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Das Todesnetz des Ian Degry. Torben Stamm
Читать онлайн.Название Das Todesnetz des Ian Degry
Год выпуска 0
isbn 9783742735782
Автор произведения Torben Stamm
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er hatte Zeit.
Er hatte keine Termine.
Langsam stieg er aus dem Zug, den Lederkoffer in der rechten Hand, und sah sich um: Der Bahnhof hatte sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Auf dem Boden klebten Kaugummis, Graffitis verunzierten die Wände und es roch latent nach Urin.
Ryan Ferdiand musste trotzdem lächeln: Endlich wieder zuhause.
First shot
Phil wischte sich den Mund ab.
Oh scheiße! Ich bin tot!
Ihm war klar, dass das hier kaum gut ausgehen konnte.
Was soll ich machen?
Vor ihm lag die Leiche von Walt Gouren. Den hatte er erledigt, wie er sollte.
Ein Schuss in den Hinterkopf.
Saubere Arbeit – bis dahin!
Aber dann…
Informationen
Es war bereits dunkel, als Ian den Wagen auf dem Parkplatz hinter der Tankstelle abstellte.
Edgar Svenson stieg in dem Moment in Ians Wagen, als der gerade den Motor ausschaltete.
„Abend“, sagte der wortkarge Schwede, während er die Tür zuzog.
„Hi.“ Ian wollte das hier so schnell wie möglich hinter sich bringen: Diese Treffen waren notwendig, aber er fühlte sich nie wohl dabei.
Svenson gehörte zur städtischen Polizei. Sie durften nicht zusammen gesehen werden, weswegen sie ihre Treffen so diskret und selten wie möglich abhielten.
„Du wolltest mich sprechen“, stellte Ian fest, womit er eigentlich sagen wollte: Jetzt mach schon, ich habe nicht ewig Zeit.
Svenson nickte: „Ja.“
Er wartete eine Weile. Nicht, weil er Ian provozieren wollte: Er wusste, zu wem er ins Auto eingestiegen war. Nein, es war einfach seine Art, alles bedächtig zu machen. Das war auch der Grund, warum Ian ihm als Quelle vertraute: Svenson war ebenso gründlich wie er selbst.
„Sie wollten, dass ich Sie darüber informiere, wenn etwas passiert.“
„Und ist etwas passiert?“
„Nein.“
Ian stutzte: „Und warum sitzen wir dann hier?“
„Weil etwas passieren wird.“
Ian unterdrückte ein Stöhnen, das diese Unterhaltung nur weiter verlängert hätte. Svenson fuhr fort: „Es wird etwas passieren, davon ist auszugehen.“ Er nickte bedächtig. „Alles deutet darauf hin.“
„Wie kommen Sie darauf?“ Es fiel Ian zunehmend schwer, sich zu kontrollieren. Er hatte genügend Stress, da…
„Es ist jemand mit dem Zug heute Mittag angekommen.“
Jetzt hatte Svenson Ians ungeteilte Aufmerksamkeit: „Wer?“
Svenson wartete einen nervtötenden Augenblick, dann sagte er: „Ryan Ferdinand.“
Ian spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Er musste nicht fragen, wer Ryan Ferdinand war.
Jeder kannte diesen Namen.
Und das hatte einen Grund.
***
Die zweite Nachricht, die Ian Degrys Stresslevel in die Höhe jagte, erhielt er am nächsten Morgen wie alle Leser der örtlichen Tageszeitung als kleine Randnotiz: Haus abgebrannt!
Ian saß mit einem Kaffee am Küchentisch, von dem er vor Schreck etwas verschüttete, woraufhin er die Zeitung fallen ließ: „Scheiße!“, rief er und sprang auf, um sinnfrei an seiner Jeans herumzuwischen.
Resigniert schüttelte er den Kopf. Die Hose würde er wechseln müssen.
Er griff nach der Zeitung und überflog die kurze Notiz, die eigentlich nur beinhaltete, dass ein Einfamilienhaus abgebrannt war. Die Polizei ging von einem Unfall aus. Der Besitzer wurde noch vermisst, aber vielleicht war er einfach nur auf einer Geschäftsreise.
Das eigentliche Problem war die Adresse.
Diese Adresse hatte er erst vor Kurzem Phil Szwan auf einem Zettel präsentiert.
Also: Warum war das Haus des Mannes abgebrannt, den Szwan töten sollte, und warum konnte die Polizei den Besitzer, also das verdammte Opfer, nicht finden?
Das konnte Mehreres bedeuten:
1. Es war wirklich ein Unfall gewesen. In diesem Fall gab es kein Problem, sondern nur eine zeitliche Verzögerung.
2. Das Opfer hatte sich gewehrt, zum Opfer zu werden, und war stattdessen zum Täter mutiert. Demnach wäre Szwan wahrscheinlich tot oder er würde es bald sein, wenn Degry ihn in die Finger bekam. Auf jeden Fall würde das Opfer/der Täter untertauchen. Diese Variante war ein Problem, aber das konnte man regeln.
3. Es steckte irgendwas anderes dahinter.
Und die letzte Variante war diejenige, die Degry ernsthaft Kopfzerbrechen bereitete. In den anderen Fällen war klar, wie zu verfahren war. Die dritte Variante aber war unüberschaubar und damit unberechenbar. Genau das machte Variante drei ja auch erst zu Variante drei.
Degry ging ins Schlafzimmer, um seine Hose zu wechseln.
Dabei kreisten seine Gedanken aber nicht mehr um Szwan, dessen Überlebenswahrscheinlichkeiten so oder so ziemlich gering waren, sondern um die Information, die er gestern von Svenson erhalten hatte.
Ryan Ferdinand!
Hier!
Das war viel Schlimmer als die dritte Variante!
Das war… Das konnte alles beenden, was Degry sich die letzten Jahre aufgebaut hatte. Wobei er sich eigentlich nicht sicher war, ob das, was er sich aufgebaut hatte, es überhaupt wert war, erhalten zu werden.
Ryan Ferdinand!
Er hatte sofort Gregor angerufen und ihm mitgeteilt, dass sie sich treffen mussten.
Gregor war unterwegs gewesen – „wichtige Meetings“ – aber gleich würden sie sich zusammensetzen und…
Und was?
Wenn Degry das wüsste, wäre ihm wohler.
Berufszufriedenheit
Es liegt in der Natur des Menschen, dass er immer weiter hinauf will. Deswegen ist der Mensch mit der Welt und dann mit dem Mond nicht zufrieden gewesen, nein, zukünftig soll es doch bitte auch der Mars sein.
Deswegen gab es die Bankenkrise und wird es sie wieder geben und aus dem gleichen Grund platzen regelmäßig irgendwelche Blasen (Immobilienblasen, IT-Blasen, etc.).
Das Platzen einer Blase ist ein schmerzhafter Prozess.
Manchmal glaube ich, dass meine persönliche Blase auch kurz vorm Platzen steht. Dass ich mich übernommen habe.
Klar, ich töte Menschen, weil es mein Job ist, aber natürlich mache ich das mit einem gewissen Anspruch.
Dem Anspruch, der Beste dabei zu sein.
Derjenige, der niemals erwischt wird.
Derjenige, der jeden töten kann.
Und natürlich hat es mir geschmeichelt, als Gregor mich befördert hat.
Abteilungsleiter - Fachbereich Mord!
Ich habe jetzt Leute unter mir,