mail 14:35, Darko schreibt

      Ciao Ana,

      was machst du heute Schönes? Das Wetter ist hier wunderschön, genau so, wie es dir gefällt. Meinst du, dass du es schaffst, trotz deines wahnsinnigen Arbeitsprogramms, mal ein paar Gedanken in diese Richtung zu werfen? Zumindest ein wenig? Ich denke gerade an dich.

      Ciao, Darko

      

       Er denkt an mich. Ich spüre eine kindliche Freude in mir aufsteigen. Ich habe auch oft an ihn gedacht. Ich kann es kaum erwarten nach Hause zu kommen und ihm zu antworten. Beschwingt gehe ich wieder an die Arbeit.

      

       Mail 02:00, Ana schreibt

      Ciao Darko,

      was für eine schöne Überraschung deine Mail war. Ich bin soeben von einer großen Veranstaltung, die ich organisiert habe, nach Hause gekommen. Eine Firma feiert 25-jähriges Jubiläum, mit mehreren Feierlichkeiten, an verschiedenen Standorten in München und mit über 400 internationalen Gästen.

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