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den kleinen Raum jetzt fast ausreichend hell und sie konnte seine eisblauen Augen funkeln sehen, in denen die gleiche Sorge stand, die auch sie fühlte.

      „Roy“, murmelte sie leise und für einen Moment versank sie in seinem Blick und vergaß, wo sie waren. Sie wusste nur, dass der Wald sie wahrscheinlich töten würde.

      Wieso muss ich erst sterben, um zu erkennen, was er mit bedeutet?, fragte sie sich selbst und da war so viel, was sie ihm sagen wollte, was er noch wissen musste. Alisha hatte keine Ahnung, wo sie beginnen sollte. Doch sie sah dieselbe Dringlichkeit auch in Roys Augen. Er sah sie an und sein Herz zog sich zusammen. Alisha … Verdammt, wenn er die Kraft dazu hätte, würde er die Ranken mit bloßen Händen in Stücke reißen um sie zu beschützen. Er wollte sie heil hier raus bringen. Das musste er einfach schaffen.

      Doch in diesem Moment griff sie nach seinen Händen und führte sie hinter ihrem Rücken zusammen. Er begriff, was sie wollte und umarmte sie fest. Auch sie schlang die Arme um ihn und dann verharrten sie in dieser Umarmung, während der Wald um sie herum langsam zur Ruhe kam und sich schließlich nicht mehr bewegte.

      Alisha bemerkte die Veränderung als Erste.

      „Roy!“, stieß sie hervor. „Sieh doch mal!“ Und dann begriff sie, dass der Wald sie keinesfalls verletzen wollte. Woher sie das wusste, konnte sie nicht sagen, aber sie wusste es. Tief in ihrem Inneren.

      Der Wald hatte ein Refugium für sie geschaffen. Einen kleinen, natürlichen Schutzbunker.

      2. Eingeschlossen

      Es war mehr als unwirklich. Seltsam entrückt betrachtete Alisha die Situation und konnte nicht anders, als es lustig zu finden. Allein, mit Roy, in einem Geflecht aus Pflanzen, das gerade so viel Raum ließ, dass sie sich eingerollt hinlegen konnten, nebeneinander.

      Und ausgerechnet – von allen, mit denen sie in so einer Situation hätte landen können – war sie mit Roy hier. Wenn sie sich schon verlieren musste, dann wenigstens an seiner Seite. Es war, als erzittere ihr Leben, als würde es gegen eine Mauer rennen und um einhundertachtzig Grad gedreht werden, nur um auf dem Rücken zu laden und hilflos mit den Beinen strampeln.

      „Lish?“, fragte Roy sie leise und sah sie verwirrt an. Sie verzog das Gesicht zu einem Grinsen, was eher einer Grimasse gleichkam und lachte hysterisch. „Alisha!“, er packte sie an den Schultern und sah ihr tief in die Augen. „Du musst dich beruhigen, Süße. Langsam ein- und langsam ausatmen. Los! Mach es mir nach.“

      Alisha hatte nur den einen Gedanken: dass es ziemlich bescheuert aussah, wie Roy vor ihr stand und übertrieben deutlich atmete. In ihrem Kopf begann sich die Welt zu drehen und sie fühlte sich, als würde sie fallen. Aus tausenden von Metern Höhe, hilflos und ohne Fallschirm.

      Sie wusste, dass sie fliegen musste, aber sie konnte nicht. Und dann wurde alles schwarz.

      Roy fing sie auf, als Alisha ohnmächtig zusammensank. Seine Stirn leicht besorgt in Falten gelegt, bettete er sie auf den Boden und hockte sich im Schneidersitz neben sie. Hier, in dem kleinen Iglu aus Pflanzen, war die Erde trocken und weich und er legte ihren Kopf zusätzlich auf seinen Schoß. Wieso musste sie auch hyperventilieren? Allerdings ließ ihm das jetzt Zeit, sie zu betrachten. Ihr helles, borkenbraunes Haar fiel wie ein seidiger Wasserfall über sein Bein, einige Strähnen hatten sich aus ihrem Zopf gelöst und fielen ihr ins Gesicht. Sanft strich er sie fort und betrachtete ihre Züge. Alisha war hübsch, das wusste er. Doch in diesem Moment, als sie so zerbrechlich bei ihm lag, sah sie einfach nur schön aus.

      Es blieb ihm nicht viel Zeit ehe sie sich rührte und langsam erwachte.

      „Hmmm …“, machte sie und schüttelte etwas orientierungslos den Kopf. Ihr erster Gedanke war, dass Roy sie „Süße“ genannt hatte. Das hatte er seit ungefähr zwölf Jahren nicht mehr getan. „Was ist passiert?“

      „Du hast hyperventiliert, Lish“, sagte er trocken und sie setzte sich auf. Breit grinsend starrte er sie an und da war es wieder, dieser überhebliche Zug in seinem Gesicht. Alisha sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an und wappnete sich innerlich schon gegen einen weiteren Angriff, doch zu ihrer Überraschung blickte Roy sie ernst an.

