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mehr mit dem Jugendstil beschäftigt.

      Bruckner und ich stiegen die Treppe hinauf und ich erwartete im Haus weitere Merkmale des Jugendstils zu finden. Wir hatten kaum die Tür erreicht, als uns auch schon ein Uniformierter mit aufgeregtem Gesichtsausdruck entgegenkam. Bevor der Mann etwas sagen konnte, hatte Bruckner seine Dienstmarke aufblitzen lassen und wir durften ohne weitere Aufregung passieren. Meine Vermutung, was den Jugendstil betraf, schien sich zu bestätigen. In der großzügigen Diele standen zwei Stühle und ein schwarzes, gusseisernes Kaminbesteck. Die langen Griffe des Schürhakens, der Schaufel, des Besens und der Kaminzange wiesen die typischen Rundungen auf. Der Durchgang von der Diele zur Eingangshalle bestand aus einer Buntglaswand mit einer zweiflügeligen Glastür. Auf alles traf die Stilbeschreibung zu, die mir spontan wieder einfiel: dekorativ geschwungene Linien mit flächenhaften floralen Ornamenten. Eine schöne Umschreibung. Bruckner hatte hierfür keinen Blick. Er wandte sich an den Uniformierten, der ein kleinwenig strammzustehen schien, als er angesprochen wurde.

      »Wo ist der Dauerdienst?«

      Ich musste selbst überlegen, was Bruckner damit meinte. Der Uniformierte schien aber überhaupt keine Vorstellung zu haben, wonach er gefragt wurde. Der Mann war wirklich sehr jung. Bei einer anderen Gelegenheit hatte Bruckner einmal über seine jungen Kollegen gesagt, dass er nicht verstehe, warum man sie so früh aus der Kaserne der Bereitschaftspolizei herausließe.

      »Ich ..., äh ..., meinen Sie die anderen Herren?«, war die durchaus berechtigte Gegenfrage des Polizisten.

      Bruckner schüttelte den Kopf. »Wo müssen wir hin?«

      Der junge Uniformierte hatte sich wieder gefangen. »Ich bringe Sie.«

      Bruckner hatte nichts einzuwenden und wir folgten dem Mann. Er hielt uns einen Flügel der Glastür geöffnet und wir betraten die Eingangshalle. Es war so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ein großer, halbrunder Raum, der nach oben die erste Etage durchbrach und in seinem Zentrum durch einen ausladenden Kronleuchter beschirmt wurde. Es gab eine breite, geschwungene Treppe, die sich auf halbem Wege nach oben verjüngte, um dann auf dem Rest des Weges hinauf zur Galerie wieder breiter zu werden. Das Treppengeländer zog sich ebenfalls in einem eleganten, jugendstilhaften Schwung nach oben und wurde schließlich in die Balustrade der halbkreisförmigen Galerie aufgenommen. Ich hoffe diese Beschreibung gibt einen Eindruck der Schönheit.

      Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann war mir wieder bewusst, dass ich nicht zu einer Objektbesichtigung hier war. Rechts von uns öffnete sich eine Tür. Drei Herren stürmten heraus und traten zu uns. Hartmann war mir noch bekannt. Der zweite Polizist in zivil wurde mir als Hermann Seitz vom Kriminaldauerdienst vorgestellt. Hinter ihm stand der dritte Mann. Mir fiel sofort der klassische Arztkoffer auf, den er in der rechten Hand hielt. Es war heutzutage nicht mehr praktisch mit diesen Taschen herumzulaufen, es sei denn, man war kein Arzt. Braunes, glattes Leder mit goldenen Beschlägen. Die Tasche und die gesamte Aufmachung des Mannes passten zu dem Audi, der draußen parkte. Bruckner wandte sich an Hartmann, der sofort mit seinem Bericht begann.

      »Die Tote liegt in der Bibliothek. Die Leute aus dem Haus warten im Salon. Udo passt auf.«

      Mit Udo meinte Hartmann seinen Kollegen Udo Galler, der ebenfalls beim Erkennungsdienst arbeitete. Hartmann selbst hatte, seitdem ich ihn kannte, immer eine Doppelfunktion gehabt. Bruckner setzte ihn als eine Art Assistenten ein. So war es schon vor ein paar Monaten, als ich das erste Mal mit Bruckner zusammengearbeitet hatte.

      »Wie viele sind es?«, fragte Bruckner.

      »Im Salon warten vier. Ich habe die Personalien bereits aufgenommen. Und auch schon ans Präsidium weitergegeben.«

      »Wer sind die Leute?«

      »Drei Hausangestellte und der Hausherr. Frau von Treibnitz ist auf ihrem Zimmer, der Doktor hat ihr ein Beruhigungsmittel gegeben.«

      Hartmann deutete auf den Mann mit dem Arztkoffer, der jetzt vortrat und Bruckner die Hand reichte.

