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weinen müssen.«

      »Das kann ich wohl begreifen,« erwiderte Sven Elversson. »Aber könnten Sie nicht den Herrn Pfarrer fragen, Frau Rhånge? Er hat doch große Erfahrung.«

      Sie errötete und warf ihm einen schnellen und beinahe etwas argwöhnischen Blick zu. Aber als sie seine Augen klar und offen, ohne den geringsten Hintergedanken, in die ihren schauen sah, fuhr sie fort:

      »Meine Freundin würde es wohl nicht gerne sehen, wenn ich meinen Mann um Rat fragte. Die Unzufriedenheit ihres Mannes zeigt sich hauptsächlich, wenn sie eingeladen gewesen sind und wieder nach Hause fahren. Dann ist er schlechter Laune und gönnt ihr kaum ein Wort. Und was sie auch sagen mag, er antwortet ihr nur spöttisch oder unfreundlich.«

      »Aber sind Sie ganz sicher, daß in dem Benehmen der jungen Frau nichts ist, was der junge Mann unpassend finden könnte?« fragte Sven Elversson.

      »Nein,« entgegnete die junge Frau sehr eifrig, »das ist nicht der Fall, dessen bin ich fast ganz sicher. Er und sie sind beide ernsten Sinnes. Und wo sie hinkommen, geht es still und ehrbar zu, und von Tanz und ausgelassenen Spielen ist keine Rede. Meine Freundin hat aber auch schon daran gedacht, sie sei ihrem Mann vielleicht zu munter und lebhaft, darum ist sie, als sie das letztemal ausgingen, die ganze Zeit bei den alten verheirateten Bauernfrauen gesessen und hat verständig mit ihnen gesprochen. Und nur, als der Hausherr selbst kam und ihr seine Gartenanlagen zeigen wollte, ist sie von ihnen gegangen. Der Hausherr war jedoch ein älterer Mann und sprach von nichts als von Obstbäumen und Blumen, und daß viel zu wenig Gärten in der Gegend seien. Da wurde sie von ihm angesteckt und meinte, er habe sehr recht, und sie fragte, ob er nicht meine, es ließe sich da, wo sie wohnte, auch ein Garten anlegen. Er versprach ihr, seine eigenen Gärtner hinzuschicken, die ihr jetzt im Herbst einen Garten abstecken sollten, und im Frühjahr wollte er ihr Bäume und Sträucher schicken. Aber am Abend, als sie nach Hause fuhren und sie meinte, sie könne ihrem Manne mit diesem Versprechen eine Freude machen, sah sie, daß er, während sie berichtete, die Finger so fest um den Peitschenstiel preßte, daß die Knöchel ganz weiß wurden, und als das Pferd bergauf stolperte, versetzte er ihm in hellem Zorn einen Peitschenschlag um den anderen. Zu ihr aber sagte er, sein Hof müsse so bleiben, wie er bei seinen Vorfahren gewesen sei, und es würden da keine neuen Anlagen gemacht. Außerdem verlangte er von ihr, sie solle nie mehr ein derartiges Übereinkommen treffen, ohne ihn vorher um Erlaubnis gefragt zu haben. Nun schreibt sie mir, sie sei über die Maßen erschrocken gewesen und habe kein Wort erwidern können. Sie habe nur die Hände gefaltet und Gott gebeten, er möge sie erleuchten, damit sie herausbringe, was das sei, und was es bedeute.«

      Die junge Frau sprach die ganze Zeit über sehr langsam und wog ihre Worte mit großer Vorsicht ab, und Sven Elversson hörte mit wachsender Teilnahme zu. Er konnte nicht unterlassen, zu denken, die Beschreibung von dem alten Manne, der für Gartenanlagen schwärmte, passe hervorragend genau auf einen Gutsbesitzer, der auf einer Insel bei Applum wohnte und einen großen Garten hatte, und bei dem die Pfarrleute selbstverständlich eingeladen gewesen waren. Aber davon sagte er kein Wort zu der, die mit ihm redete.

      »Dieses Bauernmädchen ist gewiß sehr schön,« sagte er nur.

      Wieder warf sie ihm verstohlen einen forschenden Blick zu.

      »Ja, ich glaube, die Leute meinen, sie sehe recht gut aus,« sagte sie etwas nachlässig. »Aber was hat sie davon, wenn der Mann so viele Fehler an ihr findet und an allem, was sie tut, etwas zu tadeln hat. Wenn es so aussieht, als ob sie niemals mehr einen eigenen Willen haben dürfte, und als ob alles, was sie vornimmt, verwerflich wäre. Und wenn sie nie wissen kann, was sie darf und was ihr verboten ist.«

      Doch jetzt eben war Sven Elversson damit beschäftigt, das Segel herumzuwerfen und zu kreuzen, so hatte er keine Zeit, eine Antwort zu geben, bevor die Pfarrerin fortfuhr:

