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Mühe zu machen, hier heraufzuklettern, es sei denn, er bringe einem von uns, die wir hier hausen, Botschaft.«

      Während er diese Frage stellte, trat der Fremdling näher.

      »Ja, es ist so, wie Du sagst,« antwortete er. »Ich habe den Weg verfehlt, und nun weiß ich nicht, wohin ich meine Schritte lenken soll. Wenn Du mir hier eine Weile Ruhe gönnen und mir dann sagen willst, welchen Weg ich wählen muß, um einen Gutshof zu erreichen, so wäre ich Dir dankbar.«

      Bei diesen Worten setzte er sich auf einen der großen Steine, die vor der Hütte lagen. Die junge Frau fragte ihn, ob er nicht an ihrer Mahlzeit teilnehmen wolle, er jedoch lehnte es lächelnd ab. Dagegen zeigte es sich, daß er sehr geneigt war, sich mit ihnen zu unterhalten, während sie weiteraßen. Er fragte die jungen Eheleute nach ihrem Leben und nach ihrer Arbeit, und sie gaben ihm einfach und offen Bescheid.

      Plötzlich wandte sich der Arbeiter an den Fremdling und begann ihn auszufragen: »Du siehst, in welcher Einöde und wie einsam wir hier leben,« sagte er. »Es ist wohl ein Jahr vergangen, seit ich mit anderen Menschen als Hirten und Winzern geredet habe. Aber kannst Du als einer, der aus dem Feldlager kommt, uns nicht ein wenig über Rom und den Kaiser berichten?«

      Kaum hatte der Mann diese Frage gestellt, so bemerkte sein junges Weib auch sogleich, daß die Greisin ihm einen warnenden Blick zuwarf und mit der Hand ein Zeichen machte, sich mit seinen Worten recht in acht zu nehmen.

      Der Fremdling aber erwiderte ganz freundlich: »Ich sehe, daß Du mich für einen Legionär hältst, und Du hast damit in der Tat nicht so unrecht, obwohl ich schon längst den Dienst verlassen habe. Für uns Kriegsleute hat es unter der Regierung des Tiberius nicht viel Arbeit gegeben. Und dennoch war er einst ein großer Feldherr. Das war in seinen Glückstagen. Nun aber denkt er an gar nichts anderes, als sich vor Verschwörungen zu schützen. In Rom reden alle Menschen davon, daß er in der vergangenen Woche, nur auf einen leeren Verdacht hin, den Senator Titius ergreifen und hinrichten ließ.«

      »Der arme Kaiser, er weiß nicht mehr, was er tut!« rief die junge Frau. Sie erhob die Hände und schüttelte voll Mitleid und Verwunderung den Kopf.

      »Da hast Du wirklich recht,« erwiderte der Fremdling, während ein Ausdruck tiefster Schwermut sein Gesicht überflog. »Tiberius weiß, daß ihn alle Menschen hassen, und das wird ihn noch zum Wahnsinn treiben.«

      »Was redest Du?« entgegnete die junge Frau. »Warum sollten wir ihn hassen? Wir beklagen es ja nur, daß er nicht mehr der große Kaiser ist wie zu Anfang seiner Regierung.«

      »Du irrst Dich,« sprach der Fremdling. »Alle Menschen hassen und verachten Tiberius. Und weshalb sollten sie es nicht tun? Er ist ja nur noch ein grausamer und herzloser Tyrann. Und in Rom glaubt man, daß er von nun an noch hartherziger werden wird, als er es jemals war.«

      »Ist denn irgend etwas geschehen, das ihn zu einem noch schrecklicheren Unhold machen könnte, als er schon war?« fragte der Mann.

      Als er dies sagte, bemerkte die junge Frau, daß die Greisin wieder ihr Warnungszeichen gab, aber so verstohlen, daß der Mann es nicht gewahrte.

      Der Fremdling antwortete ihm freundlich, während ein sonderbares Lächeln um seine Lippen irrte.

      »Du hast vielleicht erzählen hören, daß Tiberius bisher in seiner Umgebung einen Freund besaß, auf den er sich fest verlassen konnte, und der ihm stets die Wahrheit sagte. Alle anderen, die an seinem Hofe leben, sind Glücksjäger und Heuchler, die seine bösen und heimtückischen Handlungen ebenso loben und preisen wie seine guten und vortrefflichen. Dennoch gab es, wie ich sagte, einen einzigen Menschen, der niemals fürchtete, ihn den Wert seiner Handlungen erkennen zu lassen. Dieses Wesen, das mutiger war als alle seine Senatoren und Feldherren, war des Kaisers alte Amme, Faustina.

