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      CATHARSIS

      Schatten und Wahn

      -Dark Fantasy-

       Katharsis ist die Befreiung von seelischem Übel, mit Hilfe emotionalen Erlebens. Doch wie weit würdest du gehen, um deine Seele zu befreien?

      1. Kapitel

      "Ich verstehe. Danke.“ Mit zitternden Händen legte Blake auf, verpasste dabei knapp den Tisch und ließ den Hörer einfach zu Boden fallen. Er merkte es nicht einmal, wie das billige Plastikgehäuse zu seinen Füßen zerbrach und nur noch kleine Einzelteile zurückließ. Der Mann stand noch immer unter Schock und starrte in die Finsternis seines nächtlichen Wohnzimmers, bis ihm klar wurde, was diese verhängnisvolle Nachricht für ihn bedeutete. Man hatte den grauen Jäger auf ihn angesetzt und es gab keine einzige Kreatur auf dieser Welt, die seiner Jagd jemals entkommen war. Jedenfalls nicht lange.

       „George?“

       George Blake erwachte aus seiner Schockstarre und sah seine Frau im Durchgang zur Küche stehen. Sie trug ein geblümtes Nachthemd, es war ein Geschenk von ihm gewesen, aber mittlerweile spannte es sich schon um ihren immer dicker werdenden Bauch. Er hatte sich sehr auf den neuesten Familienzuwachs gefreut, doch im Augenblick zweifelte er daran, sein letztes Kind jemals kennen zu lernen.

       „Komm wieder ins Bett, Schatz. Es ist erst halb fünf.“

       George sah auf die Standuhr, es war vier Uhr sechsundzwanzig. Mit etwas Glück erleben wir noch die Fünf, dachte er. Er trat auf seine Frau zu und zog ihren, mit warmen Fell bedeckten Körper an sich:

      „Elisabeth, hör jetzt ganz genau zu, was ich dir sage. Zieh dich an, schmeiß alles, was du für wichtig hältst in einen Koffer und mach dich bereit, abzufahren. Ich wecke die Kinder.“

      Elisabeth sah ihn verdutzt an und in ihrem schläfrigen Gesicht machte sich Sorge breit.

      „Was ist los? Wenn das ein Scherz sein soll, ist es dafür verdammt früh.“

      -“Das ist kein Scherz, bitte mach einfach, was ich dir sage.“

       Wenigstens seine Familie wollte er retten. Blake hatte einen Freund, in dessen Besitz sich eine kleine Waldhütte befand. Seine Frau und die Kinder wären dort sicher, so lange, bis die Sache ausgestanden war.

      „George Horatio Blake!“, wetterte Elisabeth. „Du erklärst mir SOFORT, was hier los ist!“

      Mit einem raschen Blick auf die Uhr küsste er seine Frau kurz auf die Stirn und rief „Ich erklärs dir im Auto“, während er sich auf den Weg treppauf in die Kinderzimmer machte.

       Er riss eine weiße Holztür auf, auf der mehrere Tieraufkleber sowie ein krakelig geschriebener Name stand. „James“. Er ist gerade einmal acht Jahre alt und würde schon bald seinen Vater verlieren, schoss es George durch den Kopf, aber er versuchte, den Gedanken rasch wieder zu verdrängen.

      „James?“ Er schaltete das Licht ein und trat leise an das Bett heran. Es war leer.

      „James!“ George hastete voller Furcht aus dem Zimmer, sein Herz begann schneller zu schlagen. War der graue Jäger etwa bereits hier? „Scheiße, James, wo bist du?“ brüllte er durch das ganze Haus, als ihn plötzlich etwas am Bein packte. Erschrocken fuhr Blake herum und sah den kleinen, blonden Jungen im Schlafanzug mit seinem Kuschelhund im Arm neben ihm stehen.

      „Daddy, man darf doch nicht fluchen.“

      Noch nie in seinem Leben war er so erleichtert gewesen.

       „Stimmt, mein Großer, tut mir leid. Was machst du denn mitten in der Nacht auf dem Flur?“

      -“Ich hatte Durst und wollte im Bad was trinken, weil Mami und du unten wart.“ James wirkte beschämt.

       „Schon gut, zieh dir was Richtiges an und pack deinen Hund in den Rucksack, wir fahren in den Urlaub. Ich wecke nur noch kurz deine Schwester, in Ordnung?“

       Ein freudiges Glitzern machte sich in den Kinderaugen breit und der Junge hüpfte in sein Zimmer.

