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Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 20. Frank Hille
Читать онлайн.Название Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 20
Год выпуска 0
isbn 9783750247659
Автор произведения Frank Hille
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
„Sie sind noch sehr jung und schon so hoch ausgezeichnet“ sagte die ältere Dame „wie fühlt man sich da.“
„Sie sollten Ihre Neugier mal schnell zurückstellen, der Herr Oberleutnant ist sicher froh, ein paar Tage auf Urlaub zu fahren und etwas Ruhe zu haben“ sprang der Verwaltungsdirektor Haberkorn bei, und dieser nickte dem Mann dankbar zu.
„Da will man mal was von einem richtigen Soldaten erfahren, und dann wird man gleich so abgekanzelt“ schimpfte die Dame halblaut vor sich hin.
Dieser Satz war so etwas wie ein Signal gewesen jetzt ruhig zu sein, und die anderen Fahrgäste nicht weiter zu belästigen.
Haberkorn sah aus dem Fenster. Der Zug fuhr langsam, nach seiner Schätzung etwa 50 Kilometer in der Stunde. Sie hatten Saint-Brieuc passiert, und von dort an ging es ein ganzes Stück auf Südostkurs, bei Rennes aber wieder auf klaren Ostkurs Richtung Paris. Für die Reisenden war dies ein extremer Umweg, aber so sollten sie recht weit weg von den Kampfgebieten an der Küste unterwegs sein.
Lieutenant Paul Webster hatte sich in seine de Havilland "Mosquito“, das „hölzerne Wunder“, regelrecht verliebt. Schon wenn er zu der Maschine ging konnte er sich an den eleganten Formen des fast vollständig aus Sperrholz, Fichtenholz und Birken- sowie Balsaholz gefertigten Flugkörpers und der Tragflächen nicht satt sehen. Die ersten Muster dieses Typs, der von Luftfahrtministerium damals noch mit größter Skepsis gesehen worden war, konnten die Kritiker aber überzeugen. Als Fotoaufklärer ausgerüstet, flogen sie den Me 109 einfach davon. Nach und nach waren diese Flugzeuge zur Truppe gekommen, und sie wurden begeistert übernommen. Die hohe Geschwindigkeit, die enorme Manövrierfähigkeit und die guten Flugeigenschaften sprachen für die Maschinen. Webster Ausführung war ein Jagdbomber FB VI, der mit zwei 227 Kilogramm Bomben im Schacht beladen war, und über vier 20-Millimeter-Maschinenkanonen sowie vier 7,7 Millimeter MG verfügte. Unter den Tragflächen konnten noch acht Raketen mitgeführt werden. Webster zweiter Mann, Georg Culligarn, flog mit ihm schon ein halbes Jahr, sie waren ein eingespieltes Team. Die beiden Männer ihres Rottenfliegers kannte er auch gut, Baker und Fitch waren erfahrene Piloten.
Die Alliierten zweigten von ihren ungeheuren Kräften gern ein paar Flugzeuge ab, um diese im französischen Hinterland freie Jagd fliegen zu lassen. Die beiden Maschinen waren heute für Einsätze im Gebiet Saint-Brieuc eingeteilt worden. Ihr Auftrag war der, vor allem erkannte militärische Ziele zu attackieren, aber auch Züge mit den wertvollen Lokomotiven anzugreifen. Ob es sich um Güter- oder Personenzüge handelte war egal. Besondere Erfolge erwartete man sich von diesen Aktionen nicht, aber sie würden doch für Unruhe und Verunsicherung sorgen.
Martin Haberkorn hatte sich noch etwas an den langsam einschlafenden Gesprächen beteiligt und war dann weggenickt. Im Halbschlaf spürte er, dass der Verwaltungsdirektor mit seinem massigen Körper gegen seine rechte Seite gesackt war, der Mann schnarchte schon leise. Haberkorn schob den Körper mit sanfter Gewalt weg, aber dieser kippte gleich wieder gegen ihn. Die ihm gegenübersitzende attraktive junge Frau lächelte ihn an. Es war mehr als ein verlegenes Lächeln. Er ignorierte es. Dann versuchte er wieder etwas zu schlafen und presste sich gegen die Abteilwand neben dem Fenster. Tatsächlich schlief er ein. Der Zug näherte sich Lamballe. Dieser unscheinbare Ort beherbergte zirka 12.000 Einwohner und verfügte über nichts, was ihn anziehend hätte machen können.
