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am 25. Mai 2004 freudig erregt auf dem Magdeburger Hauptbahnhof. Einige Freunde waren gekommen, um uns Lebewohl zu sagen. Als sich die Räder des Zuges langsam in Richtung Frankfurter Flughafen in Gang setzten, wurde uns klar: Jetzt gibt es kein Zurück mehr, jetzt gehen wir zwei uns vielleicht ein Jahr lang auf die Nerven. Na, wenn das mal gut geht!

      Die lange Zugfahrt verlief ohne nennenswerte Zwischenfälle, wie auch das Einchecken auf dem Flughafen. Nach einem dreizehnstündigen Aufenthalt in luftiger Höhe, landeten wir mit einem Flieger der australischen Fluglinie Quantas in Singapur. Dort verbrachten wir einen dreitägigen Zwischenstopp. Der reichte völlig aus, um sich die pulsierende Metropole anzusehen, gut essen zu gehen, einmal auf das Dach eines Wolkenkratzers zu steigen, eine Bootstour durch den Hafen zu drehen, die Botanischen Gärten zu besuchen, sich zu aklimatisieren und zu testen, ob man in der Ferne klarkommt - vor allem, ob man mit seiner Reisebegleitung klarkommt. Die erste Hürde bewältigten wir ohne Probleme und hatten richtig Spaß in der feuchtheißen, von Menschen nur so wimmelnden Stadt. Diesen Umstand nutzten wir sogleich, um die ersten digitalen Schnappschüsse per E-Mail nach Hause zu schicken. Sie sollten all den Zurückgelassenen zeigen, wie gut es uns ging.

      In Singapur kam es zu ersten Kontakten mit anderen Backpackern, die das gleiche Hostel wie Anne und ich zur Übernachtung gebucht hatten. Von überall her wollten sie überall hin, genau wie wir.

      Ein paar schwüle Nächte später und nach erneuten acht Stunden über den Wolken, landeten wir um 5 Uhr früh auf der Landebahn des Flughafens von Cairns. Der Einreisemarathon begann und es dauerte eine Weile, bis alle Gepäckstücke kontrolliert und alle Stempel im Pass waren. Endlich konnten wir aus der Halle ins Freie. Dort hieß es dann: Warten auf den Abholdienst! Bereits im Voraus hatten wir ein Hostel gebucht, welches, wie viele andere Hostels auch, einen solchen Service inklusive hatte. Bevor wir chauffiert werden konnten, mussten wir jedoch mit den Abholern telefonieren und die eigene Ankunft bekanntgeben.

      »Wer ruft an? Du oder ich? Na gut ... ich.«

      Zunächst musste ich überlegen, was ich sagen wolle und dann meinem Gehirn die dafür nötigen englischen Worte entlocken. Nachdem ich mir zehnmal selbst alles vorgesprochen und auch gleich noch alle möglichen Antworten auf eventuell auftretende Fragen parat gelegt hatte, griff ich zum Hörer und wählte die kostenlose Nummer.

      Es klingelte und klingelte und klingelte und plötzlich ... klingelte es noch mal ... und noch mal ... und noch mal. Wollte uns niemand haben? Was war los? Schlafmützen! Ich versuchte es im Abstand von jeweils zehn Minuten immer wieder - doch vergeblich. Wir saßen auf dem Flughafen fest. Das fing ja bestens an!

      Ein Gutes hatte die Warterei jedoch, denn sie bescherte uns unseren ersten australischen Sonnenaufgang. Und als ich kurz nach 9 Uhr erneut den Hörer in die Hand nahm, wurde mein Anruf letztlich doch noch erhört. Ich erklärte dem jugendlich klingenden Typen am anderen Ende, dass ich schon seit früh um fünf versuchen würde, jemanden zu erreichen.

      »So früh steht hier niemand auf«, antwortete der ganz cool. »Doch keine Sorge, ich hole euch gleich ab.«

      Wenige Minuten später brauste ein Kleinbus um die Ecke und hielt vor uns an. Die Tür ging auf und heraus spazierte ein braungebrannter Surferboy ohne Schuhe. Er begrüßte uns, lud alles ein und wir fuhren ins `Pete’s´. Dort wartete ein Doppelzimmer auf uns. An der Rezeption erfuhren wir, wie alles läuft - außerdem, dass jeden Mittwoch ein großer Barbecueabend angesetzt sei, was mir, als leidenschaftlichem Esser, besonders gut gefiel. Wir packten unsere Sachen ins Zimmer und machten uns gleich auf zu einer Erkundungsrunde durch die Stadt.

      Hier fiel der Zeiger des Stimmungsbarometers zum ersten Mal leicht nach unten. Zum einen war Cairns an diesem Samstagmorgen wie ausgestorben, zum anderen sah es hier aus wie in einer alten amerikanischen Touristenkleinstadt. Entlang der Promenade gingen wir in Richtung Strand. Doch selbst nach langer Suche fanden wir diesen immer noch nicht. Das war auch unmöglich, da Cairns gar keinen richtigen Strand besaß. Durch die Abholzung großer Teile des heimischen Regenwaldes für die Bewirtschaftung mit Zuckerrohr hatten starke Regenfälle so viel Schlamm in das Meer gespült, dass man sich nun mit einem Freibad direkt neben dem moderigen Küstenstreifen begnügen musste.