       „Ja! Urlaub, Urlaub, keine Schule!“

      Hinter sich hörte George eine genervte Stimme.

       „Nicht nötig, mich zu wecken, Dad, du hast mit deinem Geschrei die ganze Nachbarschaft in Panik versetzt.“ Cathrin war fünf Jahre älter als der kleine James und kam ganz nach ihrer Mutter. Sie hatte leuchtend grüne Augen und ein elegant schmales Gesicht, bedeckt mit schneeweißem Fell.

      „Cathrin, du hast es ja gehört, pack schnell deine Sachen.“

       Sie verdrehte genervt die Augen. „Hey, ich bin kein kleines Kind mehr. James glaubt dir vielleicht, dass wir in den Urlaub fahren, aber ich bin nicht so blöd wie die kleine Rotznase.“

       „Bitte, tu mir einmal den Gefallen und diskutiere nicht rum, okay? Pack einfach deine Tasche.“

      Mit einem entnervten Stöhnen ging Cathrin zurück in ihr Zimmer und schlug unter lautem Krachen die Tür zu.

       George wollte sich gerade daran machen, sich umzuziehen, als Elisabeth aus dem Schlafzimmer nach ihm rief.

       Er betrat den Raum und sah seine Frau inmitten fein säuberlich aufgereihter Blusen, Hemden und Hosen stehen. Sie hielt mit einer Hand prüfend ein rotes Kleid vor den Spiegel, mit der anderen stellte sie verschiedene Paar Schuhe davor.

      „Hmmm die Farbe... Ah, George, da bist du ja. Soll ich dir lieber das grün karierte oder das graue Hemd einpacken? Ich weiß ja, dass grau gut zu deinem Hautton passt, aber das Grüne-“

      „Verdammt!“ fuhr er sie an. „Hast du es denn nicht kapiert? Wenn wir nicht schleunigst verschwinden, dann werdet ihr den Sonnenaufgang nicht mehr erleben!“ Hastig warf er einen Blick auf den Wecker, es war zwei Minuten vor fünf. Elisabeth begann zu schluchzen. „Ich wollte doch nur-“

      „Ja, ich weiß, Liebling. Es tut mir leid. Geh schon mal runter zum Auto, okay?“

      Blake schmiss alle Kleidungsstücke in den Koffer, verschloss ihn und verließ damit das Schlafzimmer, jedoch ohne sich umgezogen zu haben. Echte Helden können ihre Familie auch im Schlafanzug retten, dachte er und musste grinsen. Auf dem Weg nach unten sah er Cathrin mit einer gigantischen Reisetasche und Kopfhörern in den Ohren. Der kleine James war auch noch im Schlafanzug und band sich gerade im Schneckentempo die Turnschuhe zu. Vielleicht war ihm das Glück ja doch hold und der graue Jäger verspätete sich. Blake begann wieder etwas Mut zu fassen, während er seiner Frau und den Kindern ins Auto half, bevor er sich selbst hinters Steuer klemmte. Sein rötlicher Blick richtete sich auf die Uhr am Armaturenbrett. Es war zwanzig nach fünf und sie lebten immer noch. Blake hoffte inständig, dass es so blieb und fuhr hinaus in den frühen Morgen.

      ***

      Zehn Minuten.

      Die dunkle Gestalt des Jägers lag verborgen zwischen Antennenmasten, Stromleitungen und Schornsteinen, die ihren dichten Qualm in die morgendliche Luft spuckten, auf dem Dach eines mehrstöckigen Gebäudes.

      Der stechende Blick des Mannes fixierte eine Straßenkreuzung direkt unterhalb seiner Position.

      Die Herausforderung, seiner Arbeit an einem öffentlichen Ort nachzugehen, beflügelte ihn und er erlaubte sich, leichte Euphorie zu empfinden, während er auf sein Opfer wartete.

      Akribische Planung und kompromisslose Ausführung, darauf konnten sich seine Auftraggeber stets verlassen.

      Die Regierung der unterirdischen Stadt hatte ihr Geld gut bei ihm angelegt und in exakt neun Minuten ein wesentliches Problem weniger.

      Ein kühler Wind strich über ihn hinweg und ließ seine halblangen braunen Haare leicht wehen. Der Herbst war unerbittlich auf dem Vormarsch. Er freute sich bereits, nach dem Ausführen des

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