      »Dr. Loos«, stellte er sich vor.

      Bruckner musterte ihn ein, zwei Sekunden. »Sind Sie der Hausarzt derer von Treibnitz?«

      »Bitte?«, fragte Dr. Loos und er schien wirklich nicht verstanden zu haben.

      »Ob Frau von Treibnitz Ihre Patientin ist, sind Sie deswegen hier?« Bruckner sprach bewusst langsam.

      »Nein, nein, ich bin wegen der Leichenschau gekommen«, erklärte der Arzt.

      Hartmann griff ein. »Der Doktor ist von einer der Angestellten gerufen worden.«

      »Ja, das stimmt«, bestätigte Dr. Loos. »Die Köchin, Frau Salbert hat mich angerufen. Ich wohne hier in der Gegend. Frau Salbert und ich kennen uns. Ich sollte Erste Hilfe leisten, aber ich muss sagen, es war natürlich schon zu spät.«

      »Dr. Loos hat den Tod der Toten festgestellt«, erklärte Hartmann. »Also die erste Leichenschau vorgenommen.«

      »Das alles ist mir etwas unangenehm«, stammelte der Doktor. »Ich bin Hals-Nasen-Ohren-Arzt, leite eine Privatklinik. Das, was da mit der Frau geschehen ist, gehört sozusagen nicht in mein Fachgebiet.«

      »Aber Sie konnten wenigstens ihr Ableben feststellen«, warf Bruckner etwas mürrisch ein.

      »Es muss ein bisschen mehr gemacht werden«, antwortete Dr. Loos. »Ich bin mir schon meiner Pflicht bewusst.«

      »Gut, Sie sind gleich noch dabei, wenn ich mir die Tote ansehe.«

      »Ich habe Verpflichtungen«, begann Dr. Loos wieder zu stammeln. »Mir ist das alles wirklich sehr unangenehm. Können Sie nicht Ihre Kollegen von der Gerichtsmedizin hierherholen?«

      »Kommt noch!«, sagte Bruckner weiterhin mürrisch. »Sie haben die Leiche als Erster untersucht, Sie bleiben bitte hier.«

      Es vergingen zwei Sekunden, dann fügte Bruckner in milderen Worten noch etwas hinzu. »Bitte haben Sie Verständnis dafür, Herr Dr. Loos.«

      Bruckner wandte sich wieder an Hartmann. »Ich überlege gerade, soll ich mit den Leuten sprechen oder erst die Leiche ansehen?«

      »Die sollten sich noch ein paar Minuten beruhigen«, meinte Hartmann. »Wir haben sie ja regelrecht zusammengetrieben. Den Gärtner musste ich zweimal bitten, wieder ins Haus zu kommen.«

      »Den Gärtner«, wiederholte Bruckner. »Da gibt es doch ein Sprichwort.«

      »Oh, sonst sind die Phrasen doch immer von mir, Herr Kriminaloberkommissar«, entgegnete Hartmann.

      Bruckner zuckte mit den Schultern. »Also zuerst die Leiche. Spurensicherung schon abgeschlossen?«

      »Nein, wie gesagt, die Leiche geht vor.«

      »Wo ist das, diese Bibliothek?«

      Hartmann zeigte auf die Tür, durch die er, Hermann Seitz und Dr. Loos vor zwei Minuten gekommen waren. Bruckner nickte. Hartmann ging voran, wir anderen folgten. Ich betrat das Zimmer als Letzter und schloss die Tür hinter mir. Hartmann und Galler hatten Scheinwerfer aufgestellt, die Hartmann jetzt wieder einschaltete. Ich hatte den Körper der toten Frau erst gar nicht wahrgenommen. Das grelle Licht tauchte alles in eine unwirkliche Welt, in eine Welt aus Sachlichkeit. Dieses Empfinden hatte ich früher auch schon immer im Leichenschauhaus, was es einem einfacher macht, die Grausamkeit des Todes von Gewaltopfern zu ertragen. Erst jetzt spürte ich die Hitze in dem Raum. Hartmann klärte uns gleich auf.

      »Der Gaskamin war voll aufgedreht, warum auch immer. Das macht die Sache für den Pathologen nicht einfacher. Wir konnten natürlich nicht lüften.«

      Bruckner nickte. »Wie weit ist der Bereich gesichert?«, fragte er.

      Hartman zeigte in gerader Linie von der Tür bis zur Leiche. »Wir haben hier einen Korridor von zwei Metern Breite aufgenommen. Und um die Tote herum einen Halbkreis von ebenfalls zwei Metern.«

      »Und die Spurenlage?«

      »In der Nähe der Leiche vor allem Blut, menschliches Gewebe und verbrannte Stoffreste«, erklärte Hartmann. »Die Stoffreste stammen wohl von der Kleidung

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