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Querverkehrt. Peter J. Gnad
Читать онлайн.Название Querverkehrt
Год выпуска 0
isbn 9783844214369
Автор произведения Peter J. Gnad
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
"Waaaas ?"
"Ich hab’ einfach nicht mehr genug Geld gehabt, um mir dort neue Brillen kaufen zu können…Ich habe Indien daher leider nur sehr verschwommen, eben nur unscharf wahrgenommen, ein bisschen so wie im Blindflug."
Rudolf wusste nicht, was er darauf noch sagen sollte, schüttelte nur mehr grinsend den Kopf, meinte dann im Weggehen lapidar, "Das kannst du mir ja dann heute Morgen, nach der Arbeit erzählen, ich find' das unheimlich spannend…"
Das war zu viel des Guten. Da fuhr dieser Narr nach Indien, um das Land dann letztlich doch nicht zu sehen. Diese Welt stand nicht mehr lange, so konnte es einfach nur in einem Fiasko enden!
Kaum in der "Kiste", wie er sein Gefährt nannte, gleich eine lange Wartepause, an einem der Stände in seiner Nähe. Zuerst war er noch gekreist, hatte nach irgendwelchen, auf der Straße stehenden, winkenden Fahrgästen Ausschau gehalten, sich schließlich aber doch an einem überfüllten Stand, als Fünfter in der Reihe angestellt. Was übersetzt nichts anderes hieß, als mindestens eine halbe, bis eine Stunde zu warten, bis der nächste Fahrgast für ihn selbst zu tragen käme.
Schöne Scheiße, typisch Sonntagabend. Kein Arsch auf der Straße, keine Sau wollte irgendwohin, Scheiß-Bürger, Scheiß-Sonntag - morgen war Arbeitstag und alle Wochenendflipper dampften ihre Räusche vom Vortag aus, morgen musste man schließlich wieder in der Reihe stehen. Arsch in einem Arschgefüge. Zahnrad unter Zahnrädern, eines das andere vorantreibend, jeder hielt jeden bei der Stange.
Es lebe die Revolution! Selbst wenn es nichts nützte. Was für einen Sinn, außer für die Betreiber, konnte es haben, wenn alle auf dasselbe Signal hörten?
Auch er war einmal einer in der Masse gewesen, und das nicht nur auf einer der unteren Schienen, war zur Eigenverantwortlichkeit aufgestiegen. Er war ein Tüchtiger, ohne Tendenzen zur unfairen Überflügelung anderer, wertvoller Mitarbeiter jener Firma gewesen. "War gewesen", eine berüchtigte Zeitform; da waren einige, die schon mal was "gewesen" waren und was waren sie nun? Entweder abgefunden, "entschädigt", in die freie Wildbahn entlassen, oder tot.
Er hatte sich auf Kosten seines Stolzes für "freie Wildbahn" entschieden. Sein Fehler, mochten viele von außen sagen. Aber was die von außen sagten, hatte ihn noch nie besonders gejuckt. Wer waren die? Er war schließlich er...
Und so war es eben gekommen. Er mit dem Kopf durch die Wand - zumindest hatte er es versucht, verzweifelt gewollt, und war - ganz profan - gescheitert, wie schon so viele vor ihm, die ebenfalls mit dem Kopf durch die Wand gewollt hatten. Nun denn, hier war man also! Einer von vielen - eingeordnet in ein starres System, starrer als alle Systeme, die er vorher kennengelernt hatte, aber... des Menschen Wille ist sein Himmelreich - "Frei", wie er vermeinte zu sein. An jenem Abend reichte seine Freiheit nicht sehr weit. Genauer gesagt, bis zum nächsten Ruf an der Telefonsäule, an der er sich anstellte. Traumhaft!
Und der nächste Ruf an der Säule, nur die Stimme allein, reichte schon aus, um sein Barometer, ohnehin schon auf 'stürmisch', bis tief ins Minus sinken zu lassen. Der hätte nichts zu lachen. Wobei Schweigen noch das geringste, harmloseste Mittel war. Nun, man würde ja sehen! Das Weitere ergäbe sich dann schon von selbst. Allen Unwillen überwinden (am liebsten gleich wieder nach Hause fahren) starten, Gas geben, hinfahren und auf den Fahrgast warten.
Aber da gab es nicht viel abzuwarten, die Situation klärte sich sofort und unmissverständlich. Das "Arschloch" kam in schwarzem Anzug, mit wehendem weißen Schal um den Hals über die Straße getänzelt, stieg als Erstes gleich einmal grußlos ein, zündete sich die im Mundwinkel hängende Zigarette an. Er machte durch eine verächtliche Geste klar, dass Rudolf erst einmal losfahren solle. Was er auch noch widerspruchslos tat, obwohl er das schon von Grund auf nicht mochte. Zu viele Irrwege mit unklarem Ausgang hatten zu dieser empirischen Erkenntnis geführt.
