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war, fand dann im wirklichen Leben statt. Eines Tages hatte Kurt den Bus verpasst, der ihn zu seiner Verlobten bringen sollte. Also nahm er sich kurzer Hand ein Taxi und kam früher als verabredet bei der Wohnung der Verlobten an. Die war aber noch intensiv in flachlegen-Stellung und flachlegen-Stimmung, was bis in das Treppenhaus nicht zu überhören war.

      Kurt war empört und verletzt. Möglicherweise auch in umgekehrter Reihenfolge. Die Verlobung wurde jedenfalls förmlich aufgehoben. Per Einschreiben und mit Rückforderung des Verlobungsringes.

      Kurt hielt noch gut eine Woche durch. Danach landete er wieder auf der geschlossenen Station und blieb dieses Mal für ein gutes halbes Jahr dort. Beziehungsgeflecht therapeutisch entsorgen.

      Die nächste Auserwählte war dann zwar deutlich hübscher, als Kurts Verlobte es gewesen war. Entsprechend groß war damit aber auch die Heerschar ihrer Verehrer und Kurts Konkurrenz.

      Kurts Vorteil bestand darin, dass er sich mit einer platonischen Freundschaft zufriedengab. Zumindest für den Anfang. Die anderen Stecher wollten das genaue Gegenteil. Und das ließ Kurts Freundin nicht zu. Zumindest für den Anfang.

      Leider hatte Kurt die Episode mit seiner Verlobten nicht komplett aufgearbeitet. Er wurde immer misstrauischer und eifersüchtig, sobald sich jemand auch nur in die Nähe seiner Freundin wagte.

      Als er diese dann eines Tages nach Arbeitsende in der Werkstatt in ein ihm nicht bekanntes Auto einsteigen sah und noch mitbekam, dass der Fahrer seiner Freundin einen Kuss gab, machte es wieder klick.

      Kurt notierte sich das Nummernschild und beauftragte einen Privatdetektiv damit, herauszufinden, wo dieser Mistkerl wohnte. Danach ging er in den bösen Teil seiner Siedlung, welcher nur zwei Straßenzüge weiter begann, und schaffte es dort irgendwie, jemanden zu finden, der ihm versprach, für einhundert Scheine jeden Kontrahenten aus dem Weg zu räumen.

      Nun war Kurt keineswegs gewalttätig. Also lautete sein Auftrag an den gemieteten Schläger: Nur einschüchtern, nicht gleich umbringen. Kurt Weltbild kannte diesen Unterschied noch. Das des Schlägers gab das nicht her.

      Weil Kurt wohl irgendwie ahnte, dass sein Projekt übel ausgehen könne, zog er in einem wachen Moment den Sozialpädagogen ins Vertrauen. Gerade noch rechtzeitig genug, um die Polizei zu informieren und den Schläger aus dem Problemviertel zu stoppen.

      Der hatte zwar vermutlich sowieso nicht vor gehabt, in welcher Weise auch immer aktiv zu werden und die einhundert Scheinchen gleich am ersten Abend versoffen. Sicher konnte man bei diesen Typen aber nie sein.

      Mit Kurts Beziehung war dann trotzdem Ende. Denn der vermeintliche Konkurrent war der Vater von Kurts Freundin. Was dieser auch hätte wissen können, wenn er den Privatdetektiv nach dem Namen des Halters des notierten Autos gefragt hätte. Hatte er aber nicht.

      Dafür hatte Kurt wieder jede Menge Zeit, über sein Projekt nachzudenken. Auf der geschlossenen Station. Wie beim letzten Mal. Obendrein drohte ihm eine Anzeige wegen Anstiftung zu einer Straftat.

      Nur mit viel Mühe hatte es der Sozialpädagoge dann fertig gebracht, die Staatsanwaltschaft davon abzubringen.

      Kurt stand allerdings ab jetzt unter kompletter Betreuung. Dummerweise wurde dafür seine Mutter auserkoren, welche ja nicht ganz unschuldig an Kurts Gemütslage und verpfuschtem Leben war.

      Jedenfalls änderte Kurt nach diesen leidvollen Erfahrungen sein Logbuch. Jetzt sollte zuallererst flachgelegt werden. Danach konnte man immer noch sehen.

      Neues Zielprojekt war eine noch recht junge und - flüchtig betrachtet - durchaus ansehnliche Neuaufnahme in die Werkstatt, die neben ihrem psychischen ein akutes Alkoholproblem hatte. Für eine Flasche Weinbrand durfte so ziemlich jeder mal dran und drüber.

      Kurt kam also endlich zum Zuge und fing an, sich sportlich betätigen. Sein Hormonhaushalt wurde dennoch nicht wesentlich beruhigt. Denn seine neue Liebe - oder was Kurt dafür hielt - hatte eine Mutter, welche ebenfalls mit entsprechendem Alkoholpegel alles mit sich machen ließ.

