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      Heute ist er der Clown, die Tunte über die man lacht, der Alkoholiker, der sich, die Kneipe als Bühne, seinen lebensnotwendigen Schnaps verdient. Auch ich spendiere ihm einen. Dero ist nicht mehr zu retten.

      Scheißberuf! Dero ist kaputt, zerbrochen. Kaputt an Leib und Seele. Verwöhnt vom Erfolg, fiel er von ganz oben auf die Straße. Der Sturz in die Tiefe schien endlos, der Alkohol tat das übrige. Kaputt - einer von denen, die den Absprung nicht schafften!

      ‚ - Fürchte ich, dass es auch mir passieren könnte? - Bin ich ebenso gefährdet?‘ Emotionen reißen mich mit. Hilflos aggressiv wälze ich meine Wut auf die Gäste dieses speziellen Lokals ab: - Schwule, selbst Außenseiter der Gesellschaft, die allerdings genau wie die, von ihnen ja eigentlich verachtete Gesellschaft reagieren, die den nächst Schwächeren und Älteren verstoßen, lächerlich machen und zum Clown werden lassen.

      Der Schnaps, den ich mit Dero trinke, tut gut. Ich werde etwas ruhiger und kann ihm endlich zuhören.

      Er hat Krach mit der Wirtin des Bajass, einer im Grunde herzlichen und gutmütigen Frau, die für ihn das letzte Hemd hergeben würde.

      Geduldig versuche ich, ihn zu beruhigen. Dero lebt fast umsonst hier. Wo sollte er denn hin? Er hat niemanden, außerdem ist er volltrunken wirklich schwer zu ertragen.

      Während er linkisch mein Knie streichelt, geht von neuem die Phantasie mit mir durch. Was ist bloß los mit mir?

      Unsere Vorstellung hat mich die letzte Kraft gekostet, ich bin nicht mehr der Jüngste, - und die blöde Schulter. Ich müsste etwas essen, der Schnaps und das Bier auf leeren Magen verursachen nach dieser Anstrengung einen erschreckenden Zustand, als wäre hochprozentiger Alkohol direkt in meine Blutbahn gelangt. Dazu der bohrende Schmerz in der Schulter ...

      „Hallo Michael!“

      Abermals Wärmewallungen in meinem mir sonst so vertrauten Körper und kalter Schweiß auf heißer Stirn. Reni begrüßt mich, ich biete ihr Platz an und ertappe mich selber bei dem Gedanken: ‚Ich möchte mit ihr schlafen!’

      Für einen Moment bin ich verwirrt und nicht in der Lage, mich vernünftig zu unterhalten.

      „Benno war heute blendend! ...“, sie hatte die Vorstellung besucht, „... Er hat so eine ausgefeilte Technik und springt wie ein junger Gott ...“, sie trifft mich, wie mit einem Dolchstoß,

      „... und ist dabei noch ausdrucksstark! ...“

      Unbekümmert plaudert Reni weiter, während ich mich schon wieder zerfleische. ‚Die Schulter! - Nein, natürlich nicht die Schulter, er ist einfach besser und jünger. Wann werde ich das verdauen, ohne diese zermürbende Eifersucht? ‘

      ‚Natürlich hat er auch die bessere Rolle und ...‘ - Endlich wechselt sie das Thema.

      Dero segelt durch den Raum, fällt krachend zwischen die Stühle. Riesengekreische und Getöle. Es geht mir auf die Nerven. Ich hätte Dero nicht so viel Schnaps geben dürfen, komme mir zum Kotzen vor und plaudere doch leicht und charmant mit der eleganten Reni, ihren weichen Körper an meiner Seite spürend. Sie fängt an, mich zu faszinieren, mich einzufangen, beginnt mir Komplimente zu machen, auf die ich wie immer, obwohl ich sie so dringend brauche, schroff und abweisend reagiere. Trotzdem schmeichelt sie mir. Wie unabsichtlich lasse ich meinen Arm auf ihren Rücken rutschen, erfühle ihre weiche Haut unter dem Abendkleid.

      Seit einigen Jahren kenne ich Reni nun schon, ohne jemals in dieser Situation gewesen zu sein. Sie ist verheiratet und hat ein reizendes Kind. Die Familie lernte ich bei einer Premierenfeier kennen. Ihr Mann ist oft unterwegs, sie ist gerne gesellschaftlicher Mittelpunkt, und dies perfekt. Reni erscheint sehr selbständig und emanzipiert.

      Wir gehen manchmal zusammen essen oder treffen uns, wie heute, mehr oder weniger zufällig in einem Lokal. Auch manchmal im Bajass, diesem Treff für Eingeweihte.