      »Früher, als sie noch zu Hause war, da bekam sie niemals Vorwürfe. Da war sie allen recht. Sie war das Vorbild für ihre kleinen Geschwister, und als sie die Heimat verließ, sagte jedermann, nun werde es aus sein mit dem Behagen. Wenn sie jetzt daran denkt, kann sie nicht umhin, über sich selbst zu lächeln, denn jetzt, seit sie ein eigenes Heim hat, scheint sie ja gar nichts mehr zu taugen; sie wird gescholten für das, was sie sagt, und für das, was sie nicht sagt, für das, was sie tut, und für das, was sie unterläßt.«

      »Herr Gott, was soll ich nur antworten?« dachte Sven Elversson. »Sie ist allein und hat niemand, dem sie sich anvertrauen kann, sie ist wehrlos und fremd. Und sie muß über ihr Unglück reden. Es ist ihr ein Trost, in dieser Weise davon zu sprechen.«

      Er machte nur die Bemerkung, Frau Rhånge sei offenbar mit ihrer Schulkameradin sehr eng verbunden.

      »Ich möchte ihr gerne helfen,« sagte die junge Frau, und wieder wollten ihr die Tränen kommen. »Ich weiß, sie ist ein gutes und freundliches Menschenkind. Sie geht gerne zu den Armen und Alten und tröstet sie in ihrer Betrübnis, aber das soll sie auch nicht tun, und das fällt ihr beinahe am schwersten. In der Kirche soll sie auch nicht auf einer Bank sitzen, die zum Pfarrhaus gehört, wo sie doch so gerne sitzt, weil sie im Chor steht und etwas erhöht ist, von wo sie die ganze Gemeinde überschauen kann.«

      Sven Elversson dachte an die kleine Bank in der Kirche von Applum, die für die Frauen des Pfarrhauses bestimmt war; sie stand tatsächlich etwas erhöht und gewährte einen guten Überblick. – »Aber ich kann ihr doch nicht sagen, daß ihr Mann eifersüchtig ist,« dachte er. »Das würde sie verletzen. Es gibt sich ja vielleicht auch wieder. Es ist besser, wenn sie nichts weiß.«

      Er legte das Steuer herum und schlug den Heimweg ein. Es war wohl am besten, wenn der Mann bei seiner Rückkehr aus der Kirche seine junge Frau zu Hause fand.

      Und in seinem Schmerz, weil er nicht wagte, ihr zu helfen, oder vielleicht um sie von ihrem eigenen Kummer abzulenken, sagte er, indem er auf einen spitzen Holm weit draußen im Westen deutete:

      »Das ist die Grimö. Dort ist Sven Elversson zu Hause. Sie haben gewiß von ihm gehört?«

      Sie nickte. »Ja, ich kenne die ganze Geschichte.«

      Sie schien darüber nicht weiter reden zu wollen, sondern machte plötzlich eine Bemerkung, die dem bißchen Glücksgefühl, das Sven Elversson an diesem Vormittag empfunden hatte, ein jähes Ende bereitete.

      »Sie wissen wohl, daß das Schulhaus, das er im Kirchdorf gebaut hat, gestern abend abgebrannt ist?«

      »Abgebrannt!« rief er aus, und vor Schrecken ließ seine Hand die Ruderpinne fahren; sofort warf der Wind das Segel herum, und das Boot wäre beinahe gekentert.

      »Ja, es ist bis auf den Grund abgebrannt,« sagte die Pfarrerin mit der größten Seelenruhe. »Und es ist gut so.«

      Sven Elversson bemühte sich, das Boot wieder in den rechten Kurs zu bringen. Unterdessen stieß er zwischen hart zusammengebissenen Zähnen hervor: »Warum sagen Sie, es sei gut, daß das Haus abgebrannt ist? Ich habe sagen hören, die Leute von Applum seien zufrieden damit gewesen.«

      »Das hab' ich auch gehört,« erklärte sie. »Aber was half das, wenn die Kinder nicht hineingehen wollten?«

      »Die Kinder wollten nicht in die Schule gehen?« wiederholte er völlig hilflos. »Ich bin nicht an Land gewesen, seit die Schule angefangen hat, darum weiß ich gar nichts.«

      Sie merkte, wie erregt er über ihren Ausspruch, es sei gut, daß das Schulhaus abgebrannt sei, war, darum erzählte sie jetzt ganz eifrig, die Kinder seien von der ersten Stunde an nur sehr ungern in die neue Schule gegangen. Sie hatten gehört, sie sei von einem Menschenfresser gebaut worden, und so bekamen sie Angst, sie könnten die ewige Seligkeit verlieren, wenn sie in einer Stube lernten, wo es nach vergossenem Christenblut roch.

      Während die Pfarrfrau das erzählte, wunderte sie sich darüber, daß der junge Mann verstummt und wie betäubt dasaß, daß er einen ganz nach innen gerichteten Blick bekam und daß ein duldendes und gequältes Lächeln um seine Lippen spielte.

      Und um noch mehr zu rechtfertigen, was sie eben gesagt hatte, erzählte sie weiter, der Schullehrer habe sein Bestes getan. Er habe freundlich und verständig mit den Kindern geredet, habe ihnen gezeigt, wie gut

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