Es dauerte auch nur einige Minuten, einige Kilometer weiter, als klar wurde, dass der Mann, trotz seines Seidenhemdes, seiner parfümierten Erscheinung, kein Geld hatte. Dass er, Rudolf, sich mit dem Fahrtgeld wohl auf morgen vertrösten lassen müsste, denn er, der Fahrgast, habe im Moment gerade nun wirklich nichts bei sich. Aber das wäre ja kein Problem, wenn man so verführe, wie er es gerade anbot, sich das Geld eben bei der Tussi, zu der er nun fahre, morgen früh, 'überraschend' abzuholen. Es bedürfe nur des richtigen Zeitpunktes - so etwa sechs Uhr dreißig. Um sieben müsse sie nämlich aus dem Haus, zur Arbeit, und da sei es am Besten.
Als die Ampel, etwa fünfzig Meter weiter, auf Rot schaltete, stieg Rudolf mit gelassener Mine aus, ging auf die andere Seite des Wagens, öffnete die Tür, lächelte den Seidenmann lieblich an, sprach dann in aller Seelenruhe.
"Endstation... raus hier, mit so was wie mit dir, Miesling, verschwende ich keine Zeit… raus jetzt, sofort, oder soll ich nachhelfen? Das macht mit Anfahrt einen Zehner bis hierher!"
"Komm, nicht aufregen. Ist ja alles gut... hol ich mir halt einen Anderen, okay? Ist ja gut, nur keine Gewalt, bitte!"
Der Mann zog ohne weiteren Widerspruch einen Geldschein aus der Tasche hielt ihn ihm wedelnd vor die Augen. Rudolf griff, ohne zu zögern nach dem Geldschein, ließ ihn seelenruhig in seiner Tasche verschwinden, bevor er sich nochmals seinem Fahrgast zuwandte.
"Mir tun nur die Weiber leid, die dir in die Falle gehen… aber du bist eh bereits bestraft genug, in deiner Haut zu stecken kann kein Spaß sein !"
"Ach geh, sag mal, was hast Du denn, ich meine, ich hab' Dir doch nichts getan, oder? Was iss denn los mit Dir? Iss doch alles o.k., oder?"
"Du würdest es nie verstehn und wenn ich dir's zehn Mal erkläre. Dir fehlt da was, im Gehirn und das ist irreparabel.- Tschüss Arschloch !"
"Und die Weiber, die kriegen ja schließlich auch alle eine 'Leistung' geboten, oder glaubst du das ist so einfach, ältere Damen zufriedenzustellen?"
"Ja, ein Witwentröster. Du kotzt mich an. Armseliger Wicht, ist das alles was du gelernt hast im Leben ?"
"Sag', was willst du eigentlich von mir ?"
"Du kostest mich 'ne ganze Stunde, jetzt gerade... und dafür kommst Du noch sehr billig weg. Aber wenn Du noch so ein paar 'Weisheiten' von dir gibst, dann kriegst du vom Fahrpreis sogar noch was raus… Zwei, drei Maulschellen hätte ich gerade parat, wie wär's ?"
Der Seidenmann öffnete nur noch einmal kurz und wortlos seinen Mund drehte sich abrupt um und verschwand schnell aus Rudolfs unmittelbarer Nähe. Ein paar Schritte weiter drehte er sich nochmals um, tippte sich auf die Stirn, deutete auf Rudolf. Rudolf sah nicht einmal in seine Richtung, als er auf das Gaspedal trat. Das konnte ja noch heiter werden, wenn das schon so begann. Die Nacht war noch lang, wer wusste, was da noch seiner harrte. Da war alles drin! Da gab es solche und solche - aber mehr solche als solche...
Langsam fuhr er die Straße entlang, beobachtete alle Fußgänger. Aber da war nichts und niemand!
Seine Leerkilometer nahmen bereits eine spürbare Dimension an. An manchen Tagen konnte man tun, was man wollte, es ging einfach buchstäblich nichts. Es war wie verhext, als wenn sich alle Mächte gegen die Taxifahrer verschworen hätten. Nicht einmal streunende Hunde waren zu sehen, in diesem Kaff der toten Hunde.
Und so sollte es auch für die nächsten Stunden bleiben. Er fuhr und fuhr - ohne Fahrgäste - auf der Jagd durch die Straßen, vereinzelt nur eine Hand, die sich nach seinen Diensten erhob, meist nur Kleinvieh und das machte zwar Mist, aber eben viel zu wenig Mist. Das Wetter war schuld, die meisten blieben da gleich von vorneherein zu Hause und die wenigen, die sich trotzdem hinausbegaben, gingen nur zur Kneipe nebenan.
So konnte er seine Miete morgen nicht bezahlen. Er fluchte laut vor sich hin. Es war und blieb eine beschissene Nacht. Er hätte gleich zu Hause bleiben sollen. Vielleicht Anna noch mal besuchen gehen. Wozu in die Ferne schweifen, wo das Gute doch so nahe lag. Ja die... das war schon so eine Nummer. Schon am Tag, als sie einzog, sie trafen einander zufällig im Treppenhaus, wedelte sie mit ihrem kurzberockten Hintern vor ihm die Treppe hinauf. Dieser Abend hatte gleich bei ihm in der Wohnung geendet, sie war gar nicht mehr gegangen, hatte auch nie die Absicht gehabt