      »Ei, freilich, ich hörte von ihr reden,« sprach der Arbeiter. »Man erzählte mir, daß der Kaiser ihr allzeit in Freundschaft zugetan war.«

      »Ja, Tiberius wußte ihre Hingebung und Treue zu schätzen. Er hat die arme Bäuerin, die einst aus einer elenden Hütte in den Sabinerbergen herabgestiegen war, wie seine zweite Mutter behandelt. Solange er selbst in Rom weilte, ließ er sie ein Haus auf dem Palatin bewohnen, um sie stets in seiner Nähe zu haben. Keine von Roms vornehmsten Matronen hatte es besser als sie. Sie wurde in einer Sänfte durch die Straßen getragen und war wie eine Kaiserin gekleidet. Als der Kaiser nach Capri übersiedelte, mußte sie ihn dorthin begleiten, und er ließ für sie ein Landhaus kaufen, voll von Sklaven und kostbarem Hausrat.«

      »Sie hat es fürwahr gut gehabt,« sagte der Mann.

      Er allein setzte nun das Gespräch mit dem Fremden fort. Sein Weib saß stumm dabei und beobachtete, welch eine Veränderung mit der Greisin vorgegangen war. Seit der Ankunft des Fremden hatte sie kein Wort mehr gesprochen. Ihr sanftes, freundliches Aussehen war verschwunden. Sie hatte ihr Essen beiseite geschoben und sich starr und aufrecht gegen den Türpfosten gelehnt, von wo sie mit strengem, versteinertem Antlitz gerade vor sich hinblickte.

      »Es lag in des Kaisers Absicht, ihr ein glückliches Leben zu bereiten,« sprach der Fremdling. »Aber trotz all seiner Wohltaten hat auch sie ihn jetzt verlassen.«

      Die Greisin zuckte bei diesen Worten zusammen, und die junge Frau legte sanft beruhigend die Hand auf ihren Arm. Dann begann sie mit ihrer warmen, milden Stimme zu sprechen. »Ich kann es dennoch nicht glauben, daß die alte Faustina bei Hofe so glücklich gewesen ist, wie Du meinst,« sagte sie, indem sie sich dem Fremdling zuwandte. »Ich bin dessen gewiß, daß sie Tiberius wie ihren eigenen Sohn geliebt hat. Wohl kann ich begreifen, wie stolz sie auf seine edle Jugend gewesen ist, und kann es darum auch verstehen, welch ein Kummer es für sie war, als er sich in seinem Alter dem Mißtrauen und der Grausamkeit hingab. Sicherlich hat sie ihn jeden Tag ermahnt und gewarnt. Es war für sie furchtbar, immer umsonst zu bitten. Sie hat es schließlich wohl nicht mehr ertragen, ihn tiefer und tiefer sinken zu sehen.«

      Bei diesen Worten beugte sich der Fremdling überrascht ein wenig vor. Doch das junge Weib blickte nicht zu ihm auf. Sie hatte die Augen gesenkt und sprach sehr leise und ehrerbietig.

      »Du hast die alte Frau vielleicht richtig beurteilt,« antwortete er. »Faustina war in der Tat bei Hofe nicht glücklich. Dennoch wirkt es sonderbar, daß sie den Kaiser in seinem hohen Alter verließ, nachdem sie ein ganzes Menschenalter durch bei ihm ausgeharrt hatte.«

      »Was redest Du?« fragte der Mann. »Die alte Faustina hat also den Kaiser für immer verlassen?«

      »Sie hat sich heimlich von Capri fortgeschlichen,« sagte der Fremdling. »Sie ist ebenso arm weggegangen, wie sie gekommen war. Von ihren Schätzen hat sie nicht das geringste mitgenommen.«

      »Und der Kaiser weiß nicht, wohin sie sich begeben hat?« fragte die junge Frau mit ihrer sanften Stimme.

      »Nein, niemand ist sicher, welchen Weg die Greisin eingeschlagen hat. Man hält es jedoch für wahrscheinlich, daß sie in ihren heimatlichen Bergen eine Zuflucht gesucht habe.«

      »Und der Kaiser weiß auch nicht, weshalb sie fortgegangen ist?« fragte die junge Frau.

      »Nein, der Kaiser weiß nichts darüber. Er kann doch nicht annehmen, daß sie ihn verließ, weil er einmal zu ihr sagte, auch sie diene ihm nur, wie alle anderen, um Lohn und Geschenke zu erhalten. Sie weiß doch, daß er niemals an ihrer Uneigennützigkeit gezweifelt hat. Er hat auch noch immer gehofft, daß sie freiwillig zu ihm zurückkehren würde, denn niemand weiß besser als sie, daß er nun gar keinen Freund mehr hat.«

      »Ich kenne sie nicht,« sprach die junge Frau, »und dennoch glaube ich, Dir sagen zu können, weshalb sie den Kaiser verlassen hat. Jene alte Frau wurde einst inmitten dieser Berge zu Einfachheit und frommer Sitte erzogen und hat sich stets hierher zurückgesehnt. Dennoch hätte sie den Kaiser sicherlich niemals verlassen, wenn er sie nicht beleidigt hätte. Aber ich begreife es sehr wohl, daß sie, nachdem dies geschehen war, glaubte, jetzt, am Ende ihrer Lebenszeit, an sich selber denken zu dürfen. Wenn ich ein armes Weib aus den Bergen wäre, würde ich wahrhaftig ganz wie sie gehandelt haben. Ich würde denken, daß ich genug getan hätte, da ich meinem Herrn ein ganzes Leben lang gedient habe. Ich würde

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