      Theatergänger, Tänzer, Sänger, Schauspieler stellen sich hier oft nach der Vorstellung zu einem Gespräch ein, sogar die geliebten Kritiker lassen sich manchmal sehen.

      Der Wunsch, mit dieser charmanten Frau zu schlafen, kam mir nie vorher - vielleicht wollte ich den Wunsch auch bisher nicht an mich heranlassen.

      Heute bin ich berauscht von ihr, rieche ihr Haar, spüre ihren Körper und überlege einen Moment, ob unsere Freundschaft kaputt gehen würde, wenn ...

      Mir ist schwindlig, ich muss etwas essen und zudem schmerzt mich die Schulter.

      Reni scheint meine Gedanken zu lesen. - Merkt sie, dass ich blau werde? Sie verschwindet in der Küche.

      Wir sind fast wie zu Hause in dieser gemütlichen, bürgerlich erscheinenden Gaststätte, dem Künstlerlokal, Gasthof und Hotel für Künstler. Ein bisschen in, ein bisschen schick, wie es in dieser Mischung nur hier möglich ist. Man trifft sich, gibt sich volkstümlich, wer jemand ist oder gern wäre bei Film, Fernsehen oder Theater. Schwul oder lesbisch, kesse Väter, selbst Stricher tauchen im Bajass ab und zu auf, und natürlich ist auch etwas Unterwelt vertreten. Dies alles durchsetzt von völlig normalen Menschen.

      Dero ist wieder da.

      „Weißt du noch, wie ich mit Olga tanzte?“, - dann fast weinend, „Ein Mistvieh war sie, eine Hexe, eine göttliche Tänzerin!“

      Natürlich weiß ich’s, es war nicht meine Zeit, doch ich weiß es. Kollegen hatten davon erzählt.

      Am Nebentisch springt eine hysterische Tunte auf und beginnt zu tanzen, singt dazu in den höchsten Koloraturtönen. Alles lacht und kreischt, die Stimmung ist auf dem Höhepunkt.

      Mein Lachen schmeckt schal, als Reni sich, mit einem dicken Käsebrot in der Hand, wieder zu mir setzt. Sie füttert mich, mein Körper spürt sie - faszinierend!

      Die Aufmerksamkeit aller gilt dem Tanzenden. Ich bin froh, denn hier ist das schlimmste Klatschnest, und jeder würde mir anmerken, dass ...

      Ich werde unvorsichtig, berühre wie zufällig ihre Schenkel, ihren Busen. Ihr erstaunter Blick trifft mich wie ein Schlag. Mein Gott, wir müssen hier raus!

      Dero ist voll, - aber die anderen?

      Triebhaftes Verlangen liegt in der Luft. Gedanken und Wünsche verbinden sich mit dem Rauch, dem Duft der Parfüms und Alkohol. Im Dunst tanzen Paare.

      Bilder vermischen sich in rasendem Tempo zum phantastischen Film. Nackte Jünglinge tanzen eng umschlungen, kopulieren zum Gesang unnatürlich überhöhter Männerstimmen.

      Blitze durchzucken meine Schulter; Reni holt mich aus Versehen recht schmerzhaft aus meinen Träumen zurück. Sie bemerkt den Schmerz, wird weicher, liebevoll und zärtlich tröstet sie mich.

      „Ich möchte mit dir schlafen!“

      Erschreckt über meine eigenen Worte, scheint mir die Luft wie eingeschnürt und meine Pumpe will zerspringen.

      Wie ein Primaner!

      Als ich erwache, bin ich schweißgebadet. Es dauert, bis ich da bin. -

      ... Ein Pas de Deux, ... ein irrer, unheimlicher Tanz, in dem wir immer schwerer werdend gegen die Materie ankämpften, zum Schluss allein in einer unendlichen Weite ohne jegliche Begrenzung. Mein Gefühl, mein Verstand, meine Seele, das Zentrum war in meiner rechten Schulter und beobachtete mich und meine Partnerin aus dieser ungewöhnlichen Perspektive. In meiner Schulter löste ich mich vom Körper, schwebte im Raum - schwerelos - und sah mich tanzen und tanzen.

      Eingesperrt in ein Extrem verlor ich den Kontakt zu meinem Körper und spürte wie ich langsam starb, während mein Zuhause, meine Wohnung, meine Hülle, dieser so blendend trainierte Körper eines Spitzensportlers zu Pirouetten, zu gewaltigen Sprüngen, eleganten, schönen, ästhetischen Bewegungen ansetzte, und sie so glänzend ausführte, dass es mich schmerzte und meinen Tod beschleunigte.

      Die Schulter begann mit mir zu verwesen, zu verfallen und ich roch meinen eigenen Gestank ...

      Immer noch benommen, die Bilder des Traums so lebendig vor mir,

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