Die beiden de Havilland „Mosquito“ waren mit hoher Geschwindigkeit in Frankreich eingeflogen und dann zügig auf geringe Höhe gegangen. Die Piloten hatten die Motoren gedrosselt, denn der Sinkflug hatte die Geschwindigkeit wieder erhöht. Um gut beobachten zu können mussten sie mindestens bis auf 200 Meter herabgehen. Bei ihrem langgezogenen Sinkflug hatte Webster einen nach Osten fahrenden Zug erkannt, aber sie waren noch zu hoch gewesen. Beide Maschinen flogen mit fast auf Leerlauf gedrosselten Motoren einen großen Kreis um noch weiter herunterzukommen, und das Flugzeug von Baker hängte sich in 200 Metern Entfernung an die andere Maschine am Heck an. Die Piloten hatten sich vor dem Start bereits abgesprochen, wie sie bei Angriffen auf potentielle Ziele vorgehen würden. Webster „Mosquito“ war jetzt 280 Kilometer schnell, 250 Meter hoch, und befand sich gut 1.800 Meter hinter dem Zug. Der Pilot reduzierte auf 250 Kilometer in der Stunde, langsamer konnte er nicht werden, denn dann würde es zu einem Strömungsabriss an den Tragflächen kommen und die Maschine würde abschmieren. Webster zweiter Mann Culligarn war schon in die zum Teil durchsichtige Rumpfspitze geklettert und hatte sich hinter das sich im Bug befindliche Bombenzielgerät geklemmt. Der langsam fahrende Zug war ein ideales Ziel für die Bomben, denn er bewegte sich momentan auf einer absolut geraden Strecke. Webster musste die Maschine bloß direkt über dem Zug halten, dann würde die Sache funktionieren. Die Männer in den Jagdbombern waren nicht leichtsinnig und suchten den Luftraum nach deutschen Flugzeugen ab, aber diese würden sich wohl viel weiter östlich in den Landungsgebieten der Alliierten aufhalten. Außerdem hatten die Deutschen kaum noch Jagdflugzeuge.
Unter den vor allem französischen Zugbesatzungen hatte sich schnell herumgesprochen, dass die Alliierten Jagd auf alle lohnenswerten Transportmittel machen würden und dass es besser wäre nicht den Helden zu spielen, sondern sein Heil in der Flucht zu suchen. Die Heizer hatten seitdem die Aufgabe die Kohle in den Kessel zu schaufeln, aber auch den Luftraum im hinteren Bereich zu beobachten. Von der Logik her war ein Angriff auf einen Zug von der Seite her wenig sinnvoll, Bombentreffer wären so nur schwer zu erzielen. Günstiger würde ein Anflug in direkter Linie sein, denn dann hätte man die ganze Wagenkette unter sich und könnte entscheiden, wohin man die Sprengkörper warf. Webster Bombenschütze hatte bei einem vorherigen Angriff auf den ersten Waggon hinter der Lok gezielt und das Ergebnis war ein totales Chaos von aus den Schienen gesprungenen und umgekippten Wagen gewesen.
Culligarn wollte das heute wieder so praktizieren aber er wusste nicht, dass der Heizer dem Lokführer zugebrüllt hatte, dass sich von hinten ein Flugzeug nähern würde. Der Lokführer hatte sofort alle Ventile für die Antriebszylinder der Räder geschlossen und die Bremsen gezogen. Für den Bombenschützen sah es im Anflug und aus nunmehr 80 Metern Höhe so aus, als würde der Zug mit konstanter Geschwindigkeit weiterfahren und er visierte den ersten Wagen hinter der Lok an. In der Hektik des Augenblicks hatte er eine bestimmte Einstellung am Bombenabwurfgerät nicht verändert, und diese würde eine minimale Verzögerung des Abwurfs hervorrufen. Das vom Lokführer eingeleitete Bremsmanöver erzeugte eine starke Verzögerung und rief ein infernalisches Kreischen der Bremsbacken auf den Rädern hervor, mit funkensprühenden Bremsen wurde der Zug langsamer. Die beiden Bomben segelten über die Lok hinweg und explodierten knapp 30 Meter vor ihr. Der viele Tonnen schwere Zug war zwar abgebremst worden, aber das reichte nicht aus, so dass die Lok in einen der Bombentrichter rutschte und zur Seite kippte. Der Lokführer und der Heizer sprangen von der Lok herunter und rannten weg, denn jetzt schoss ein zweites Flugzeug auf den stehenden Zug.
Martin Haberkorn war durch das starke Bremsen munter geworden und wusste sofort, dass etwas schieflief. Ein paar Sekunden später krachte es weiter vorn, dann ratterten Maschinenwaffen. Der Instinkt des vom Feind Gejagten ließ ihn brüllen:
„Raus, alle raus, schnell!“
Die Waggons boten auf den ersten Blick besseren Schutz als das freie Gelände, aber sie könnten zur tödlichen Falle werden, wenn Bomben den Zug trafen. Auf dem Gang drängten sich panisch verängstigte Fahrgäste, und sie kamen nicht voran, da der schmale Weg hoffnungslos mit Menschen verstopft war.
„Wir müssen aus dem Fenster raus“ rief er.
„Das ist doch aber viel zu hoch“ rief die attraktive junge Frau.
„Los“ brüllte Haberkorn „wir haben keine Zeit mehr, die kommen wieder!“
Er half dem Verwaltungsdirektor aus dem Fenster heraus, dieser ließ sich fallen und kam gut neben dem Gleisbett auf.
Haberkorn sah die junge Frau direkt an und machte eine winkende Bewegung zu sich heran. Sie reagierte aber nicht, und wollte die Abteiltür zum Gang öffnen.
Als