      Kurt war weder besonders athletisch gebaut, noch hatte er in jedweder Hinsicht ein ausgeprägtes Stehvermögen. Nicht zu der Zeit. In der Werkstatt konnte er eigentlich nur im Sitzen arbeiten. Mutter und Tochter in dieser oder wechselnder Reihenfolge flachzulegen, entsprach so gar nicht seinem Konditionsprofil.

      Mit anderen Worten: Kurt verausgabte sich völlig und sah nach kurzer Zeit aus wie ein Blobfisch. Seine zunehmend ausgeprägten und dunkler werdenden Augenränder legten beredtes Zeugnis dafür ab.

      In der Werkstatt schlief er immer öfter mir nichts dir nichts ein. Obendrein setzte Kurt eigenmächtig seine Psychopharmaka ab. In der Annahme, dies täte seiner körperlichen Fitness gut. Tat es aber nicht. Er verkam zusehends. Körperlich wie psychisch.

      Als Freundin und Mutter dann auch noch wegen aufgelaufener Mietschulden auf die Straße gesetzt wurden, hielt Kurt es für eine gute Idee, seiner Mutter vorzuschlagen, die beiden bei sich wohnen zu lassen. Schließlich habe man ja genügend Platz. So zu zweit in einem Einfamilienhaus.

      Das stimmte zwar in der Theorie. Doch Platz gab es neben Kurts Mutter nirgendwo. Schon gar nicht für zwei alkoholabhängige Schlampen, die ihr den Sohn wegnehmen wollten.

      Kurt hielt diese Spannungen nicht lange aus und verabschiedete sich wieder auf die Akutstation der Klinik.

      Freundin und deren Mutter fanden recht schnell Versorgungsersatz für Weinbrand gegen Sportunterricht. Und verschwanden damit aus Kurts Leben.

      Die Dinge hätten ab diesem Zeitpunkt einen guten Verlauf nehmen können, wäre da nicht die Sache mit dem Müllwagen gewesen .

      Der hatte turnusgemäß die Mülltonnen geleert, die vor Kurts Elternhaus abgestellt waren. Unglücklicherweise stand dort auch die blaue Wertstofftonne für Altpapier. Ein hilfsbereiter Nachbar hatte diese am Abfuhrtag aus dem kleinen Gang zum Garten geholt und vor die Tür gestellt, weil Kurts Mutter diesen gerade im Klinikum besuchen war.

      Was der Nachbar nicht wusste: In der blauen Tonne befand sich überhaupt kein Altpapier. Kurt und seine Mutter pflegten technische Geräte und andere Wertgegenstände an Orten aufzubewahren, welche dafür ursprünglich nicht bestimmt waren. So deponierten sie in der blauen Tonne unter anderem den Rasenmäher. Aber auch eine kleine Kassette mit Bargeld, für die Kurt extra einen Zwischenboden in die Tonne eingelassen hatte. Sie gedachten sich damit vor Einbrechern und sonstigen bösen Buben zu schützen. Was bis zu diesem Zeitpunkt ja auch aufgegangen war.

      Es ist nie bekannt geworden, wie viel Bargeld sich in der Tonne befunden hatte. Kurts Mutter ist jedenfalls völlig ausgerastet, als sie auf dem Rückweg von der Klinik den Müllwagen vor ihrer Haustüre sah, wie der gerade die blaue Tonne entleerte.

      Da es sich um das letzte Haus in der kleinen Anliegerstraße handelte, wollte der Müllwagenfahrer soeben in dem kleinen Wendehammer drehen und zum nächsten Straßenzug fahren, als Kurts Mutter ihm mit fuchtelnden Armen in den Weg sprang.

      Nun war Kurts Mutter nicht besonders groß. So ein Müllwagen schon. Vermutlich hat der Fahrer noch nicht einmal gesehen, dass ihm da vom Bürgersteig aus eine ältere Frau vor den Wagen sprang.

      Kurts Mutter wurde ganze zwei Blocks mitgeschleift, bis Passanten den Müllwagenfahrer auf das Missgeschick aufmerksam machen konnten. Von Kurts Mutter war nicht sehr viel heil und übrig geblieben. Sie wurde nach Freigabe des Leichnams durch die Staatsanwaltschaft in Abwesenheit von Kurt beigesetzt. In aller Stille und bis auf den Unglücksnachbarn, der die blaue Tonne vor die Tür gestellt hatte, auch ohne Kondolenzpublikum.

      Kurt lag fixiert in der Klinik und sollte dies auch noch eine sehr lange Zeit bleiben. Wie man sich erzählte, war er der Patient, der die längste Zeit fixiert in dieser Klinik gelegen hatte. Sieht man davon ab, dass es ihm zwei Male gelungen war, die Lederriemen zu zerreißen und zu versuchen, durch das vergitterte Fenster zu entkommen.

      Wenn

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