      „Oh“, murmelte sie also nur und richtete ihren Zopf.

      „Aber du musst zugeben, dass du schon gequietscht hast, wie ein Mädchen, als dich dieses Pflanze gepackt hat“, fügte Roy noch an und in seinem Tonfall lag die Freude darüber. Alishas Mund klappte auf und einen Moment konnte sie gar nichts darauf erwidern.

      „Du Idiot“, sagte sie schließlich. Doch diesmal schrie sie ihn nicht an, denn sie war mehr fassungslos als ärgerlich. „Das hier ist nicht Zuhause!“, fuhr sie fort und warf ihm einen fast schon angewiderten Blick zu.

      „Ha, also bitte. Dein Blick, als wir gefangen waren, hat doch Bände gesprochen, Lish. Rooooooy, halt mich fe –“

      Sie unterbrach ihn, indem sie ihm eine Ohrfeige verpasste. Überrascht starrte er sie an, mit der Hand an der Wange. Sie schüttelte nur enttäuscht den Kopf und wandte schließlich den Blick ab. Alisha rollte sich zusammen, mit dem Rücken zu Roy und schloss die Augen, um ihre Tränen zu verbergen.

      Einen Moment lang ließ er sie in Ruhe und fast konnte sie seine Bestürzung über ihre Reaktion fühlen. Sie hatten sich schon immer gegenseitig aufgezogen. Aber irgendwann war Schluss. Wie konnte er sich nur so selbstgefällig über ihre Gefühle lustig machen? Ja, verdammt. Sie hatte halt geglaubt, dass sie sterben würden! Er etwa nicht? Was hätte sie denn anderes glauben sollen? Und außerdem hatte er sie zuerst umarmt. Er hatte sie festgehalten. Nur, um ihr das später unter die Nase zu reiben.

      Idiot.

      Roy fühlte sich ziemlich mies wegen dem, was er gesagt hatte. Und dennoch blickte er nur stumm auf Alisha hinab. Er war hier schließlich der Kerl und durfte keine Schwäche zeigen. Wenn er sie wissen ließ, dass auch er Angst hatte, dann würde sie das Vertrauen in ihn verlieren und hier noch vollkommen durchdrehen. Auf den Gedanken, dass Alisha vielleicht stärker sein könnte, es verkraften könnte, darauf kam er gar nicht. Roy war so in seine Rolle als ihr Beschützer hineingewachsen, dass es schwer war, zu erkennen, wie stark und mutig sie in den letzten Jahren geworden war. Außerdem waren auch seine Adern voll mit Adrenalin. Er war zappelig und seine Hände zitterten immer noch von dem Schrecken, den der Wald ihm verpasst hatte. Rennen konnte er nicht, um die Energie abzubauen. Was also blieb ihm anderes?

      „Alisha …“, sagte er schließlich und legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie antwortete nichts und daran merkte er viel zuverlässiger, als wenn sie ihn angeschrien hätte, dass er sie tief verletzt hatte. Sein schlechtes Gewissen nahm noch zu und er zwang sie sanft, sich zu ihm umzudrehen. In ihren Augen standen Tränen und er war sich nicht sicher, ob vor Wut oder Traurigkeit, denn sie funkelte ihn erbost an.

      „Was?“, schnappte sie und Roy zog seine Hand weg.

      „Es tut mir leid“, begann er, doch sie drehte sich wieder von ihm weg. Er seufzte. „Was ist los? Willst du jetzt ewig so weiterschmollen? Es tut mir leid, was ich gesagt habe. Das war falsch. Natürlich habe auch ich Angst, Lish. Wir müssen jetzt zusammenhalten.“

      „Zusammenhalten?“, fuhr sie in an und fast schon mit Erleichterung sah er, dass sie endlich richtig wütend wurde. Alisha ballte die Hände zu Fäusten und setzte sich auf. „Gerade du sprichst von Zusammenhalten?“, ehe sie ihn richtig anschreien konnte, wurde ihr bewusst, wie lächerlich die Situation war. Sie saßen sich gegenüber, in einer kleinen Pyramide aus Pflanzen und konnten nicht fort von hier. Vielleicht hatten die Pflanzen sie noch nicht getötet, aber wer wusste schon, ob das nicht noch geschah. Sie könnten hier verhungern. Ihr Bauchgefühl ignorierend, dass ihr sagte, es würde nicht so weit kommen, entspannte sie ihre Fäuste und lehnte sich zurück, an die erstaunlich weiche Wand aus Ranken.

      „Vergiss es“, sagte sie und wandte den Blick von ihm ab. Roy wollte etwas erwidern, doch er blieb dann ebenfalls still. Sie holte tief Luft und ihre Augen wanderten über das dichte Netz aus Blättern, Ranken und dicken und dünnen Stämmen. „Was machen wir jetzt?“, fragte sie schließlich und sah Roy wieder an. Er ließ sich

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