      Das war also Australien? Hier mussten wir jetzt ein Jahr rumkriegen? Na dann Prost Mahlzeit!

      »Hoffentlich sieht es nicht überall so aus«, dachte ich.

      Leicht enttäuscht schlenderten wir wieder ins Hostel zurück, wo wir müde vom langen Flug ins Bett fielen.

      Der Alltag der meisten Hostelbewohner bestand darin, draußen vor einem riesigen Fernseher zu sitzen und sich zu langweilen. Das war nicht unser Ziel. Stattdessen beschäftigten wir uns in den kommenden Tagen damit, die noch fehlenden Papiere zu besorgen, ein Bankkonto zu eröffnen, und alle benötigten Genehmigungen einzusammeln.

      Wochentags präsentierte sich die Stadt rammelvoll - voll mit Backpackern, mit Touristen, die am Great Barrier Reef tauchen gehen wollten und voll mit denen, die sich um das Wohl der Leute kümmerten. Cairns entpuppte sich als regelrechter Touristenmagnet. Nichts für uns. Wir überlegten, wie wir am besten hier weg kommen würden. Einen Wagen zu mieten oder Busfahrkarten zu kaufen, erschien uns auf Dauer zu teuer. Doch es zog uns raus aus Cairns, denn es wurde Tag für Tag langweiliger. Als dann noch leichter Regen einsetzte, trübten sich unsere Gesichter mehr und mehr. Dieser Umstand wiederum führte nicht gerade zu angeregten Konversationen zwischen Anne und mir. Hatten wir wirklich eine gute Entscheidung getroffen? Erste Zweifel kamen auf.

      Eines Morgens hörte ich auf dem benachbarten Grundstück jemanden telefonieren, auf Deutsch!

      Aufhorchend dachte ich: »Das gibt es doch nicht, wohnen gleich nebenan etwa Deutsche?«

      Ich berichtete Anne von meiner Entdeckung und meinte, dass ich unbedingt rüber gehen müsse, um die Lage zu erkunden. Anne war davon nicht begeistert. Ich marschierte trotzdem los.

      Es stellte sich heraus, dass nebenan seit dreißig Jahren ein älteres Ehepaar aus Deutschland lebte, das uns sogleich auf einen gemütlichen Abend am Folgetag einlud. Nun handelte es sich dabei jedoch ausgerechnet um einen Mittwoch, also um den Tag des großen Grillabends im Hostel, auf den sich mein Magen schon so gefreut hatte. Nichtsdestotrotz sagten wir zu.

      »Gehen wir eben früh genug hin, erzählen ein bisschen und hauen pünktlich zur großen Fresserei wieder ab«, meinte ich.

      Guter Plan! Doch die Durchführung gestaltete sich etwas schwieriger als gedacht. Um 20 Uhr sollte der Grill im `Pete’s´ auf Hochtouren laufen und die köstlichen Steaks danach schreien, genüsslich verschlungen zu werden. Gegen 18 Uhr läuteten wir bei Familie Schneider. Sogleich saßen wir in ihrem Garten, erzählten über Gott und die Welt, tranken ein wenig und ehe wir uns versahen, stand der Zeiger bereits kurz vor 20 Uhr. Der Hunger meldete sich und so langsam wollte ich das Gespräch in Richtung Verabschiedung lenken. Was mir auch gelang, dachte ich zumindest.

      Familie Schneider brachte uns zur Gartentür. Als wir uns zum bestimmt fünften Mal verabschiedet hatten, sagten sie plötzlich: »Ach, wollt ihr nicht noch mal mit rein kommen? Es war doch so schön.«

      Der Grillabend war dahin.

      »Macht’s gut ihr Würstchen, Steaks und was sonst noch alles auf dem heißen Rost brutzelt.«

      Wir gingen wieder hinein und setzten uns an den gleichen Platz wie zuvor. Und was soll ich sagen, es war sehr schön, sich bis spät in die Nacht mit dem Ehepaar zu unterhalten und ihnen Geschichten aus der alten Heimat zu erzählen. Die beiden freuten sich so darüber, Neuigkeiten aus Deutschland zu erfahren, dass sie uns gar nicht wieder losließen. Irgendwann schafften Anne und ich es jedoch, uns loszureißen. Und siehe da, im Hostel warteten tatsächlich noch ein paar Grillreste auf uns.

      Nachdem unser Hunger gestillt war, diskutierten wir mit einer jungen deutschen Backpackerin über unsere mehr oder minder ausgereiften Reisepläne. Sie überzeugte uns, dass wir schön blöd wären, wenn wir uns kein eigenes Auto kaufen würden. Schließlich hätten wir im Moment noch ausreichend Geld und könnten hinfahren, wo wir wollen. Das leuchtete uns ein. Des Weiteren brachte sie uns auch von der Idee ab, zuerst die Ostküste in Richtung Sydney zu bereisen. Wir sollten lieber in Richtung Westküste

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